Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

namentlich in Bezug auf die Daten sehr vorsichtig sein. Die Biographie ist
etwas schwülstig und gespreizt und verräth einen nicht ganz liebenswürdigen
Charakter. Die Verfasserin derselben ist Hubers Frau, die Tochter des berühm¬
ten Philologen Heyne.

Huber war geboren in Paris 1766, Katholik wie sein Vater, aber durch¬
aus tolerant oder deistisch, physisch sehr verzärtelt und kränklich, durch übertriebene
Bevormundung von Seiten seiner Eltern jeder Selbstständigkeit entwöhnt. Sein
Vater kam 1766 als Lector der französischen Sprache an die Universität Leip¬
zig, wo er 1804 starb. Der Sohn wurde 1783 nach Dresden geschickt und
im auswärtigen Ministerium angestellt. Sein, genauester Umgang war Körner,
mir dessen Schwägerin er sich verlobte. Körner, Huber und ihre beiden Bräute
begannen aus freien Stücken jenen berühmten Briefwechsel mit Schiller, der
diesem jungen, strebsamen, aber noch in sich selbst gespaltenen Dichter die Anregung
zu einer neuen Lebensbildung gab. In Dresden beschäftigte sich Huber theils
mit Uebersetzungen aus dem Englischen, theils mit dem Entwurf eines Schau¬
spiels: "das heimliche Gericht", das er ganz wie ein VerstandeSproblem be¬
handelte. Ostern 1788 ging er als kursächsischer Legationssecretär nach Mainz,
wo er sich im Anfang in Spiel und ähnliche Ausschweifungen einließ, bis der
Umgang mit Georg Forster und seiner Frau seiner Bildung eine neue Richtung
gab. Therese Heyne war 1766 in Göttingen geboren und hatte sich 1786 mit
Forster verheirathet, dem sie erst nach Polen, dann nach Mainz folgte. Die
Ehe war trotz gegenseitiger Achtung im Ganzen eine unbefriedigende, in dem
Umgang mit Huber ging für sie ein neues Leben auf. Huber erhielt 1790
die Gesandtenstelle, verließ beim Ausbruch des Revolutionökrieges mit den
übrigen Gesandten Mainz, beging aber die Unvorsichtigkeit, noch einmal dahin
zurückzukehren, und kam dadurch in Conflict mit seinen Vorgesetzten. Indessen
hätte sich dieser ausgleichen lassen, allein Forster war mittlerweile in die revo¬
lutionären Umtriebe verwickelt und mußte infolge dessen nach Frankreich flüchten.
Um sich seiner hinterlassenen Frau und Kinder anzunehmen, reichte Huber
Februar 1793 seine Entlassung ein und begab sich mit Therese nach Neuf-
chütel, wo er von literarischen Arbeiten lebte. So schrieb er 1793 seinen
Roman: "Juliane." Im November 1793 wagte Forster, was damals sehr ge¬
fährlich war, seine Freunde zu besuchen. Er starb zu Paris im Januar 1796.
Vier Monate daraus heiratheten sich die beiden. In dieser Zeit hatte Huber
auch vielfachen Verkehr mit Frau von Staöl. Doch trieb ihn die Unsicherheit
des literarischen Erwerbs im Februar 1798 aus der Schweiz nach Tübingen,
wo er für Cotta an der "Weltkunde" und an der "Allgemeinen Zeitung" arbei¬
tete. Da die letztere wegen des Verbots in Würtemberg 1803 nach Ulm verlegt
werden mußte, siedelte er sich dahin über. Schon früher hatte er den Titel
eines coburgschen Legationsraths erhalten, jetzt bekam er eine einträgliche An-


namentlich in Bezug auf die Daten sehr vorsichtig sein. Die Biographie ist
etwas schwülstig und gespreizt und verräth einen nicht ganz liebenswürdigen
Charakter. Die Verfasserin derselben ist Hubers Frau, die Tochter des berühm¬
ten Philologen Heyne.

