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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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ihre Vorfahren. Diesen beiden Uebelständen, deren tieferen Grund zu unter¬
suchen sie sich nicht weiter aufhalten, ist aber, nach ihrer Ansicht, sofort da¬
durch abzuhelfen, daß man die Zahl der Handwerker vermindert, die Fertigung
von Handwerkerwaaren durch andere, als zünftige Meister, und die Einfuhr
solcher Waaren vom Auslande verbietet. Allerdings muß man die Ver¬
bindung dieser drei Forderungen von jenem Standpunkte aus als folgerichtig
zugeben. Denn kommen dieselben nicht gleichzeitig und vereint in Ausführung,
so läßt sich in Wirklichkeit kein Effect davon erwarten, weil das Zugeständnis)
nur einer einzelnen davon stets durch Umgehung zu nichte gemacht werden
kann. Was nützt den Handwerkern die Beschränkung ihrer Zahl, wenn das
Publicum sich ihre Waaren aus den Fabriken oder vom Auslande verschaffen
kann? Gewiß jede Halbheit^ jede nur theilweise Concession in dieser Hinsicht
führt zu nichts, das haben die durch mehre neue deutsche Gewerbeordnungen
angestellten Versuche bereits sattsam ergeben, von denen wir nur die preußischen
vom 3. Januar 1845 und 9. Februar erwähnen, welche zwischen jenen
Forderungen und den Bedürfnissen der Neuzeit vergebens zu vermitteln sich
abmühen. Denn fragt man, was mit allen diesen Maßregeln, mit denen man
einzelnen Wünschen der Handwerker auf halbem Wege entgegenkam, gewonnen
worden ist, so antworten die Handwerker selbst blos mit immer weitergehenden
Forderungen, und niemand, der mit den einschlagenden Verhältnissen vertraut
ist, wird behaupten, daß sich ihre Lage seitdem im Mindesten gebessert hätte.
Und doch ist keine Regierung, kein noch so verbissener Anhänger des Alten
beim besten Willen im Stande, so wie die Sache zur praktischen Ausführung
gelaugt, es zu mehr als zu solchen vereinzelten Zugeständnissen zu bringen,
weil er sonst mit einer Menge der wichtigsten Interessen, welche inzwischen
ebensogut, wie die der Handwerker, im bürgerlichen Leben Geltung und An¬
erkennung gewonnen haben, in Widerstreit gerathen und einen Zusammenstoß
herbeiführen würde, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären. Ein kurzer
Hinblick auf die einzelnen Forderungen wird dies sofort klar machen.

Zuerst Verminderung der Zahl der Handwerker. Schwerlich kann
diese Maßregel aus die gegenwärtig bereits vorhandene angebliche Ueber¬
zahl sich erstrecken, indem man sonst den ausgeschlossenen Theil der Leute ent¬
weder versorgen oder verhungern lassen müßte. Man wird also nur darauf
zu denken haben, den Andrang für die Zukunft zu beschränken. Direct ließe
sich dies nur dadurch bewirken, daß man einen Theil der j.ungen Leute, die
sich dem Handwerk widmen wollen, zurückwiese und sie nöthigte, einen andern
Beruf zu ergreifen; welchen, das bleibt freilich sehr fraglich, da die Fabriken
ja auch reducirt werden sollen, der Ackerbau aber seine natürlichen Grenzen
in der räumlichen Ausdehnung des Bodens findet. Ueberdem könnte die
Maßregel nur von einer mit öffentlicher Autorität bekleideten Behörde aus-


ihre Vorfahren. Diesen beiden Uebelständen, deren tieferen Grund zu unter¬
suchen sie sich nicht weiter aufhalten, ist aber, nach ihrer Ansicht, sofort da¬
durch abzuhelfen, daß man die Zahl der Handwerker vermindert, die Fertigung
von Handwerkerwaaren durch andere, als zünftige Meister, und die Einfuhr
solcher Waaren vom Auslande verbietet. Allerdings muß man die Ver¬
bindung dieser drei Forderungen von jenem Standpunkte aus als folgerichtig
zugeben. Denn kommen dieselben nicht gleichzeitig und vereint in Ausführung,
so läßt sich in Wirklichkeit kein Effect davon erwarten, weil das Zugeständnis)
nur einer einzelnen davon stets durch Umgehung zu nichte gemacht werden
kann. Was nützt den Handwerkern die Beschränkung ihrer Zahl, wenn das
Publicum sich ihre Waaren aus den Fabriken oder vom Auslande verschaffen
kann? Gewiß jede Halbheit^ jede nur theilweise Concession in dieser Hinsicht
führt zu nichts, das haben die durch mehre neue deutsche Gewerbeordnungen
angestellten Versuche bereits sattsam ergeben, von denen wir nur die preußischen
vom 3. Januar 1845 und 9. Februar erwähnen, welche zwischen jenen
Forderungen und den Bedürfnissen der Neuzeit vergebens zu vermitteln sich
abmühen. Denn fragt man, was mit allen diesen Maßregeln, mit denen man
einzelnen Wünschen der Handwerker auf halbem Wege entgegenkam, gewonnen
worden ist, so antworten die Handwerker selbst blos mit immer weitergehenden
Forderungen, und niemand, der mit den einschlagenden Verhältnissen vertraut
ist, wird behaupten, daß sich ihre Lage seitdem im Mindesten gebessert hätte.
Und doch ist keine Regierung, kein noch so verbissener Anhänger des Alten
beim besten Willen im Stande, so wie die Sache zur praktischen Ausführung
gelaugt, es zu mehr als zu solchen vereinzelten Zugeständnissen zu bringen,
weil er sonst mit einer Menge der wichtigsten Interessen, welche inzwischen
ebensogut, wie die der Handwerker, im bürgerlichen Leben Geltung und An¬
erkennung gewonnen haben, in Widerstreit gerathen und einen Zusammenstoß
herbeiführen würde, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären. Ein kurzer
Hinblick auf die einzelnen Forderungen wird dies sofort klar machen.

