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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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ligion praktisch macht. Um den wahren Zustand herzustellen, sind in der Zeit
zwei Extreme zu vermeiden: der Papismus und das Staatskirchenthum, ent¬
sprungen aus dem Streben nach Asterfreiheit und ein freies, aber geschicht-
und bodenloses Kirchenthum, entsprungen aus dem Streben, den menschlichen
Geist an veraltete Formen und Formeln zu binden. Indem wir dieses weiter
ausführen, folgen wir dem angegebenen Buche.

Der Papst Pius VII. trat seine Regierung wieder mit dem Entschlüsse an,
in der Negierung der Kirche zum Alten zurückzukehren. Am meisten sprach sich
diese Richtung durch die Wiederherstellung des Ordens der Jesuiten aus,
welche durch die Bulle SolliLituckv omnium vom 7. August I8IL geschah.
Pius VII. hielt mit allen katholischen Gegnern des Liberalismus dafür, daß
durch die Aufhebung jenes Ordens von Clemens XIV. dem Liberalismus ein
Opfer der Schwäche dargebracht worden sei und so glaubte er die völlige Rück¬
kehr zum Alten am besten durch jene Wiederherstellung bezeichnen und am
kräftigsten mit Hilfe eines Ordens beginnen zu können, welcher früher eine so
starke Stütze des Papalsystems gewesen war. Allein schon der Name der
Jesuiten erweckte das alte Mißtrauen wieder, sowol das der Weltgeistlichen
und der übrigen Orden, welche die Jesuiten, auf ihre Privilegien gestützt, aus
aller Wirksamkeit zu verdrängen oder sich zu unterwerfen gesucht hatten, als
das der Völker, in denen das Streben nach Freiheit Wurzel gefaßt hatte, uno
welche die Jesuiten als Unterdrücker aller Geistesfreiheit betrachteten. In den
jesuitischen Lehrbüchern erschien auch die alte jesuitische Moral mit allen un¬
sittlichen Lehren wieder und bildete einen grellen Abstich zu dem sittlichen Be¬
wußtsein der Neuzeit. In Freiburg in der Schweiz erschien ein Werk ((!om-
penclium tdeolossias moralis von I. P. Moullet 183i. 2 voll. 8.), in welchem
die alte Lehre von der moralischen Probabilität unverändert wieder auftrat und
mit ihr viele andre anstößige Lehren der alten Jesuiten, z. B. wer nur zum
Schein einen Eid geleistet habe, sei vermöge der Religion zu nichts verpflichtet,
er sei nur durch die Gerechtigkeit gehalten zu erfüllen, was er zum Schein
geschworen habe.

Ebenso charakteristisch für die Richtung, welche Rom einschlug, ist die
heftige Bekämpfung der Bibelgesellschaften, welche von England aus über den
Comment sich verbreiteten, ungeachtet dieselben unter dem katholischen Volk
nur katholische Bibelübersetzungen verbreiteten. Da sich anfangs auch häufig
katholische Geistliche denselben anschlössen, so erließ Pius VII. deshalb ein
Schreiben an den Erzbischof von Gnesen vom 29. Junius 18-16, worin die
Bibelgesellschaften als eine Pest, eine Unternehmung gottloser Neuerer, eine
Erfindung, wodurch die Grundlage der Religion erschüttert werde, bezeichnet
wurden und welche erklärte, daß Uebersetzungen der heiligen Schrift mehr
Schaden als Nutzen stifteten, sowie daß keine überhaupt zu dulden sei, welche


ligion praktisch macht. Um den wahren Zustand herzustellen, sind in der Zeit
zwei Extreme zu vermeiden: der Papismus und das Staatskirchenthum, ent¬
sprungen aus dem Streben nach Asterfreiheit und ein freies, aber geschicht-
und bodenloses Kirchenthum, entsprungen aus dem Streben, den menschlichen
Geist an veraltete Formen und Formeln zu binden. Indem wir dieses weiter
ausführen, folgen wir dem angegebenen Buche.

Der Papst Pius VII. trat seine Regierung wieder mit dem Entschlüsse an,
in der Negierung der Kirche zum Alten zurückzukehren. Am meisten sprach sich
diese Richtung durch die Wiederherstellung des Ordens der Jesuiten aus,
welche durch die Bulle SolliLituckv omnium vom 7. August I8IL geschah.
Pius VII. hielt mit allen katholischen Gegnern des Liberalismus dafür, daß
durch die Aufhebung jenes Ordens von Clemens XIV. dem Liberalismus ein
Opfer der Schwäche dargebracht worden sei und so glaubte er die völlige Rück¬
kehr zum Alten am besten durch jene Wiederherstellung bezeichnen und am
kräftigsten mit Hilfe eines Ordens beginnen zu können, welcher früher eine so
starke Stütze des Papalsystems gewesen war. Allein schon der Name der
Jesuiten erweckte das alte Mißtrauen wieder, sowol das der Weltgeistlichen
und der übrigen Orden, welche die Jesuiten, auf ihre Privilegien gestützt, aus
aller Wirksamkeit zu verdrängen oder sich zu unterwerfen gesucht hatten, als
das der Völker, in denen das Streben nach Freiheit Wurzel gefaßt hatte, uno
welche die Jesuiten als Unterdrücker aller Geistesfreiheit betrachteten. In den
jesuitischen Lehrbüchern erschien auch die alte jesuitische Moral mit allen un¬
sittlichen Lehren wieder und bildete einen grellen Abstich zu dem sittlichen Be¬
wußtsein der Neuzeit. In Freiburg in der Schweiz erschien ein Werk ((!om-
penclium tdeolossias moralis von I. P. Moullet 183i. 2 voll. 8.), in welchem
die alte Lehre von der moralischen Probabilität unverändert wieder auftrat und
mit ihr viele andre anstößige Lehren der alten Jesuiten, z. B. wer nur zum
Schein einen Eid geleistet habe, sei vermöge der Religion zu nichts verpflichtet,
er sei nur durch die Gerechtigkeit gehalten zu erfüllen, was er zum Schein
geschworen habe.

Ebenso charakteristisch für die Richtung, welche Rom einschlug, ist die
heftige Bekämpfung der Bibelgesellschaften, welche von England aus über den
Comment sich verbreiteten, ungeachtet dieselben unter dem katholischen Volk
nur katholische Bibelübersetzungen verbreiteten. Da sich anfangs auch häufig
katholische Geistliche denselben anschlössen, so erließ Pius VII. deshalb ein
Schreiben an den Erzbischof von Gnesen vom 29. Junius 18-16, worin die
Bibelgesellschaften als eine Pest, eine Unternehmung gottloser Neuerer, eine
Erfindung, wodurch die Grundlage der Religion erschüttert werde, bezeichnet
wurden und welche erklärte, daß Uebersetzungen der heiligen Schrift mehr
Schaden als Nutzen stifteten, sowie daß keine überhaupt zu dulden sei, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/50>, abgerufen am 22.05.2024.