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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Von jetzt übernimmt der gothaische Lieutenant Rauch als Theilnehmer
am Kriege den Bericht. Er erzählt in seinem Tagebuch, wie folgt:

"Den Is. Februar früh Punkt ein Uhr brach unser ganzes Commando von
Tambach auf und marschirte mit brennenden Flambeaus durch den Wald, über
den sogenannten Rosengarten, daß wir mit Anbruch des Tages bei dem
hessischen Dorfe Flohe eintrafen; unser Herr Gott wußte, wo wir hin wollten,
aber wir nicht. Wir setzten unsern Marsch immer fort, durch Stadt Schmal-
kalden durch und grade auf Mittelschmalkalben zu.

Als die Garde zu Pferde an dem meiningschen Dorfe Niederschmalkaldcn
ankam, stand ein Lieutenant mit ungefähr 24 Mann Landmiliz uns quer vor
dem Wege und ließ uns nicht passiren. Hier mußten alle drei Corps Halt
machen. Der Major von Benkendorff nebst dem Oberstlieutenant ritten auf
den dastehenden commandirenden Lieutenant zu; der Herr Major fragte ihn:
Was das wäre oder was" das heißen sollte, daß er uns nicht wollte passiren
lassen, ob dieses hier nicht eine offene Landstraße wäre? Der Lieutenant be¬
antwortet mit ja! es wäre eine Landstraße, aber er hätte Befehl, uns nicht
passiren zu lassen. Der Herr Major von Benkendorff mochte ihm sagen, waS
er wollte, der Lieutenants gab ihm dennoch kein Gehör; der Major griff in
seine Tasche und wollte ihm einen Brief zeigen, welchen er auch nicht annahm.
Darauf der Major dem Lieutenant sagte: Wenn er ihn mit seinem Volke nicht
passiren ließe, so würde er durchsetzen.

Der Lieutenant gäb kurze Antwort: das könnten wir thun, vor Gewalt
könne er nicht. Der Herr Major ritt sogleich zur Garde, ließ das Seitengewehr
ausziehen und rückte auf den Lieutenant zu und wollte sehen, ob er etwa sich
sollte behandeln lassen, aber er wich nicht von der Stelle. Der Major fragte
ihn noch einmal, ob er wollte Feld geben oder nicht? Er blieb bei seinem
Worte: Nicht von der Stelle, er hätte Befehl von seinem Herrn. Darauf
commandirte der Major an die Garde: Marsch! Marsch! und setzte durch.

Bei diesem Durchjagen mochte wol ein Pferd dem meiningschen Lieute¬
nant einen Schub auf die Seite gegeben haben, daß er im Wege herum¬
taumelte. Der Lieutenant aber erholte sich, ergriff sein Gewehr und schoß den
Wachtmeister Starke von der Garde, weil er hinten schloß, in den Hintersten,
daß sich auch sein Pferd mit ihm bäumte und er den Hals bald dazu gebrochen,
wenn nicht ein Reiter zugesprungen und das Pferd beim Zügel gefasset. Mein
guter alter Lieutenant aber, als er geschossen, begab sich aufs Laufen. Der Reiter,
Namens Stäben aber, jaget ihm sogleich nach und will ihm den Kopf entzwei
hauen; der Lieutenant aber hält sein Gewehr übern Kopf quer vör, daß auch
der Reiter Stäben den Pulversack an dem Gewehrlauf halb durchgehauen.
Mein aller Lieutenant aber will weiter laufen und springt über einen Graben
weg, daß ihm der Reiter nicht kann nachfolgen, und denkt, er ist nun fort.


Von jetzt übernimmt der gothaische Lieutenant Rauch als Theilnehmer
am Kriege den Bericht. Er erzählt in seinem Tagebuch, wie folgt:

„Den Is. Februar früh Punkt ein Uhr brach unser ganzes Commando von
Tambach auf und marschirte mit brennenden Flambeaus durch den Wald, über
den sogenannten Rosengarten, daß wir mit Anbruch des Tages bei dem
hessischen Dorfe Flohe eintrafen; unser Herr Gott wußte, wo wir hin wollten,
aber wir nicht. Wir setzten unsern Marsch immer fort, durch Stadt Schmal-
kalden durch und grade auf Mittelschmalkalben zu.

Als die Garde zu Pferde an dem meiningschen Dorfe Niederschmalkaldcn
ankam, stand ein Lieutenant mit ungefähr 24 Mann Landmiliz uns quer vor
dem Wege und ließ uns nicht passiren. Hier mußten alle drei Corps Halt
machen. Der Major von Benkendorff nebst dem Oberstlieutenant ritten auf
den dastehenden commandirenden Lieutenant zu; der Herr Major fragte ihn:
Was das wäre oder was" das heißen sollte, daß er uns nicht wollte passiren
lassen, ob dieses hier nicht eine offene Landstraße wäre? Der Lieutenant be¬
antwortet mit ja! es wäre eine Landstraße, aber er hätte Befehl, uns nicht
passiren zu lassen. Der Herr Major von Benkendorff mochte ihm sagen, waS
er wollte, der Lieutenants gab ihm dennoch kein Gehör; der Major griff in
seine Tasche und wollte ihm einen Brief zeigen, welchen er auch nicht annahm.
Darauf der Major dem Lieutenant sagte: Wenn er ihn mit seinem Volke nicht
passiren ließe, so würde er durchsetzen.

Der Lieutenant gäb kurze Antwort: das könnten wir thun, vor Gewalt
könne er nicht. Der Herr Major ritt sogleich zur Garde, ließ das Seitengewehr
ausziehen und rückte auf den Lieutenant zu und wollte sehen, ob er etwa sich
sollte behandeln lassen, aber er wich nicht von der Stelle. Der Major fragte
ihn noch einmal, ob er wollte Feld geben oder nicht? Er blieb bei seinem
Worte: Nicht von der Stelle, er hätte Befehl von seinem Herrn. Darauf
commandirte der Major an die Garde: Marsch! Marsch! und setzte durch.

Bei diesem Durchjagen mochte wol ein Pferd dem meiningschen Lieute¬
nant einen Schub auf die Seite gegeben haben, daß er im Wege herum¬
taumelte. Der Lieutenant aber erholte sich, ergriff sein Gewehr und schoß den
Wachtmeister Starke von der Garde, weil er hinten schloß, in den Hintersten,
daß sich auch sein Pferd mit ihm bäumte und er den Hals bald dazu gebrochen,
wenn nicht ein Reiter zugesprungen und das Pferd beim Zügel gefasset. Mein
guter alter Lieutenant aber, als er geschossen, begab sich aufs Laufen. Der Reiter,
Namens Stäben aber, jaget ihm sogleich nach und will ihm den Kopf entzwei
hauen; der Lieutenant aber hält sein Gewehr übern Kopf quer vör, daß auch
der Reiter Stäben den Pulversack an dem Gewehrlauf halb durchgehauen.
Mein aller Lieutenant aber will weiter laufen und springt über einen Graben
weg, daß ihm der Reiter nicht kann nachfolgen, und denkt, er ist nun fort.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/24>, abgerufen am 28.05.2024.