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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Die Kmtsassnlge in Amerika.

Das Zerwürfniß zwischen England und Amerika ist seit unsrer Besprechung
dieser Frage durch zwei Ereignisse in ein neues Stadium getreten. Der eng¬
lische Gesandte Crampton in Washington hat seine Pässe bekommen und
"General" Walker, der Freibeuterhäuptling in Nicaragua, ist in der Person ^
seines Gesandten Padre Vigne vom Präsidenten anerkannt worden.

Die Frage, ob wir einen Krieg zwischen den beiden Mächten ha'ven werden,
ist dadurch noch nicht entschieden. Muß d-is englische Cabinet jetzt den ameri¬
kanischen Gesandten, Mr. Dallas, fortschicken? Wir glauben,daß keine Nöthigung
vorliegt. Jeder Regierung muß das Rechr zugestanden werden, einen Ge¬
sandten zu entlassen, welcher, sei es nun aus einer wirklichen oder eingebildeten
Ursache, dem Haupte dieser Negierung persönlich unangenehm wird. Mr.
Crampton befindet sich ohne seine Schuld in dieser Lage dem Präsidenten
gegenüber. Er hat sich das Mißfallen, dieses schwächsten aller bisherigen
Staatsoberhäupter Amerikas und der Großsprecher und Raufbolde in seiner
Umgebung zugezogen, und es ist ein Vortheil für ihn sowol als für England
und Amerika, wenn er sich aus einer Stellung zurückzieht, die er nicht länger
mit Nutzen ausfüllen kann. In Betreff des Mr. Dallas eristiren keine solchen
Empfindungen, und es würde zu bedauern sein, wenn das englische Cabinet
blos um Gleiches mit Gleichem zu vergelten den kleinlichen Trotz der Herren
in Washington nachahmen wollte. Großbritannien kann es in der Würde un-
bezweifelter Macht und unbefleckter Ehre sehr wohl mit ansehen, daß ihm von
drüben her eine Faust gemacht wird. Vielleicht ist der einzige Weg, auf
welchem Lord Clarendon dem amerikanischen Volke die Meinung des britischen
Cabinets in dieser rein persönlichen Frage andeuten kann, der/ daß er Mr.
Crampton eine wichtigere Mission überträgt, als die, welche er jetzt aufgeben
muß. Was aber auch geschehen möge in dieser Angelegenheit, so viel ist klar,
daß, so lange Mr. Pierce Präsident ist, England keinen Gesandten in Amerika
haben wird. >

Dennoch und trotz aller der Großsprechereien der amerikanischen Presse
glauben wir nicht an einen Krieg zwischen den beiden Nationen. Zunächst
deshalb nicht, weil England gerüstet und Amerika nicht gerüstet ist. Sodann
aber auch, weil in England die öffentliche Meinung entschieden gegen einen
solchen Kampf ist. Die Engländer zerfallen über jede Frage in Parteien.
In einem Punkte aber sind sie einig, in der Frage nach einem Kriege mit den
Vereinigten Staaten. Niemand wünscht ihn, jedermann verurtheilt ihn. Jeder
würde sich lieber dreimal so viel Unangenehmes von Amerika sagen und an¬
thun lassen als er von Nußland, Frankreich oder irgend welcher andern Macht


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Die Kmtsassnlge in Amerika.

Das Zerwürfniß zwischen England und Amerika ist seit unsrer Besprechung
dieser Frage durch zwei Ereignisse in ein neues Stadium getreten. Der eng¬
lische Gesandte Crampton in Washington hat seine Pässe bekommen und
„General" Walker, der Freibeuterhäuptling in Nicaragua, ist in der Person ^
seines Gesandten Padre Vigne vom Präsidenten anerkannt worden.

Die Frage, ob wir einen Krieg zwischen den beiden Mächten ha'ven werden,
ist dadurch noch nicht entschieden. Muß d-is englische Cabinet jetzt den ameri¬
kanischen Gesandten, Mr. Dallas, fortschicken? Wir glauben,daß keine Nöthigung
vorliegt. Jeder Regierung muß das Rechr zugestanden werden, einen Ge¬
sandten zu entlassen, welcher, sei es nun aus einer wirklichen oder eingebildeten
Ursache, dem Haupte dieser Negierung persönlich unangenehm wird. Mr.
Crampton befindet sich ohne seine Schuld in dieser Lage dem Präsidenten
gegenüber. Er hat sich das Mißfallen, dieses schwächsten aller bisherigen
Staatsoberhäupter Amerikas und der Großsprecher und Raufbolde in seiner
Umgebung zugezogen, und es ist ein Vortheil für ihn sowol als für England
und Amerika, wenn er sich aus einer Stellung zurückzieht, die er nicht länger
mit Nutzen ausfüllen kann. In Betreff des Mr. Dallas eristiren keine solchen
Empfindungen, und es würde zu bedauern sein, wenn das englische Cabinet
blos um Gleiches mit Gleichem zu vergelten den kleinlichen Trotz der Herren
in Washington nachahmen wollte. Großbritannien kann es in der Würde un-
bezweifelter Macht und unbefleckter Ehre sehr wohl mit ansehen, daß ihm von
drüben her eine Faust gemacht wird. Vielleicht ist der einzige Weg, auf
welchem Lord Clarendon dem amerikanischen Volke die Meinung des britischen
Cabinets in dieser rein persönlichen Frage andeuten kann, der/ daß er Mr.
Crampton eine wichtigere Mission überträgt, als die, welche er jetzt aufgeben
muß. Was aber auch geschehen möge in dieser Angelegenheit, so viel ist klar,
daß, so lange Mr. Pierce Präsident ist, England keinen Gesandten in Amerika
haben wird. >

Dennoch und trotz aller der Großsprechereien der amerikanischen Presse
glauben wir nicht an einen Krieg zwischen den beiden Nationen. Zunächst
deshalb nicht, weil England gerüstet und Amerika nicht gerüstet ist. Sodann
aber auch, weil in England die öffentliche Meinung entschieden gegen einen
solchen Kampf ist. Die Engländer zerfallen über jede Frage in Parteien.
In einem Punkte aber sind sie einig, in der Frage nach einem Kriege mit den
Vereinigten Staaten. Niemand wünscht ihn, jedermann verurtheilt ihn. Jeder
würde sich lieber dreimal so viel Unangenehmes von Amerika sagen und an¬
thun lassen als er von Nußland, Frankreich oder irgend welcher andern Macht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/515>, abgerufen am 15.06.2024.