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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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eine schwache läßt sich in den meisten Fällen zu dem Systeme Verführer, oder
durch seinen Einfluß auf andere Art demoralisiren, und es wird nichts damit
verbessert, nicht einmal die Bevölkerungszahl, da für jeden Fremden einer
nicht zahlreichen Einwanderung ein Virginier das Land verläßt, um nach
Teras oder einer anderen Gegend des Westens zu gehen. Der Wunsch
Land zu verkaufen, um den Staat zu verlassen, hat vielleicht in Virginien
einen weit größeren Antheil an den Bemühungen um Einwanderung als das
Bestreben, den Zustand des Staates zu heben. Heruntergekommene Land¬
eigenthümer sind eS in Virginien hauptsächlich, welche in Bezug auf die
Einwanderung lieberale Grundsätze haben. Die virginische Aristokratie dagegen
denkt sicherlich anders. Sie ist klug genug, um die Folgen einer starken Ein¬
wanderung vorauszusehen, und nicht uneigennützig und weise genug, um diese
Folgen zu wollen. "Die Sklaverei" -- sagt sehr richtig s.ein Neuyorker
Blatt "macht zwar die Sklavenstaaten arm, aber nicht die Sklavenhalter.
Sie macht Virginien arm, aber sie bereichert die TylerS, die Masons und
die Smiths, welche Virginien regieren." Es ist nicht anzunehmen, daß diese
Classe einer zahlreichen Einwanderung günstig sein sollte. Wäre sie es theil-
weise dennoch, so könnte die Gunst nur einer Einwanderung gelten, welche
dem einen oder dem andern Extreme der Gesellschaft angehört. Europäische
Aristokraten und Kapitalisten mag man vielleicht nicht ungern sehen, wenn
man von ihnen nicht nur große Landankäufe oder industrielle Unternehmungen,
sondern auch ein Anschließen an die Sklavenhalterinteressen erwarten kann.
Leider haben Deutsche, die sich in Virginien angekauft, diese Erwartung sogar
übertroffen, indem sie sich in der Behandlung ihrer Sklaven durch Brutalität
und Härte ausgezeichnet. Europäische Proletarier möchte man vielleicht auch
nicht ungern sehen, um durch deren Arbeit in den Stand gesetzt zu sein, die
Neger schonen zu können, welche man hier für den Verkauf nach den Baum¬
wollenstaaten aufzieht -- wenn nur weiße Proletarier in den Sklavenstaaten
mit Vortheil zu brauchen wären. Durch den Einfluß der Sklavenarbeit
werden sie faul und nachlässig, während durch ihren Einfluß die Sklaven
widerspenstig werden.

Einen wahrhaften und nachhaltigen Nutzen kann für Virginien nur die
Einwanderung von kleinen Landwirthen und von Handwerkern haben, welche
die Sitten freier Arbeit nicht nur mit sich bringen, sondern auch festhalten.
Sie verbessern wirklich den Zustand des Landes, indem sie ebenso viel
Sklavenarbeit verdrängen, wie sie freie Arbeitskraft mit sich bringen; und
durch den Erfolg ihres Fleißes, der vor aller Augen liegt, führen sie zugleich
den schlagendsten Beweis, daß das bisherige Zurückbleiben des Staates seinen
Grund nur in der Sklaverei hat. Und dies ist in der That, ganz abgesehen
von den allgemeinen moralischen und socialen Nachtheilen der Sklaverei,


eine schwache läßt sich in den meisten Fällen zu dem Systeme Verführer, oder
durch seinen Einfluß auf andere Art demoralisiren, und es wird nichts damit
verbessert, nicht einmal die Bevölkerungszahl, da für jeden Fremden einer
nicht zahlreichen Einwanderung ein Virginier das Land verläßt, um nach
Teras oder einer anderen Gegend des Westens zu gehen. Der Wunsch
Land zu verkaufen, um den Staat zu verlassen, hat vielleicht in Virginien
einen weit größeren Antheil an den Bemühungen um Einwanderung als das
Bestreben, den Zustand des Staates zu heben. Heruntergekommene Land¬
eigenthümer sind eS in Virginien hauptsächlich, welche in Bezug auf die
Einwanderung lieberale Grundsätze haben. Die virginische Aristokratie dagegen
denkt sicherlich anders. Sie ist klug genug, um die Folgen einer starken Ein¬
wanderung vorauszusehen, und nicht uneigennützig und weise genug, um diese
Folgen zu wollen. „Die Sklaverei" — sagt sehr richtig s.ein Neuyorker
Blatt „macht zwar die Sklavenstaaten arm, aber nicht die Sklavenhalter.
Sie macht Virginien arm, aber sie bereichert die TylerS, die Masons und
die Smiths, welche Virginien regieren." Es ist nicht anzunehmen, daß diese
Classe einer zahlreichen Einwanderung günstig sein sollte. Wäre sie es theil-
weise dennoch, so könnte die Gunst nur einer Einwanderung gelten, welche
dem einen oder dem andern Extreme der Gesellschaft angehört. Europäische
Aristokraten und Kapitalisten mag man vielleicht nicht ungern sehen, wenn
man von ihnen nicht nur große Landankäufe oder industrielle Unternehmungen,
sondern auch ein Anschließen an die Sklavenhalterinteressen erwarten kann.
Leider haben Deutsche, die sich in Virginien angekauft, diese Erwartung sogar
übertroffen, indem sie sich in der Behandlung ihrer Sklaven durch Brutalität
und Härte ausgezeichnet. Europäische Proletarier möchte man vielleicht auch
nicht ungern sehen, um durch deren Arbeit in den Stand gesetzt zu sein, die
Neger schonen zu können, welche man hier für den Verkauf nach den Baum¬
wollenstaaten aufzieht — wenn nur weiße Proletarier in den Sklavenstaaten
mit Vortheil zu brauchen wären. Durch den Einfluß der Sklavenarbeit
werden sie faul und nachlässig, während durch ihren Einfluß die Sklaven
widerspenstig werden.

Einen wahrhaften und nachhaltigen Nutzen kann für Virginien nur die
Einwanderung von kleinen Landwirthen und von Handwerkern haben, welche
die Sitten freier Arbeit nicht nur mit sich bringen, sondern auch festhalten.
Sie verbessern wirklich den Zustand des Landes, indem sie ebenso viel
Sklavenarbeit verdrängen, wie sie freie Arbeitskraft mit sich bringen; und
durch den Erfolg ihres Fleißes, der vor aller Augen liegt, führen sie zugleich
den schlagendsten Beweis, daß das bisherige Zurückbleiben des Staates seinen
Grund nur in der Sklaverei hat. Und dies ist in der That, ganz abgesehen
von den allgemeinen moralischen und socialen Nachtheilen der Sklaverei,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/118>, abgerufen am 15.06.2024.