Huber war geboren in Paris 1766, Katholik wie sein Vater, aber durch¬
aus tolerant oder deistisch, physisch sehr verzärtelt und kränklich, durch übertriebene
Bevormundung von Seiten seiner Eltern jeder Selbstständigkeit entwöhnt. Sein
Vater kam 1766 als Lector der französischen Sprache an die Universität Leip¬
zig, wo er 1804 starb. Der Sohn wurde 1783 nach Dresden geschickt und
im auswärtigen Ministerium angestellt. Sein, genauester Umgang war Körner,
mir dessen Schwägerin er sich verlobte. Körner, Huber und ihre beiden Bräute
begannen aus freien Stücken jenen berühmten Briefwechsel mit Schiller, der
diesem jungen, strebsamen, aber noch in sich selbst gespaltenen Dichter die Anregung
zu einer neuen Lebensbildung gab. In Dresden beschäftigte sich Huber theils
mit Uebersetzungen aus dem Englischen, theils mit dem Entwurf eines Schau¬
spiels: „das heimliche Gericht", das er ganz wie ein VerstandeSproblem be¬
handelte. Ostern 1788 ging er als kursächsischer Legationssecretär nach Mainz,
wo er sich im Anfang in Spiel und ähnliche Ausschweifungen einließ, bis der
Umgang mit Georg Forster und seiner Frau seiner Bildung eine neue Richtung
gab. Therese Heyne war 1766 in Göttingen geboren und hatte sich 1786 mit
Forster verheirathet, dem sie erst nach Polen, dann nach Mainz folgte. Die
Ehe war trotz gegenseitiger Achtung im Ganzen eine unbefriedigende, in dem
Umgang mit Huber ging für sie ein neues Leben auf. Huber erhielt 1790
die Gesandtenstelle, verließ beim Ausbruch des Revolutionökrieges mit den
übrigen Gesandten Mainz, beging aber die Unvorsichtigkeit, noch einmal dahin
zurückzukehren, und kam dadurch in Conflict mit seinen Vorgesetzten. Indessen
hätte sich dieser ausgleichen lassen, allein Forster war mittlerweile in die revo¬
lutionären Umtriebe verwickelt und mußte infolge dessen nach Frankreich flüchten.
Um sich seiner hinterlassenen Frau und Kinder anzunehmen, reichte Huber
Februar 1793 seine Entlassung ein und begab sich mit Therese nach Neuf-
chütel, wo er von literarischen Arbeiten lebte. So schrieb er 1793 seinen
Roman: „Juliane." Im November 1793 wagte Forster, was damals sehr ge¬
fährlich war, seine Freunde zu besuchen. Er starb zu Paris im Januar 1796.
Vier Monate daraus heiratheten sich die beiden. In dieser Zeit hatte Huber
auch vielfachen Verkehr mit Frau von Staöl. Doch trieb ihn die Unsicherheit
des literarischen Erwerbs im Februar 1798 aus der Schweiz nach Tübingen,
wo er für Cotta an der „Weltkunde" und an der „Allgemeinen Zeitung" arbei¬
tete. Da die letztere wegen des Verbots in Würtemberg 1803 nach Ulm verlegt
werden mußte, siedelte er sich dahin über. Schon früher hatte er den Titel
eines coburgschen Legationsraths erhalten, jetzt bekam er eine einträgliche An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99448"/>
            <p xml:id="ID_178" prev="#ID_177"> namentlich in Bezug auf die Daten sehr vorsichtig sein. Die Biographie ist<lb/>
etwas schwülstig und gespreizt und verräth einen nicht ganz liebenswürdigen<lb/>
Charakter. Die Verfasserin derselben ist Hubers Frau, die Tochter des berühm¬<lb/>
ten Philologen Heyne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_179" next="#ID_180"> Huber war geboren in Paris 1766, Katholik wie sein Vater, aber durch¬<lb/>
aus tolerant oder deistisch, physisch sehr verzärtelt und kränklich, durch übertriebene<lb/>
Bevormundung von Seiten seiner Eltern jeder Selbstständigkeit entwöhnt. Sein<lb/>
Vater kam 1766 als Lector der französischen Sprache an die Universität Leip¬<lb/>
zig, wo er 1804 starb. Der Sohn wurde 1783 nach Dresden geschickt und<lb/>
im auswärtigen Ministerium angestellt. Sein, genauester Umgang war Körner,<lb/>
mir dessen Schwägerin er sich verlobte. Körner, Huber und ihre beiden Bräute<lb/>
begannen aus freien Stücken jenen berühmten Briefwechsel mit Schiller, der<lb/>
diesem jungen, strebsamen, aber noch in sich selbst gespaltenen Dichter die Anregung<lb/>
zu einer neuen Lebensbildung gab. In Dresden beschäftigte sich Huber theils<lb/>
mit Uebersetzungen aus dem Englischen, theils mit dem Entwurf eines Schau¬<lb/>
spiels: &#x201E;das heimliche Gericht", das er ganz wie ein VerstandeSproblem be¬<lb/>
handelte. Ostern 1788 ging er als kursächsischer Legationssecretär nach Mainz,<lb/>
wo er sich im Anfang in Spiel und ähnliche Ausschweifungen einließ, bis der<lb/>
Umgang mit Georg Forster und seiner Frau seiner Bildung eine neue Richtung<lb/>
gab. Therese Heyne war 1766 in Göttingen geboren und hatte sich 1786 mit<lb/>
Forster verheirathet, dem sie erst nach Polen, dann nach Mainz folgte. Die<lb/>
Ehe war trotz gegenseitiger Achtung im Ganzen eine unbefriedigende, in dem<lb/>
