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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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worden zu sein, ein Vorwurf, der sich leider bereits vielfach wiederholt hat, wie
leicht er auch zu vermeiden gewesen sein würde.

--Brand des englischen Hospitals zu Skutari. In
der letzten Hälfte der letztvergangenen Nacht war von meinen, dem Bosporus und der
Marmorasee zugewendeten Fenstern ein Schauspiel zu beobachten, wie es großartiger
und furchtbarer Saum der Brand der großen Militärschule im März d. I. dargeboten.
Infolge irgendwelcher Unvorsichtigkeit, oder möglicherweise durch Böswilligkeit, war
die große Kaserne , welche auf der Höhe von Halber-Pascha, auf der asiatischen
Seite der Meerenge, nicht weit von den britischen Baracken, gelegen ist und von
den Engländern als großes Hospital benutzt wird, in Brand gerathen. Ein frischer
Nordwind hatte sichtlich die Ausbreitung des Feuers gleich anfangs begünstigt, und
so geschah es, daß dasselbe sich über das weite Gebäude ausgedehnt hatte, bevor
an seine Bekämpfung gedacht werden konnte. Ich bin bis zur Stunde noch un-
untcrrichtet darüber, ob das Lazareth stark mit Verwundeten und Kranken belegt
war; desgleichen weiß ich nicht, ob dieselben sämmtlich gerettet worden sind. Meine
Wohnung ist zu weit von der Stätte des Unglücks entlegen, als daß es mir auch
mit einem leidlich guten Fernrohr möglich gewesen wäre, etwas Bestimmtes in
dieser Hinsicht zu unterscheiden. Das Schauspiel aber war von meinem Stand¬
orte aus in seiner ganzen Größe zu überschauen. Denken Sie sich einen Raum,
der vom Meere aus sich über tausend Schritt ausdehnte, erfüllt mit Flammen und
Dampf; bald standen die Flammen in leuchtender, ungetheilter Fronte aufrecht wie
eine Wand, bald jagte ein Windstoß sie auseinander und ließ gleich darauf hohe,
flackernde Säulen aufsteigen. Die Nauchmassen darüber waren bis in ihr Inneres
durchleuchtet von der Glut, und ohne Unterlaß stäubten, wie Wolken strahlender
Leuchtkugeln und Raketen, sprühende Funkengarben von dem lohenden Herde auf,
um erst weit von demselben entfernt als Feuerregen niederzufallen.

Wie Sie voraussetzen können, hatte der Vorfall zahlreiche Kräfte in Bewegung
gesetzt. Außer einer londoner Löschcompagnie, welche, wenn ich nicht irre, bei dem
Gebäude selbst im Quartier lag, waren schnell zahlreiche Löschdetaschements von
den im Bosporus gelegenen englischen Kriegsschiffen, wie auch von den französischen
zur Stelle; türkische Spritzenleute und die Wachmannschaften der nahe gelegenen
Baracken leisteten anderweitige Hilfe. Wenn sämmtliche Kranke und Verwundete
gerettet sein sollten, wird man es der allgemeinen Rührigkeit und Aufopferung,
welche sich kund gegeben, zu danken haben.

Zunächst ist dies alles, was ich in diesem Briefe über den Brand zu berichten
im Stande bin; in meinem nächsten Schreiben hoffe ich Ihnen Details geben zu
können. Voraussichtlich wird das Ereigniß nicht ermangeln, viel von sich reden zu
machen.

--- Man zerbricht sich hier vergebens darüber den Kopf,
was aus den Truppenmassen geworden sein mag, von denen man zu Anfang dieses
Monats d. h. vor etwa vier Wochen in den allerbestinnntesten Ausdrücken hörte,
daß sie in Toulon und Marseille zur Einschiffung bereit ständen und nach vierzehn
Tagen auf dem Kriegsschauplatze der Krim erwartet werden könnten. Allerdings


worden zu sein, ein Vorwurf, der sich leider bereits vielfach wiederholt hat, wie
leicht er auch zu vermeiden gewesen sein würde.

