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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Er hatte freilich unverächtliche Nachahmer. Auch illustrirte Puffs wurden vor
20 Jahren in die Zeitungen aufgenommen. Allbekannt ist der Holzschnitt von
George Cruikshank, wo die erstaunte Katze sich in dem Stiefel spiegelt, der mit
der angepriesenen Glanzwichse von Warren gewichst ist. Doch in unsern Tagen
erst Hut es sich völlig herausgestellt, was unumschränktes Vertrauen auf die
Macht der Annoncen für Wirkungen hervorbringt. Die folgenden Summen,
die von den kühnsten Geschäftsleuten für diesen Posten jährlich ausgegeben
werden, müssen auch die gesteigertsten Vorstellungen übertreffen. "Professor"
Helloway (Pillen u. tgi.) 30,000 Pfund Sterling, das Kleidermagazin von
Moses und Sohn 10,000, Rowland und Co. (Makassaröl u. tgi.) 10,000 u. s. w.
Es scheint unglaublich, sagt der englische Referent, daß el.n Haus im Stande
ist, für die bloße Anpreisung von Quacksalbereien eine Summe auszugeben,
welche dem Einkommen manches deutschen Fürstenthums gleichkommt. Die
Presse hat trotz ihres riesigen Wachsthums in den letzten Jahren in ihrem Ge¬
biet nicht mehr Raum genug für den reißend anschwellenden Strom des Puffs.
Omnibusse, Cabs, Eisenbahnwagen und Dampfboote werden von ihm über¬
flutet. Madame Tussaud bezahlt der Atlasomnibuscompagnie 90 Pfund monat¬
lich für das Recht, ihre Zettel in deren Wagen anzukleben. Sie werden mit
Tinte aus das Steinpflaster geschrieben, in großen Buchstaben unter die Brücken¬
bogen und auf jede Preis gegebene Mauer gemalt. Die Emissäre von Moses und
Sohn lassen ganze Bibliotheken in die Fenster der Wagen regnen, die von
den Bahnhöfen kommen, und die Krone von allem ist, daß Warrens Wichse
über eine verwitterte Inschrift auf der Säule des Pompejus, bezüglich auf
Psammetich, gemalt ist, wie Thackeray in seiner Reise von Cornhill nach Kairo
erzählt.*)

Einige Angaben über die Zahlen der Annoncen in "Times" werden nicht
unerwünscht sein. Am 24. Mai 185S enthielt sie in ihrem gewöhnlichen
Format 2573. Darunter waren 129 Schifföanzeigen, mit Bestimmungen für
jeden Hafen in allen Welttheilen. In der endlosen Rubrik "Gesucht" waren
i29 Dienstgesuche, von der genteelen Kammerjungfer od.er der "ausgelernten"
Köchin, die nur solche Dienste anzunehmen geruhen will, wo zwei männliche
Diener gehalten werden, bis zu der demüthigen Spülmagd. In einer andern
Spalte werden die Hämmer von 136 Auctionen geschwungen; wieder eine
andre enthält die Anzeigen von 193 Büchern, von denen viele "in keiner Pri¬
vatbibliothek fehlen sollten", wie die Verleger versichern. 378 Häuser, Läden
und Etablissements werden angeboten, und l^i- Vorsteher und Vorsteherinnen



*) Ein Mobelhändler machte sein Glück durch eine Anzeige mit der Ueberschrift: "Wich¬
tiger Rath für Personen, die im Begriff stehn sich zu verhetrathen." Punch drückte diese
Ueberschrift ab, ließ aber statt der laugen Liste von Himmelbetten u. s. w., die hinter ihr kam,
nichts folgen als: "Laßt es bleiben!"
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Er hatte freilich unverächtliche Nachahmer. Auch illustrirte Puffs wurden vor
20 Jahren in die Zeitungen aufgenommen. Allbekannt ist der Holzschnitt von
George Cruikshank, wo die erstaunte Katze sich in dem Stiefel spiegelt, der mit
der angepriesenen Glanzwichse von Warren gewichst ist. Doch in unsern Tagen
erst Hut es sich völlig herausgestellt, was unumschränktes Vertrauen auf die
Macht der Annoncen für Wirkungen hervorbringt. Die folgenden Summen,
die von den kühnsten Geschäftsleuten für diesen Posten jährlich ausgegeben
werden, müssen auch die gesteigertsten Vorstellungen übertreffen. „Professor"
Helloway (Pillen u. tgi.) 30,000 Pfund Sterling, das Kleidermagazin von
Moses und Sohn 10,000, Rowland und Co. (Makassaröl u. tgi.) 10,000 u. s. w.
Es scheint unglaublich, sagt der englische Referent, daß el.n Haus im Stande
ist, für die bloße Anpreisung von Quacksalbereien eine Summe auszugeben,
welche dem Einkommen manches deutschen Fürstenthums gleichkommt. Die
Presse hat trotz ihres riesigen Wachsthums in den letzten Jahren in ihrem Ge¬
biet nicht mehr Raum genug für den reißend anschwellenden Strom des Puffs.
Omnibusse, Cabs, Eisenbahnwagen und Dampfboote werden von ihm über¬
flutet. Madame Tussaud bezahlt der Atlasomnibuscompagnie 90 Pfund monat¬
lich für das Recht, ihre Zettel in deren Wagen anzukleben. Sie werden mit
Tinte aus das Steinpflaster geschrieben, in großen Buchstaben unter die Brücken¬
bogen und auf jede Preis gegebene Mauer gemalt. Die Emissäre von Moses und
Sohn lassen ganze Bibliotheken in die Fenster der Wagen regnen, die von
den Bahnhöfen kommen, und die Krone von allem ist, daß Warrens Wichse
über eine verwitterte Inschrift auf der Säule des Pompejus, bezüglich auf
Psammetich, gemalt ist, wie Thackeray in seiner Reise von Cornhill nach Kairo
erzählt.*)

Einige Angaben über die Zahlen der Annoncen in „Times" werden nicht
unerwünscht sein. Am 24. Mai 185S enthielt sie in ihrem gewöhnlichen
Format 2573. Darunter waren 129 Schifföanzeigen, mit Bestimmungen für
jeden Hafen in allen Welttheilen. In der endlosen Rubrik „Gesucht" waren
i29 Dienstgesuche, von der genteelen Kammerjungfer od.er der „ausgelernten"
Köchin, die nur solche Dienste anzunehmen geruhen will, wo zwei männliche
Diener gehalten werden, bis zu der demüthigen Spülmagd. In einer andern
Spalte werden die Hämmer von 136 Auctionen geschwungen; wieder eine
andre enthält die Anzeigen von 193 Büchern, von denen viele „in keiner Pri¬
vatbibliothek fehlen sollten", wie die Verleger versichern. 378 Häuser, Läden
und Etablissements werden angeboten, und l^i- Vorsteher und Vorsteherinnen



*) Ein Mobelhändler machte sein Glück durch eine Anzeige mit der Ueberschrift: „Wich¬
tiger Rath für Personen, die im Begriff stehn sich zu verhetrathen." Punch drückte diese
Ueberschrift ab, ließ aber statt der laugen Liste von Himmelbetten u. s. w., die hinter ihr kam,
nichts folgen als: „Laßt es bleiben!"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/139>, abgerufen am 15.06.2024.