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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Pferdediebstähle annoncirt, deren Häufigkeit während der Republik und im folgen¬
den halben Jahrhundert vielleicht durch den infolge der Bürgerkriege eingetretenen
Mangel und den dadurch gesteigerten Werth dieser Thiere zu erklären ist. In
der Zeit Cromwells waren bereits Diligencen auf allen Hauptstraßen ein¬
gerichtet (vorher hatten die Posten nur Briefe befördert) und eine Anzeige im
Merkur von I6S8 enthält ihre Abfahrtszeiten, Richtungen und Fahrpreise.
Beiläufig gesagt, war die Beschaffenheit der Wege von der Art, daß die Rei¬
senden in der Regel einen Führer haben mußten.

Im Jahr 16L8 findet sich im Merkur die erste Anzeige des Thees, die
wir wörtlich mittheilen wollen: "Das ausgezeichnete und von allen Aerzten ge¬
billigte Chinagetränk, von den Chinesen Tesa genannt, von andern Nationen
Tay alias Tee, wird in dem Kaffeehause zum Sultaninkopf verkauft, Swen-
tings Nares, bei der königlichen Börse."

Nun sind wir bei dem Punkt angelangt, wo Karl II. mit seinen hungrigen An¬
hängern im Triumphe in Dover landete. Die Anzeigen während der Zeit, in welcher
Mont der Restauration den Weg bahnte, geben einen genauen Barometer für
die Stimmung in dieser kritischen Conjunctur. Der alte puritanische Geist
macht sich nicht mehr bemerkbar; Vagegen zeigt sich auf allen Seiten der Eifer,
von dem ersten Sonnenschein der königlichen Gunst Vortheil zu ziehn oder den
königlichen Zorn zu beschwichtigen.' Versammlungen werden angekündigt von
Personen, die sequestrirte Güter gekauft haben; um beim König wegen Bestäti¬
gung dieser Besitzthümer zu Petitioniren; Aldermen vertheidigen sich in den Zei¬
tungen gegen die Beschuldigung, daß ihr Name in der Liste der Personen zu finden
sei, die "über dem verstorbenen König zu Gericht saßen"; die Werke von "ehe¬
maligen" Bischöfen kommen wieder zum Vorschein und "die Thränen, Seufzer,
Klagen und Gebete der Kirche von England" erscheinen in den Spalten der
Blätter. Mitten in dieser wirbelnden Geschäftigkeit für die neue Sache finden wir
einen Namen, der der alten treu bleibt. Am 8. März 1660, als schon der Scepter
Karls II. seinen Schatten von Breda herüberwarf, liest man im Nerourius
Milieus folgende Anzeige: "Der fertige und bequeme Weg, eine freie Re¬
publik einzurichten, und die Vorzüglichst derselben , verglichen mit den Nach¬
theilen und Gefahren der Wiedereinführung des Königthums in diese Nation.
Der Verfasser I. M. Worin, da auf Grund der Eile des Druckers , die
Druckfehler nicht zur rechten Zeit kamen, man bittet, folgende Irrthümer zu
verbessern." Folgen fünf Druckfehler. Die Ruhe, mit der der blinde Sänger
des Verlornen Paradieses bei der Veröffentlichung dieser hastig geschriebenen
Schrift für die schon Verlorne Sache zu Werke geht, ist verehrungswürdig. Zwei
Monate später war er ein geachteter Flüchtling und seine Schriften wurden
auf Befehl des Parlaments durch den Henker verbrannt.

Drei Monate darauf inserirt ein mit Karl zurückgekehrter armer Cavalier


Pferdediebstähle annoncirt, deren Häufigkeit während der Republik und im folgen¬
den halben Jahrhundert vielleicht durch den infolge der Bürgerkriege eingetretenen
Mangel und den dadurch gesteigerten Werth dieser Thiere zu erklären ist. In
der Zeit Cromwells waren bereits Diligencen auf allen Hauptstraßen ein¬
gerichtet (vorher hatten die Posten nur Briefe befördert) und eine Anzeige im
Merkur von I6S8 enthält ihre Abfahrtszeiten, Richtungen und Fahrpreise.
Beiläufig gesagt, war die Beschaffenheit der Wege von der Art, daß die Rei¬
senden in der Regel einen Führer haben mußten.

Im Jahr 16L8 findet sich im Merkur die erste Anzeige des Thees, die
wir wörtlich mittheilen wollen: „Das ausgezeichnete und von allen Aerzten ge¬
billigte Chinagetränk, von den Chinesen Tesa genannt, von andern Nationen
Tay alias Tee, wird in dem Kaffeehause zum Sultaninkopf verkauft, Swen-
tings Nares, bei der königlichen Börse."

Nun sind wir bei dem Punkt angelangt, wo Karl II. mit seinen hungrigen An¬
hängern im Triumphe in Dover landete. Die Anzeigen während der Zeit, in welcher
Mont der Restauration den Weg bahnte, geben einen genauen Barometer für
die Stimmung in dieser kritischen Conjunctur. Der alte puritanische Geist
macht sich nicht mehr bemerkbar; Vagegen zeigt sich auf allen Seiten der Eifer,
von dem ersten Sonnenschein der königlichen Gunst Vortheil zu ziehn oder den
königlichen Zorn zu beschwichtigen.' Versammlungen werden angekündigt von
Personen, die sequestrirte Güter gekauft haben; um beim König wegen Bestäti¬
gung dieser Besitzthümer zu Petitioniren; Aldermen vertheidigen sich in den Zei¬
tungen gegen die Beschuldigung, daß ihr Name in der Liste der Personen zu finden
sei, die „über dem verstorbenen König zu Gericht saßen"; die Werke von „ehe¬
maligen" Bischöfen kommen wieder zum Vorschein und „die Thränen, Seufzer,
Klagen und Gebete der Kirche von England" erscheinen in den Spalten der
Blätter. Mitten in dieser wirbelnden Geschäftigkeit für die neue Sache finden wir
einen Namen, der der alten treu bleibt. Am 8. März 1660, als schon der Scepter
Karls II. seinen Schatten von Breda herüberwarf, liest man im Nerourius
Milieus folgende Anzeige: „Der fertige und bequeme Weg, eine freie Re¬
publik einzurichten, und die Vorzüglichst derselben , verglichen mit den Nach¬
theilen und Gefahren der Wiedereinführung des Königthums in diese Nation.
Der Verfasser I. M. Worin, da auf Grund der Eile des Druckers , die
Druckfehler nicht zur rechten Zeit kamen, man bittet, folgende Irrthümer zu
verbessern." Folgen fünf Druckfehler. Die Ruhe, mit der der blinde Sänger
des Verlornen Paradieses bei der Veröffentlichung dieser hastig geschriebenen
Schrift für die schon Verlorne Sache zu Werke geht, ist verehrungswürdig. Zwei
Monate später war er ein geachteter Flüchtling und seine Schriften wurden
auf Befehl des Parlaments durch den Henker verbrannt.

Drei Monate darauf inserirt ein mit Karl zurückgekehrter armer Cavalier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/130>, abgerufen am 15.06.2024.