—Brand des englischen Hospitals zu Skutari. In
der letzten Hälfte der letztvergangenen Nacht war von meinen, dem Bosporus und der
Marmorasee zugewendeten Fenstern ein Schauspiel zu beobachten, wie es großartiger
und furchtbarer Saum der Brand der großen Militärschule im März d. I. dargeboten.
Infolge irgendwelcher Unvorsichtigkeit, oder möglicherweise durch Böswilligkeit, war
die große Kaserne , welche auf der Höhe von Halber-Pascha, auf der asiatischen
Seite der Meerenge, nicht weit von den britischen Baracken, gelegen ist und von
den Engländern als großes Hospital benutzt wird, in Brand gerathen. Ein frischer
Nordwind hatte sichtlich die Ausbreitung des Feuers gleich anfangs begünstigt, und
so geschah es, daß dasselbe sich über das weite Gebäude ausgedehnt hatte, bevor
an seine Bekämpfung gedacht werden konnte. Ich bin bis zur Stunde noch un-
untcrrichtet darüber, ob das Lazareth stark mit Verwundeten und Kranken belegt
war; desgleichen weiß ich nicht, ob dieselben sämmtlich gerettet worden sind. Meine
Wohnung ist zu weit von der Stätte des Unglücks entlegen, als daß es mir auch
mit einem leidlich guten Fernrohr möglich gewesen wäre, etwas Bestimmtes in
dieser Hinsicht zu unterscheiden. Das Schauspiel aber war von meinem Stand¬
orte aus in seiner ganzen Größe zu überschauen. Denken Sie sich einen Raum,
der vom Meere aus sich über tausend Schritt ausdehnte, erfüllt mit Flammen und
Dampf; bald standen die Flammen in leuchtender, ungetheilter Fronte aufrecht wie
eine Wand, bald jagte ein Windstoß sie auseinander und ließ gleich darauf hohe,
flackernde Säulen aufsteigen. Die Nauchmassen darüber waren bis in ihr Inneres
durchleuchtet von der Glut, und ohne Unterlaß stäubten, wie Wolken strahlender
Leuchtkugeln und Raketen, sprühende Funkengarben von dem lohenden Herde auf,
um erst weit von demselben entfernt als Feuerregen niederzufallen.

Wie Sie voraussetzen können, hatte der Vorfall zahlreiche Kräfte in Bewegung
gesetzt. Außer einer londoner Löschcompagnie, welche, wenn ich nicht irre, bei dem
Gebäude selbst im Quartier lag, waren schnell zahlreiche Löschdetaschements von
den im Bosporus gelegenen englischen Kriegsschiffen, wie auch von den französischen
zur Stelle; türkische Spritzenleute und die Wachmannschaften der nahe gelegenen
Baracken leisteten anderweitige Hilfe. Wenn sämmtliche Kranke und Verwundete
gerettet sein sollten, wird man es der allgemeinen Rührigkeit und Aufopferung,
welche sich kund gegeben, zu danken haben.

Zunächst ist dies alles, was ich in diesem Briefe über den Brand zu berichten
im Stande bin; in meinem nächsten Schreiben hoffe ich Ihnen Details geben zu
können. Voraussichtlich wird das Ereigniß nicht ermangeln, viel von sich reden zu
machen.

-— Man zerbricht sich hier vergebens darüber den Kopf,
was aus den Truppenmassen geworden sein mag, von denen man zu Anfang dieses
Monats d. h. vor etwa vier Wochen in den allerbestinnntesten Ausdrücken hörte,
daß sie in Toulon und Marseille zur Einschiffung bereit ständen und nach vierzehn
Tagen auf dem Kriegsschauplatze der Krim erwartet werden könnten. Allerdings


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/486>, abgerufen am 16.05.2024.