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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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sich gefallen ließe. Niemand würde der erste sein wollen, der die Hand aufhöbe
gegen die Verwandten "jenseits des großen Wassers." Endlich''aber kann
grade im gegenwärtigen Augenblick den Amerikanern sehr wenig an einem
Kriege liegen, der ganz andre Dimensionen annehmen würde, als der letzte.

Die Nachrichten von Kansas, welche diese Woche eingetroffen sind, zeigen,
wie mächtig die Motive waren, welche die Politik Mr. Picrees gegenüber
dem Auslande bestimmten. Die Hoffnung, eine stürmische Begier nach Krieg
anzuregen und auf diese Weise die öffentliche Aufmerksamkeit von den Schand¬
thaten der Grenzleute in Missouri und der noch schmachvollern Handlungsweise
der Centralregierung, welche zu diesen Schandthaten die Hand bietet, ab¬
zulenken, hat unzweifelhaft den wesentlichsten, Theil der Beweggründe aus¬
gemacht, welche den Präsidenten veranlassen, einen Streit mit England vom
Zaune zu brechen.

Um zu verstehen, was jetzt in Kansas vorgeht, müssen wir einen Rück¬
blick aus die frühere Geschichte dieses Territoriums thun. Durch die so¬
genannte Nebraskaactc, welche im Jahr 18!>z vom Präsidenten unterzeichnet
wurde, wurde festgesetzt, daß fernerhin jeder neue Staat oder jedes Terri¬
torium durch seine eigne Gesetzgebung bestimmen sollte, ob er zu' den freien
oder zu den Sklavenstaaten gehören wolle -- eine Frage, die früher dem
Congreß zur Entscheidung überlassen worden war. Auf Grund dieser Acte
sollte im März 18ö3 die Wahl einer gesetzgebenden Versammlung in Kansas
vorgenommen werden, und wenn die Entscheidung den wirklichen Einwohnern
des Territoriums überlassen worden wäre, so würden dies? sich ohne Zweifel
dahin erklärt haben, einen freien, nicht einen Sklavenstaat bilden zu wollen.
Dies aber waren die Sklavenhalter des benachbarten Missouri mit allen
Mitteln zu hindern entschlossen. Als der Wahltag kam, zogen starke Banden
von ihnen aufgewiegelten Gestndels bewaffnet mit Bowiemessern und coltschcn
Revolvern über die Grenze nach Kansas, trieben die Ansiedler, welche gegen
die Sklavenhalterpartci gestimmt haben würden, theils mit Gewalt, theils
durch Einschüchterung von den Wahlurnen weg und wählten dann
ihrerseits eine Anzahl Vertreter, wozu sie natürlich als Nichteingesessne
kein Recht hatten. Dieses ungesetzliche Parlament versammelte sich bald
nachher und beschloß eine Anzahl von Gesetzen zur Aufrechthaltung
der Sklaverei. Das Volk von Kansas protestirte gegen dieses unerhörte Vor-
haben und wählte, als jene Banden sich wieder entfernt, eine Gesetzgebung,
welche ihre wahre Meinung in Betreff der Sklavenfrage ausdrückte. Sie
wählten auch einen Delegaten in das Repräsentantenhaus der Kongresses,
und die Missourier wählten, indem sie nochmals einen bewaffneten Einfall in
das Gebiet unternahmen, ebenfalls einen Delegaten. Die Partei der Freiheit,
welche beinahe sämmtliche wirkliche Ansiedler des Territoriums umfaßte, ver-


sich gefallen ließe. Niemand würde der erste sein wollen, der die Hand aufhöbe
gegen die Verwandten „jenseits des großen Wassers." Endlich''aber kann
grade im gegenwärtigen Augenblick den Amerikanern sehr wenig an einem
Kriege liegen, der ganz andre Dimensionen annehmen würde, als der letzte.

Die Nachrichten von Kansas, welche diese Woche eingetroffen sind, zeigen,
wie mächtig die Motive waren, welche die Politik Mr. Picrees gegenüber
dem Auslande bestimmten. Die Hoffnung, eine stürmische Begier nach Krieg
anzuregen und auf diese Weise die öffentliche Aufmerksamkeit von den Schand¬
thaten der Grenzleute in Missouri und der noch schmachvollern Handlungsweise
der Centralregierung, welche zu diesen Schandthaten die Hand bietet, ab¬
zulenken, hat unzweifelhaft den wesentlichsten, Theil der Beweggründe aus¬
gemacht, welche den Präsidenten veranlassen, einen Streit mit England vom
Zaune zu brechen.

Um zu verstehen, was jetzt in Kansas vorgeht, müssen wir einen Rück¬
blick aus die frühere Geschichte dieses Territoriums thun. Durch die so¬
genannte Nebraskaactc, welche im Jahr 18!>z vom Präsidenten unterzeichnet
wurde, wurde festgesetzt, daß fernerhin jeder neue Staat oder jedes Terri¬
torium durch seine eigne Gesetzgebung bestimmen sollte, ob er zu' den freien
oder zu den Sklavenstaaten gehören wolle — eine Frage, die früher dem
Congreß zur Entscheidung überlassen worden war. Auf Grund dieser Acte
sollte im März 18ö3 die Wahl einer gesetzgebenden Versammlung in Kansas
vorgenommen werden, und wenn die Entscheidung den wirklichen Einwohnern
des Territoriums überlassen worden wäre, so würden dies? sich ohne Zweifel
dahin erklärt haben, einen freien, nicht einen Sklavenstaat bilden zu wollen.
Dies aber waren die Sklavenhalter des benachbarten Missouri mit allen
Mitteln zu hindern entschlossen. Als der Wahltag kam, zogen starke Banden
von ihnen aufgewiegelten Gestndels bewaffnet mit Bowiemessern und coltschcn
Revolvern über die Grenze nach Kansas, trieben die Ansiedler, welche gegen
die Sklavenhalterpartci gestimmt haben würden, theils mit Gewalt, theils
durch Einschüchterung von den Wahlurnen weg und wählten dann
ihrerseits eine Anzahl Vertreter, wozu sie natürlich als Nichteingesessne
kein Recht hatten. Dieses ungesetzliche Parlament versammelte sich bald
nachher und beschloß eine Anzahl von Gesetzen zur Aufrechthaltung
der Sklaverei. Das Volk von Kansas protestirte gegen dieses unerhörte Vor-
haben und wählte, als jene Banden sich wieder entfernt, eine Gesetzgebung,
welche ihre wahre Meinung in Betreff der Sklavenfrage ausdrückte. Sie
wählten auch einen Delegaten in das Repräsentantenhaus der Kongresses,
und die Missourier wählten, indem sie nochmals einen bewaffneten Einfall in
das Gebiet unternahmen, ebenfalls einen Delegaten. Die Partei der Freiheit,
welche beinahe sämmtliche wirkliche Ansiedler des Territoriums umfaßte, ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/516>, abgerufen am 15.06.2024.