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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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nicht von dem apostolischen Stuhle genehmigt oder mit Erklärungen aus den
Kirchenvätern versehen sei.

Gleich nach dem Regierungsantritte von Leo XII. erschien eine Schrift
des Dominikaners Phil, Anfossi, Magister S. Palatin Ueber die Zurück¬
gabe der geistlichen Güter, als nothwendig zum Heile derer, die solche ohne
Bewilligung des päpstlichen Stuhls erworben haben." Und nicht lange daraus,
1825, trat auch Leo mit seinem Ultimatum für die indirecre Oberherrlichkeit
des apostolischen Stuhls über die weltliche Macht hervor. Diese Schriften
machten die Regenten darauf aufmerksam. daß Rom seine frühern Grundsätze
nicht aufgegeben habe und forderten dieselben zu einer mißtrauischen Beobach¬
tung und argwöhnischen Vorsicht gegen die Curie aus.

Unter Gregor XVI. brachen die Händel mit dem preußischen Staate wegen
der gemischten Ehen aus. Die preußische Regierung wollte weiter nichts, als
Gleichstellung der Rechte ihrer verschiedenen Kirchen und verlangte daher, daß
die Eltern in dem Beschlusse darüber, welcher Kirche ihre Kinder zufallen
sollten, ganz frei ^entscheiden, in den Fällen aber, wo sie sich nicht vereinigen
könnten, oder wo nach dem Tode eines Theils noch nichts beschlossen wäre, die
Kinder der Kirche des Vaters angehören sollten. In den östlichen Provinzen
der Monarchie wurde auch diese Ordnung seit langer Zeit befolgt, nur in den
westlichen Provinzen wollten die katholischen Priester nicht davon lassen, nur
unter der Bedingung gemischte Ehen einzusegnen, daß versprochen würde, alle
Kiuder katholisch werden zulassen. Unter dem Erzbischofe von Köln, Ferdinand
August, Grafen von Spiegel, schien jedoch die Sache eine für den Frieden der
Konfessionen gedeihliche Wendung zu nehmen. Auf seine Berichte und infolge
der Verhandlungen der Regierung mit Rom erfolgte ein päpstliches Breve vom
2S. März 1830, in welchem die gemischten Ehen zwar sehr gemißbilligt
und den Geistlichen zur Pflicht gemacht ward, vor ihnen zu warnen, zugleich
aber auch bestimmt wurde, daß die Katholiken, welche solche Ehen eingingen
nicht in Kirchenstrafen verfallen, daß die katholischen Geistlichen solchen Ehen
zwar nicht eine feierliche Einsegnung, aber doch passive Assistenz leisten
und daß auch die von protestantischen Geistlichen eingesegneten Ehen sür giltig
geachtet werden sollten. Ein von den Brautleuten abzugebendes Versprechen,
ihre Kinder katholisch werden zu lassen, wurde nicht ausdrücklich vorgeschrieben
und die Bischöfe des preußische,, Rheinlandes und Westfalens einigten sich
daher auf Veranlassung der Regierung 1834 dahin, daß fortan von der For¬
derung eines solchen Versprechens ganz Abstand genommen werden solle. Als
aber der Freiherr Clemens August von Droste Vischering. Weihbischof von
Münster, 1836 den erzbischöflichen Stuhl von Köln bestieg, wurden bald
Klage" laut, daß gemischten Brautpaaren von den Pfarrern immer noch jenes
Versprechen abgefordert und daß katholischen Wöchnerinnen, welche ihre Kinder


nicht von dem apostolischen Stuhle genehmigt oder mit Erklärungen aus den
Kirchenvätern versehen sei.

Gleich nach dem Regierungsantritte von Leo XII. erschien eine Schrift
des Dominikaners Phil, Anfossi, Magister S. Palatin Ueber die Zurück¬
gabe der geistlichen Güter, als nothwendig zum Heile derer, die solche ohne
Bewilligung des päpstlichen Stuhls erworben haben." Und nicht lange daraus,
1825, trat auch Leo mit seinem Ultimatum für die indirecre Oberherrlichkeit
des apostolischen Stuhls über die weltliche Macht hervor. Diese Schriften
machten die Regenten darauf aufmerksam. daß Rom seine frühern Grundsätze
nicht aufgegeben habe und forderten dieselben zu einer mißtrauischen Beobach¬
tung und argwöhnischen Vorsicht gegen die Curie aus.

Unter Gregor XVI. brachen die Händel mit dem preußischen Staate wegen
der gemischten Ehen aus. Die preußische Regierung wollte weiter nichts, als
Gleichstellung der Rechte ihrer verschiedenen Kirchen und verlangte daher, daß
die Eltern in dem Beschlusse darüber, welcher Kirche ihre Kinder zufallen
sollten, ganz frei ^entscheiden, in den Fällen aber, wo sie sich nicht vereinigen
könnten, oder wo nach dem Tode eines Theils noch nichts beschlossen wäre, die
Kinder der Kirche des Vaters angehören sollten. In den östlichen Provinzen
der Monarchie wurde auch diese Ordnung seit langer Zeit befolgt, nur in den
westlichen Provinzen wollten die katholischen Priester nicht davon lassen, nur
unter der Bedingung gemischte Ehen einzusegnen, daß versprochen würde, alle
Kiuder katholisch werden zulassen. Unter dem Erzbischofe von Köln, Ferdinand
August, Grafen von Spiegel, schien jedoch die Sache eine für den Frieden der
Konfessionen gedeihliche Wendung zu nehmen. Auf seine Berichte und infolge
der Verhandlungen der Regierung mit Rom erfolgte ein päpstliches Breve vom
2S. März 1830, in welchem die gemischten Ehen zwar sehr gemißbilligt
und den Geistlichen zur Pflicht gemacht ward, vor ihnen zu warnen, zugleich
aber auch bestimmt wurde, daß die Katholiken, welche solche Ehen eingingen
nicht in Kirchenstrafen verfallen, daß die katholischen Geistlichen solchen Ehen
zwar nicht eine feierliche Einsegnung, aber doch passive Assistenz leisten
und daß auch die von protestantischen Geistlichen eingesegneten Ehen sür giltig
geachtet werden sollten. Ein von den Brautleuten abzugebendes Versprechen,
ihre Kinder katholisch werden zu lassen, wurde nicht ausdrücklich vorgeschrieben
und die Bischöfe des preußische,, Rheinlandes und Westfalens einigten sich
daher auf Veranlassung der Regierung 1834 dahin, daß fortan von der For¬
derung eines solchen Versprechens ganz Abstand genommen werden solle. Als
aber der Freiherr Clemens August von Droste Vischering. Weihbischof von
Münster, 1836 den erzbischöflichen Stuhl von Köln bestieg, wurden bald
Klage» laut, daß gemischten Brautpaaren von den Pfarrern immer noch jenes
Versprechen abgefordert und daß katholischen Wöchnerinnen, welche ihre Kinder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/51>, abgerufen am 16.06.2024.