Umgang mit Huber ging für sie ein neues Leben auf. Huber erhielt 1790<lb/>
die Gesandtenstelle, verließ beim Ausbruch des Revolutionökrieges mit den<lb/>
übrigen Gesandten Mainz, beging aber die Unvorsichtigkeit, noch einmal dahin<lb/>
zurückzukehren, und kam dadurch in Conflict mit seinen Vorgesetzten. Indessen<lb/>
hätte sich dieser ausgleichen lassen, allein Forster war mittlerweile in die revo¬<lb/>
lutionären Umtriebe verwickelt und mußte infolge dessen nach Frankreich flüchten.<lb/>
Um sich seiner hinterlassenen Frau und Kinder anzunehmen, reichte Huber<lb/>
Februar 1793 seine Entlassung ein und begab sich mit Therese nach Neuf-<lb/>
chütel, wo er von literarischen Arbeiten lebte. So schrieb er 1793 seinen<lb/>
Roman: &#x201E;Juliane." Im November 1793 wagte Forster, was damals sehr ge¬<lb/>
fährlich war, seine Freunde zu besuchen. Er starb zu Paris im Januar 1796.<lb/>
Vier Monate daraus heiratheten sich die beiden. In dieser Zeit hatte Huber<lb/>
auch vielfachen Verkehr mit Frau von Staöl. Doch trieb ihn die Unsicherheit<lb/>
des literarischen Erwerbs im Februar 1798 aus der Schweiz nach Tübingen,<lb/>
wo er für Cotta an der &#x201E;Weltkunde" und an der &#x201E;Allgemeinen Zeitung" arbei¬<lb/>
tete. Da die letztere wegen des Verbots in Würtemberg 1803 nach Ulm verlegt<lb/>
werden mußte, siedelte er sich dahin über. Schon früher hatte er den Titel<lb/>
eines coburgschen Legationsraths erhalten, jetzt bekam er eine einträgliche An-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] namentlich in Bezug auf die Daten sehr vorsichtig sein. Die Biographie ist etwas schwülstig und gespreizt und verräth einen nicht ganz liebenswürdigen Charakter. Die Verfasserin derselben ist Hubers Frau, die Tochter des berühm¬ ten Philologen Heyne. Huber war geboren in Paris 1766, Katholik wie sein Vater, aber durch¬ aus tolerant oder deistisch, physisch sehr verzärtelt und kränklich, durch übertriebene Bevormundung von Seiten seiner Eltern jeder Selbstständigkeit entwöhnt. Sein Vater kam 1766 als Lector der französischen Sprache an die Universität Leip¬ zig, wo er 1804 starb. Der Sohn wurde 1783 nach Dresden geschickt und im auswärtigen Ministerium angestellt. Sein, genauester Umgang war Körner, mir dessen Schwägerin er sich verlobte. Körner, Huber und ihre beiden Bräute begannen aus freien Stücken jenen berühmten Briefwechsel mit Schiller, der diesem jungen, strebsamen, aber noch in sich selbst gespaltenen Dichter die Anregung zu einer neuen Lebensbildung gab. In Dresden beschäftigte sich Huber theils mit Uebersetzungen aus dem Englischen, theils mit dem Entwurf eines Schau¬ spiels: „das heimliche Gericht", das er ganz wie ein VerstandeSproblem be¬ handelte. Ostern 1788 ging er als kursächsischer Legationssecretär nach Mainz, wo er sich im Anfang in Spiel und ähnliche Ausschweifungen einließ, bis der Umgang mit Georg Forster und seiner Frau seiner Bildung eine neue Richtung gab. Therese Heyne war 1766 in Göttingen geboren und hatte sich 1786 mit Forster verheirathet, dem sie erst nach Polen, dann nach Mainz folgte. Die Ehe war trotz gegenseitiger Achtung im Ganzen eine unbefriedigende, in dem Umgang mit Huber ging für sie ein neues Leben auf. Huber erhielt 1790 die Gesandtenstelle, verließ beim Ausbruch des Revolutionökrieges mit den übrigen Gesandten Mainz, beging aber die Unvorsichtigkeit, noch einmal dahin zurückzukehren, und kam dadurch in Conflict mit seinen Vorgesetzten. Indessen hätte sich dieser ausgleichen lassen, allein Forster war mittlerweile in die revo¬ lutionären Umtriebe verwickelt und mußte infolge dessen nach Frankreich flüchten. Um sich seiner hinterlassenen Frau und Kinder anzunehmen, reichte Huber Februar 1793 seine Entlassung ein und begab sich mit Therese nach Neuf- chütel, wo er von literarischen Arbeiten lebte. So schrieb er 1793 seinen Roman: „Juliane." Im November 1793 wagte Forster, was damals sehr ge¬ fährlich war, seine Freunde zu besuchen. Er starb zu Paris im Januar 1796. Vier Monate daraus heiratheten sich die beiden. In dieser Zeit hatte Huber auch vielfachen Verkehr mit Frau von Staöl. Doch trieb ihn die Unsicherheit des literarischen Erwerbs im Februar 1798 aus der Schweiz nach Tübingen, wo er für Cotta an der „Weltkunde" und an der „Allgemeinen Zeitung" arbei¬ tete. Da die letztere wegen des Verbots in Würtemberg 1803 nach Ulm verlegt werden mußte, siedelte er sich dahin über. Schon früher hatte er den Titel eines coburgschen Legationsraths erhalten, jetzt bekam er eine einträgliche An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/62>, abgerufen am 17.06.2024.