Zuerst Verminderung der Zahl der Handwerker. Schwerlich kann
diese Maßregel aus die gegenwärtig bereits vorhandene angebliche Ueber¬
zahl sich erstrecken, indem man sonst den ausgeschlossenen Theil der Leute ent¬
weder versorgen oder verhungern lassen müßte. Man wird also nur darauf
zu denken haben, den Andrang für die Zukunft zu beschränken. Direct ließe
sich dies nur dadurch bewirken, daß man einen Theil der j.ungen Leute, die
sich dem Handwerk widmen wollen, zurückwiese und sie nöthigte, einen andern
Beruf zu ergreifen; welchen, das bleibt freilich sehr fraglich, da die Fabriken
ja auch reducirt werden sollen, der Ackerbau aber seine natürlichen Grenzen
in der räumlichen Ausdehnung des Bodens findet. Ueberdem könnte die
Maßregel nur von einer mit öffentlicher Autorität bekleideten Behörde aus-


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[0264] ihre Vorfahren. Diesen beiden Uebelständen, deren tieferen Grund zu unter¬ suchen sie sich nicht weiter aufhalten, ist aber, nach ihrer Ansicht, sofort da¬ durch abzuhelfen, daß man die Zahl der Handwerker vermindert, die Fertigung von Handwerkerwaaren durch andere, als zünftige Meister, und die Einfuhr solcher Waaren vom Auslande verbietet. Allerdings muß man die Ver¬ bindung dieser drei Forderungen von jenem Standpunkte aus als folgerichtig zugeben. Denn kommen dieselben nicht gleichzeitig und vereint in Ausführung, so läßt sich in Wirklichkeit kein Effect davon erwarten, weil das Zugeständnis) nur einer einzelnen davon stets durch Umgehung zu nichte gemacht werden kann. Was nützt den Handwerkern die Beschränkung ihrer Zahl, wenn das Publicum sich ihre Waaren aus den Fabriken oder vom Auslande verschaffen kann? Gewiß jede Halbheit^ jede nur theilweise Concession in dieser Hinsicht führt zu nichts, das haben die durch mehre neue deutsche Gewerbeordnungen angestellten Versuche bereits sattsam ergeben, von denen wir nur die preußischen vom 3. Januar 1845 und 9. Februar erwähnen, welche zwischen jenen Forderungen und den Bedürfnissen der Neuzeit vergebens zu vermitteln sich abmühen. Denn fragt man, was mit allen diesen Maßregeln, mit denen man einzelnen Wünschen der Handwerker auf halbem Wege entgegenkam, gewonnen worden ist, so antworten die Handwerker selbst blos mit immer weitergehenden Forderungen, und niemand, der mit den einschlagenden Verhältnissen vertraut ist, wird behaupten, daß sich ihre Lage seitdem im Mindesten gebessert hätte. Und doch ist keine Regierung, kein noch so verbissener Anhänger des Alten beim besten Willen im Stande, so wie die Sache zur praktischen Ausführung gelaugt, es zu mehr als zu solchen vereinzelten Zugeständnissen zu bringen, weil er sonst mit einer Menge der wichtigsten Interessen, welche inzwischen ebensogut, wie die der Handwerker, im bürgerlichen Leben Geltung und An¬ erkennung gewonnen haben, in Widerstreit gerathen und einen Zusammenstoß herbeiführen würde, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären. Ein kurzer Hinblick auf die einzelnen Forderungen wird dies sofort klar machen. Zuerst Verminderung der Zahl der Handwerker. Schwerlich kann diese Maßregel aus die gegenwärtig bereits vorhandene angebliche Ueber¬ zahl sich erstrecken, indem man sonst den ausgeschlossenen Theil der Leute ent¬ weder versorgen oder verhungern lassen müßte. Man wird also nur darauf zu denken haben, den Andrang für die Zukunft zu beschränken. Direct ließe sich dies nur dadurch bewirken, daß man einen Theil der j.ungen Leute, die sich dem Handwerk widmen wollen, zurückwiese und sie nöthigte, einen andern Beruf zu ergreifen; welchen, das bleibt freilich sehr fraglich, da die Fabriken ja auch reducirt werden sollen, der Ackerbau aber seine natürlichen Grenzen in der räumlichen Ausdehnung des Bodens findet. Ueberdem könnte die Maßregel nur von einer mit öffentlicher Autorität bekleideten Behörde aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/264>, abgerufen am 24.05.2024.