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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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3Vs Gran in die Masse und i> Gran auf die Hand; dazu alle 2 Tage ein
Brötchen, will sagen: ein Grüschweggen. Von dem ins Ordinäre kommenden
Geld wird nun ein Theil regelmäßig unterschlagen und daraus, so wie von
den 1ö Gran Zulage, die der König monatlich für den Mann bezahlt, werden
die Cigarren und die flotten Abendsitze bestritten, wobei die Feldweibels und
Fouriere sich über die geschorenen Schäflein lustig machen. Sogar dem Profos
bleibt das Oel, das er für die Abendstunden in die Lampen gießen soll, an
den Fingern kleben.

Natürlich bleiben auch manche der Herren Offiziere hierbei nicht zurück
und von den -112 Gulden, die jeder vom König erhalten soll, wenn er die
zweite Kapitulation eingeht, ziehen diese Herren für ihre Beutel 40 Gulden
ab. Darum bieten sie auch alles aus, die armen Soldaten nach Ablauf der
ersten Kapitulation zu einer zweiten zu bewegen, was ihnen leider, trotz der
Qualen und Plagen der Soldaten, nur zu oft gelingt.

Kann nun einer diesen Ungerechtigkeiten nicht zusehen und es geht ihm
endlich der Mund über, so gehts ihm schlecht. Fürs erste bekommt er scharfen
Arrest, und dann läßt man ihn tagelang in Eisen im Gefängniß liegen, wo
Läuse und Wanzen ihn fast auffressen, von dem Gestank und der feuchten
Lust nicht zu sprechen, die das Athmen zur Qual machen. Der gemeine Soldat
muß immer Unrecht haben und nach kurzer Verhandlung wird er in den Ka¬
sernenhof geführt, auf die lange Bank gefesselt und ihm nach Befund 2S, öO
bis -100 Stockprügel vom Profos aufgezählt.

Einmal haben einige um der erlittenen Betrügereien willen sogar Lust
bekommen, zu desertiren. Aber bald brachten sie die Gendarmen wieder zurück.
Monatelang schmachteten die Armen im Gefängniß; endlich sollten sie vom
Kriegsgericht ihr Urtheil empfangen. Unser Batallon wurde in ein Viereck
aufgestellt. -In der Mitte befand sich ein Tisch, an dem die Offiziere des
Kriegsgerichts Platz nahmen. Die Gefangenen würden unter Bedeckung der
Wachmannschaft und dem Schall eines unheimlichen, langsamen Marsches vor¬
geführt und dem Großrichter gegenübergestellt. Das Urtheil wurde verlesen
und lauiete auf mehrjährige Galeerenstrafe. Als sie die Uniformen mit den
roth und gelben SträflingStleiberu vertauscht hatten und ihnen ihre paar Hab-
seligkeiten in einem Bündel übergeben waren, wurden sie unter einem niever¬
schlagenden Galeerenmarsche an der Fronte hinuntergeführt und den am Ende
ausgestellten Gendarmen übergeben.

Bei großen Manövern giols auch große Entbehrungen, Hunger mit
Durst. Doch daran muß sich 0er Soldat gewöhnen. Aber man erlaubt sich
dabei auch noch Thätlichkeiten gegen den geplagten Mann. , So konnte z. B.
ein bejahrter Soldat wegen Unwohlseins seiner Compagnie nicht mehr solgen,
und blieb einige Schritte zurück. Da kommt der Felvweibel L----auf ihn


3Vs Gran in die Masse und i> Gran auf die Hand; dazu alle 2 Tage ein
Brötchen, will sagen: ein Grüschweggen. Von dem ins Ordinäre kommenden
Geld wird nun ein Theil regelmäßig unterschlagen und daraus, so wie von
den 1ö Gran Zulage, die der König monatlich für den Mann bezahlt, werden
die Cigarren und die flotten Abendsitze bestritten, wobei die Feldweibels und
Fouriere sich über die geschorenen Schäflein lustig machen. Sogar dem Profos
bleibt das Oel, das er für die Abendstunden in die Lampen gießen soll, an
den Fingern kleben.

Natürlich bleiben auch manche der Herren Offiziere hierbei nicht zurück
und von den -112 Gulden, die jeder vom König erhalten soll, wenn er die
zweite Kapitulation eingeht, ziehen diese Herren für ihre Beutel 40 Gulden
ab. Darum bieten sie auch alles aus, die armen Soldaten nach Ablauf der
ersten Kapitulation zu einer zweiten zu bewegen, was ihnen leider, trotz der
Qualen und Plagen der Soldaten, nur zu oft gelingt.

Kann nun einer diesen Ungerechtigkeiten nicht zusehen und es geht ihm
endlich der Mund über, so gehts ihm schlecht. Fürs erste bekommt er scharfen
Arrest, und dann läßt man ihn tagelang in Eisen im Gefängniß liegen, wo
Läuse und Wanzen ihn fast auffressen, von dem Gestank und der feuchten
Lust nicht zu sprechen, die das Athmen zur Qual machen. Der gemeine Soldat
muß immer Unrecht haben und nach kurzer Verhandlung wird er in den Ka¬
sernenhof geführt, auf die lange Bank gefesselt und ihm nach Befund 2S, öO
bis -100 Stockprügel vom Profos aufgezählt.

