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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Handel eingehen. So lange die Leute aber noch ein klein wenig bei Verstände
sind, läßt sich noch keine Gewalt anwenden, das wissen die Werber ganz
gut; deshalb muß das Glas noch vollends das Siegel drauf drücken. Fort
läßt man einen um keinen Preis mehr,, denn es könnte am Morgen, wenn
der Rausch verschlafen ist, die Reue kommen und dann wäre Mühe und Geld
umsonst gewesen. Man versichert sich ihrer also, so gut man kann, und am
Morgen, wenn die am Abend Benebelten erwachen, finden sie sich gebunden
auf dem nächtlichen Strohlager. Ohne Säumen oder Aufsehn zu erregen,
gehts dann fort über die Grenze dem Depot zu, wo schon mehr solcher armen
Sünder bereit liegen, um, wenn der Trupp vollzählig ist, sorttrcmsportirt zu
werden.

So etwas passirt in unsrer Zeit, mitten im Lande unter dem Auge des
Gesetzes und bei der persönlichen Freiheitsliebe der Schweiz.

Andere haben wieder andere Manieren,, um ihre Leute zu kapern. Daß
um die Schweiz herum hie und da feststehende Werbedepotö vorhanden sind,
kann man leider nicht wehren; ebenso nicht, daß die Werber die auSgefeimtesten
Kniffe anwenden, um neben den Nerzweiflungsvollcn und Leichtsinnigen auch
die unschuldigsten Opfer ins Garn zu kriegen, -- denn nicht alle braucht man
zu benebeln und zu binden, um sie fortschaffen zu können, viele laufen auch
freiwillig ihrem Schicksal in die Hände. So liest man z. B. hie und da in
Schweizerblättern Annoncen folgender Art: "Ein Portemonnaie mit etwas
Geld ist gefunden und abzuholen bei Schnewelin, königlich neapolitanischen
Werbesergeant in Gailingcn." Oder auch: "Ein Schlitten ist zu verkaufen."".
Wo Gailingen liegt, weiß jeder Schweizer, und ein stärkerer Wink ist auch
sür die Neapellustigen nicht nöthig. -- Ist nun so ein Vogel eingefangen, so
ist es nicht selten, daß die Neue auf dem Fuße^ folgt und der Eingefangene
wieder das Weite sucht. Um nun nicht vergebliche Mühe gehabt zu haben, wird
Jagd gemacht, und auf einer solchen Jagd trifft sichs dann manchmal, daß,
wie es unlängst erst wieder dem genannten Schnewelin begegnete, statt deö
Vogels der Jäger eingefangen und auf einige Wochen in Gewahrsam gebracht
wird. Mehr kann freilich nicht geschehen und man muß den geheimen Feind
des Landes ebenso wieder laufen lassen, wie man ihn eingefangen hat.

Die einzelnen Werber, die sich indessen auch ungescheut in der Schweiz
herumtreiben und ihre Geschäfte machen, ohne daß.man viel davon merkt, --
denn man kann ihnen so lange nichts anhaben, als sie nicht bei ihrem Hand¬
werk ertappt werden, -- liefern ihre, Opfer an die Hauptdepots, z. B. nach
Lindau, von wo aus sie dann weiter transportirt werden. Wie es von da
an mit den verkauften Seelen zugeht, darüber wollen wir eine solche verkaufte
Seele selbst reden lassen:

"Wir wurden von unserm Werber zu dein rothhaarigen, dickbäuchigen


Handel eingehen. So lange die Leute aber noch ein klein wenig bei Verstände
sind, läßt sich noch keine Gewalt anwenden, das wissen die Werber ganz
gut; deshalb muß das Glas noch vollends das Siegel drauf drücken. Fort
läßt man einen um keinen Preis mehr,, denn es könnte am Morgen, wenn
der Rausch verschlafen ist, die Reue kommen und dann wäre Mühe und Geld
umsonst gewesen. Man versichert sich ihrer also, so gut man kann, und am
Morgen, wenn die am Abend Benebelten erwachen, finden sie sich gebunden
auf dem nächtlichen Strohlager. Ohne Säumen oder Aufsehn zu erregen,
gehts dann fort über die Grenze dem Depot zu, wo schon mehr solcher armen
Sünder bereit liegen, um, wenn der Trupp vollzählig ist, sorttrcmsportirt zu
werden.

So etwas passirt in unsrer Zeit, mitten im Lande unter dem Auge des
Gesetzes und bei der persönlichen Freiheitsliebe der Schweiz.

