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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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ging infolge dessen mit jenem Jünger Fung An" San zu Anfang des Jah¬
res I8ii nach Kwangsi in das Gebiet jener nichtchinesischen Bergbewohner.
Hier blieben sie einige Monate im Hause eines Verwandten Hung sin Tsiu-
ens, predigten und lckehrten gegen hundert Personen. Nach Verlauf dieser
Zeit machte sich der Jünger zur Heimkehr auf. Unterwegs aber traf er mit
Leuten zusammen, welche am sogenannten Distelberg mit Erdarbeiten beschäf¬
tigt waren, und die er bekehren zu können hoffte. Er half ihnen bei ihrer
?lrbeit, predigte ihnen in den Mußestunden, taufte mehre von ihnen und end¬
lich selbst den Arbeitgeber. Die Sache machte Aufsehen, ganze Familien ließen
sich taufen, Gemeinden bildeten sich, welche den Namen "Gesellschaft der
Gottesverehrer" annahmen, und als Fung Nun San nach vier und ein-
halbjähn'ger Abwesenheit die Gegend verließ, um jetzt wirklich nach seiner Hei¬
math zurückzukehren, war die Sekte schon gegen zweitausend Mitglieder stark.

Hung sin Thinen war inzwischen kurz nach der Abreise seines Freundes
und Jüngers ebenfalls nach seinem heimathlichen Kreise zurückgekehrt. Er be¬
schäftigte sich hier mit Predigen und der Abfassung von Abhandlungen und
religiösen Gedichten bis 184-7, wo er sich nach Kanton begab und hier im
Hause des Missionärs Roberts die Bibel studirte. Da ihm von letzterem die
Taufe verweigert wurde, indem er mit ihr zugleich eine monatliche Unterstü¬
tzung erbeten hatte, so ging er von neuem nach der Provinz Kwangsi, wo
ihn die Gottesverehrer, denen sich mittlerweile auch Männer, der gebildeten
Und wohlhabenden Classen angeschlossen, sogleich als Haupt der Sekte aner¬
kannten und wo er jetzt mit größter Energie und Strenge die Ausrottung deS
Götzendienstes betrieb, ja mit eigner Hand ein hier hochverehrtes Götterbild,
den Kein Wang Jay, zertrümmerte. Seine Schüler ahmten ihm darin nach,
und dies führte bald zu einer ersten Kollision mit den Behörden. Fung Anm
San wurde - ins Gefängniß geworfen. Hung sin Thinen reiste nach Kan-
>on, um ihn bei dem Generalgouvemeur lvSzubitten. Während er abwesend
-var, ließen die Behörden seinen Freund nach seinem Geburtsdistrict schaffen
die Gerichtsdiener jedoch, die ihn transportirten, wurden unterwegs von ihm,
bekehrt, und so traf ihn Hung sin Thinen in der Heimath auf freiem Fuße
an. Beide begaben sich im Juli 18i9 wieder nach Kwangsi, wo die religiöse
Entwicklung mittlerweile in eine neue Phase getreten war und eine Wendung
genommen hatte, die in ihrer mystisch-phantastischen Weise, (man denke an die
Revivals, welche der Gründung neuer Sekten in Amerika vorher zu gehen
Und zu folgen pflegen, an die Schwarmgeister der Reformationszeit, an die
Verzückungen der Camisarden u. a.) als die Pfingstzeit der TaipingS,
due sich die Gottesverehrer*) vom nächsten Jahre an nannten, bezeichnet



. ^) Mit Taiving, FriedcnSreich, ist von den Missionären, welche die Bibel ins Chinesi-
M übersetzten, das Wort Himmelreich im N. T. wiedergegeben worden, TaipingS also --
"omvfer, Bürger des Himmelreichs.

ging infolge dessen mit jenem Jünger Fung An» San zu Anfang des Jah¬
res I8ii nach Kwangsi in das Gebiet jener nichtchinesischen Bergbewohner.
Hier blieben sie einige Monate im Hause eines Verwandten Hung sin Tsiu-
ens, predigten und lckehrten gegen hundert Personen. Nach Verlauf dieser
Zeit machte sich der Jünger zur Heimkehr auf. Unterwegs aber traf er mit
Leuten zusammen, welche am sogenannten Distelberg mit Erdarbeiten beschäf¬
tigt waren, und die er bekehren zu können hoffte. Er half ihnen bei ihrer
?lrbeit, predigte ihnen in den Mußestunden, taufte mehre von ihnen und end¬
lich selbst den Arbeitgeber. Die Sache machte Aufsehen, ganze Familien ließen
sich taufen, Gemeinden bildeten sich, welche den Namen „Gesellschaft der
Gottesverehrer" annahmen, und als Fung Nun San nach vier und ein-
halbjähn'ger Abwesenheit die Gegend verließ, um jetzt wirklich nach seiner Hei¬
math zurückzukehren, war die Sekte schon gegen zweitausend Mitglieder stark.

Hung sin Thinen war inzwischen kurz nach der Abreise seines Freundes
und Jüngers ebenfalls nach seinem heimathlichen Kreise zurückgekehrt. Er be¬
schäftigte sich hier mit Predigen und der Abfassung von Abhandlungen und
religiösen Gedichten bis 184-7, wo er sich nach Kanton begab und hier im
Hause des Missionärs Roberts die Bibel studirte. Da ihm von letzterem die
Taufe verweigert wurde, indem er mit ihr zugleich eine monatliche Unterstü¬
tzung erbeten hatte, so ging er von neuem nach der Provinz Kwangsi, wo
ihn die Gottesverehrer, denen sich mittlerweile auch Männer, der gebildeten
Und wohlhabenden Classen angeschlossen, sogleich als Haupt der Sekte aner¬
kannten und wo er jetzt mit größter Energie und Strenge die Ausrottung deS
Götzendienstes betrieb, ja mit eigner Hand ein hier hochverehrtes Götterbild,
den Kein Wang Jay, zertrümmerte. Seine Schüler ahmten ihm darin nach,
und dies führte bald zu einer ersten Kollision mit den Behörden. Fung Anm
San wurde - ins Gefängniß geworfen. Hung sin Thinen reiste nach Kan-
>on, um ihn bei dem Generalgouvemeur lvSzubitten. Während er abwesend
-var, ließen die Behörden seinen Freund nach seinem Geburtsdistrict schaffen
die Gerichtsdiener jedoch, die ihn transportirten, wurden unterwegs von ihm,
bekehrt, und so traf ihn Hung sin Thinen in der Heimath auf freiem Fuße
an. Beide begaben sich im Juli 18i9 wieder nach Kwangsi, wo die religiöse
Entwicklung mittlerweile in eine neue Phase getreten war und eine Wendung
genommen hatte, die in ihrer mystisch-phantastischen Weise, (man denke an die
Revivals, welche der Gründung neuer Sekten in Amerika vorher zu gehen
Und zu folgen pflegen, an die Schwarmgeister der Reformationszeit, an die
Verzückungen der Camisarden u. a.) als die Pfingstzeit der TaipingS,
due sich die Gottesverehrer*) vom nächsten Jahre an nannten, bezeichnet



. ^) Mit Taiving, FriedcnSreich, ist von den Missionären, welche die Bibel ins Chinesi-
M übersetzten, das Wort Himmelreich im N. T. wiedergegeben worden, TaipingS also —
"omvfer, Bürger des Himmelreichs.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/223>, abgerufen am 15.06.2024.