Einmal haben einige um der erlittenen Betrügereien willen sogar Lust
bekommen, zu desertiren. Aber bald brachten sie die Gendarmen wieder zurück.
Monatelang schmachteten die Armen im Gefängniß; endlich sollten sie vom
Kriegsgericht ihr Urtheil empfangen. Unser Batallon wurde in ein Viereck
aufgestellt. -In der Mitte befand sich ein Tisch, an dem die Offiziere des
Kriegsgerichts Platz nahmen. Die Gefangenen würden unter Bedeckung der
Wachmannschaft und dem Schall eines unheimlichen, langsamen Marsches vor¬
geführt und dem Großrichter gegenübergestellt. Das Urtheil wurde verlesen
und lauiete auf mehrjährige Galeerenstrafe. Als sie die Uniformen mit den
roth und gelben SträflingStleiberu vertauscht hatten und ihnen ihre paar Hab-
seligkeiten in einem Bündel übergeben waren, wurden sie unter einem niever¬
schlagenden Galeerenmarsche an der Fronte hinuntergeführt und den am Ende
ausgestellten Gendarmen übergeben.

Bei großen Manövern giols auch große Entbehrungen, Hunger mit
Durst. Doch daran muß sich 0er Soldat gewöhnen. Aber man erlaubt sich
dabei auch noch Thätlichkeiten gegen den geplagten Mann. , So konnte z. B.
ein bejahrter Soldat wegen Unwohlseins seiner Compagnie nicht mehr solgen,
und blieb einige Schritte zurück. Da kommt der Felvweibel L----auf ihn


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[0512] 3Vs Gran in die Masse und i> Gran auf die Hand; dazu alle 2 Tage ein Brötchen, will sagen: ein Grüschweggen. Von dem ins Ordinäre kommenden Geld wird nun ein Theil regelmäßig unterschlagen und daraus, so wie von den 1ö Gran Zulage, die der König monatlich für den Mann bezahlt, werden die Cigarren und die flotten Abendsitze bestritten, wobei die Feldweibels und Fouriere sich über die geschorenen Schäflein lustig machen. Sogar dem Profos bleibt das Oel, das er für die Abendstunden in die Lampen gießen soll, an den Fingern kleben. Natürlich bleiben auch manche der Herren Offiziere hierbei nicht zurück und von den -112 Gulden, die jeder vom König erhalten soll, wenn er die zweite Kapitulation eingeht, ziehen diese Herren für ihre Beutel 40 Gulden ab. Darum bieten sie auch alles aus, die armen Soldaten nach Ablauf der ersten Kapitulation zu einer zweiten zu bewegen, was ihnen leider, trotz der Qualen und Plagen der Soldaten, nur zu oft gelingt. Kann nun einer diesen Ungerechtigkeiten nicht zusehen und es geht ihm endlich der Mund über, so gehts ihm schlecht. Fürs erste bekommt er scharfen Arrest, und dann läßt man ihn tagelang in Eisen im Gefängniß liegen, wo Läuse und Wanzen ihn fast auffressen, von dem Gestank und der feuchten Lust nicht zu sprechen, die das Athmen zur Qual machen. Der gemeine Soldat muß immer Unrecht haben und nach kurzer Verhandlung wird er in den Ka¬ sernenhof geführt, auf die lange Bank gefesselt und ihm nach Befund 2S, öO bis -100 Stockprügel vom Profos aufgezählt. Einmal haben einige um der erlittenen Betrügereien willen sogar Lust bekommen, zu desertiren. Aber bald brachten sie die Gendarmen wieder zurück. Monatelang schmachteten die Armen im Gefängniß; endlich sollten sie vom Kriegsgericht ihr Urtheil empfangen. Unser Batallon wurde in ein Viereck aufgestellt. -In der Mitte befand sich ein Tisch, an dem die Offiziere des Kriegsgerichts Platz nahmen. Die Gefangenen würden unter Bedeckung der Wachmannschaft und dem Schall eines unheimlichen, langsamen Marsches vor¬ geführt und dem Großrichter gegenübergestellt. Das Urtheil wurde verlesen und lauiete auf mehrjährige Galeerenstrafe. Als sie die Uniformen mit den roth und gelben SträflingStleiberu vertauscht hatten und ihnen ihre paar Hab- seligkeiten in einem Bündel übergeben waren, wurden sie unter einem niever¬ schlagenden Galeerenmarsche an der Fronte hinuntergeführt und den am Ende ausgestellten Gendarmen übergeben. Bei großen Manövern giols auch große Entbehrungen, Hunger mit Durst. Doch daran muß sich 0er Soldat gewöhnen. Aber man erlaubt sich dabei auch noch Thätlichkeiten gegen den geplagten Mann. , So konnte z. B. ein bejahrter Soldat wegen Unwohlseins seiner Compagnie nicht mehr solgen, und blieb einige Schritte zurück. Da kommt der Felvweibel L----auf ihn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/512>, abgerufen am 16.06.2024.