Andere haben wieder andere Manieren,, um ihre Leute zu kapern. Daß
um die Schweiz herum hie und da feststehende Werbedepotö vorhanden sind,
kann man leider nicht wehren; ebenso nicht, daß die Werber die auSgefeimtesten
Kniffe anwenden, um neben den Nerzweiflungsvollcn und Leichtsinnigen auch
die unschuldigsten Opfer ins Garn zu kriegen, — denn nicht alle braucht man
zu benebeln und zu binden, um sie fortschaffen zu können, viele laufen auch
freiwillig ihrem Schicksal in die Hände. So liest man z. B. hie und da in
Schweizerblättern Annoncen folgender Art: „Ein Portemonnaie mit etwas
Geld ist gefunden und abzuholen bei Schnewelin, königlich neapolitanischen
Werbesergeant in Gailingcn." Oder auch: „Ein Schlitten ist zu verkaufen."».
Wo Gailingen liegt, weiß jeder Schweizer, und ein stärkerer Wink ist auch
sür die Neapellustigen nicht nöthig. — Ist nun so ein Vogel eingefangen, so
ist es nicht selten, daß die Neue auf dem Fuße^ folgt und der Eingefangene
wieder das Weite sucht. Um nun nicht vergebliche Mühe gehabt zu haben, wird
Jagd gemacht, und auf einer solchen Jagd trifft sichs dann manchmal, daß,
wie es unlängst erst wieder dem genannten Schnewelin begegnete, statt deö
Vogels der Jäger eingefangen und auf einige Wochen in Gewahrsam gebracht
wird. Mehr kann freilich nicht geschehen und man muß den geheimen Feind
des Landes ebenso wieder laufen lassen, wie man ihn eingefangen hat.

Die einzelnen Werber, die sich indessen auch ungescheut in der Schweiz
herumtreiben und ihre Geschäfte machen, ohne daß.man viel davon merkt, —
denn man kann ihnen so lange nichts anhaben, als sie nicht bei ihrem Hand¬
werk ertappt werden, — liefern ihre, Opfer an die Hauptdepots, z. B. nach
Lindau, von wo aus sie dann weiter transportirt werden. Wie es von da
an mit den verkauften Seelen zugeht, darüber wollen wir eine solche verkaufte
Seele selbst reden lassen:

„Wir wurden von unserm Werber zu dein rothhaarigen, dickbäuchigen


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[0509] Handel eingehen. So lange die Leute aber noch ein klein wenig bei Verstände sind, läßt sich noch keine Gewalt anwenden, das wissen die Werber ganz gut; deshalb muß das Glas noch vollends das Siegel drauf drücken. Fort läßt man einen um keinen Preis mehr,, denn es könnte am Morgen, wenn der Rausch verschlafen ist, die Reue kommen und dann wäre Mühe und Geld umsonst gewesen. Man versichert sich ihrer also, so gut man kann, und am Morgen, wenn die am Abend Benebelten erwachen, finden sie sich gebunden auf dem nächtlichen Strohlager. Ohne Säumen oder Aufsehn zu erregen, gehts dann fort über die Grenze dem Depot zu, wo schon mehr solcher armen Sünder bereit liegen, um, wenn der Trupp vollzählig ist, sorttrcmsportirt zu werden. So etwas passirt in unsrer Zeit, mitten im Lande unter dem Auge des Gesetzes und bei der persönlichen Freiheitsliebe der Schweiz. Andere haben wieder andere Manieren,, um ihre Leute zu kapern. Daß um die Schweiz herum hie und da feststehende Werbedepotö vorhanden sind, kann man leider nicht wehren; ebenso nicht, daß die Werber die auSgefeimtesten Kniffe anwenden, um neben den Nerzweiflungsvollcn und Leichtsinnigen auch die unschuldigsten Opfer ins Garn zu kriegen, — denn nicht alle braucht man zu benebeln und zu binden, um sie fortschaffen zu können, viele laufen auch freiwillig ihrem Schicksal in die Hände. So liest man z. B. hie und da in Schweizerblättern Annoncen folgender Art: „Ein Portemonnaie mit etwas Geld ist gefunden und abzuholen bei Schnewelin, königlich neapolitanischen Werbesergeant in Gailingcn." Oder auch: „Ein Schlitten ist zu verkaufen."». Wo Gailingen liegt, weiß jeder Schweizer, und ein stärkerer Wink ist auch sür die Neapellustigen nicht nöthig. — Ist nun so ein Vogel eingefangen, so ist es nicht selten, daß die Neue auf dem Fuße^ folgt und der Eingefangene wieder das Weite sucht. Um nun nicht vergebliche Mühe gehabt zu haben, wird Jagd gemacht, und auf einer solchen Jagd trifft sichs dann manchmal, daß, wie es unlängst erst wieder dem genannten Schnewelin begegnete, statt deö Vogels der Jäger eingefangen und auf einige Wochen in Gewahrsam gebracht wird. Mehr kann freilich nicht geschehen und man muß den geheimen Feind des Landes ebenso wieder laufen lassen, wie man ihn eingefangen hat. Die einzelnen Werber, die sich indessen auch ungescheut in der Schweiz herumtreiben und ihre Geschäfte machen, ohne daß.man viel davon merkt, — denn man kann ihnen so lange nichts anhaben, als sie nicht bei ihrem Hand¬ werk ertappt werden, — liefern ihre, Opfer an die Hauptdepots, z. B. nach Lindau, von wo aus sie dann weiter transportirt werden. Wie es von da an mit den verkauften Seelen zugeht, darüber wollen wir eine solche verkaufte Seele selbst reden lassen: „Wir wurden von unserm Werber zu dein rothhaarigen, dickbäuchigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/509>, abgerufen am 16.06.2024.