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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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sie ein gewisses Durchschnittsmaß vergangener Jahre erreicht. Die Gesammt-
summe dieses Papiergelds beträgt etwa 17 Mill., wovon mehr als der dritte Theil
allein auf Irland kommt, und etwa nur der sechste Theil auf Schottland,
zum .Beweise, wie wenig man dort trotz der ungehemmten Freiheit im Ausgeben
von Papiergeld daran gedacht hatte, irgendwie davon Mißbrauch zu machen.

Es ist in neuerer Zeit die wunderbare Idee aufgetaucht und sogar von
der preußischen Regierung verfochten worden, die Ausgabe von Papiergeld sei
Regal, grade wie das Ausprägen von Münzen. Man könnte mit demselben
Rechte sagen, das Droschkenfuhrwesen sei Regal grade wie die Postbeförderung,
Münzen und Posten sind Einrichtungen der Bequemlichkeit und der Sicherheit,
nichts weiter. Oder wenn das Münzen ein Mehreres ist, wie kommt es, daß
keine Negierung befehlen kann, die aus einem Pfund Silber geprägten Münzen
seien zwei Pfund Silber werth? Sie kann es nicht und darin liegt der Beweis,
daß das Münzen nur eine öffentliche Beglaubigung in sich schließt, aber nicht noth¬
wendig ein Hoheitsrecht. Und vom Münzen zum Papiergeld ist noch ein wei¬
ter, weiter Schritt. Weshalb vindiciren die Regierungen sich nicht gelegentlich
die Ausgabe von Wechseln? DaS heutige Papiergeld ist wahrscheinlich aus
dem Wechsel entstanden, und in 99 unter 100 Fällen wird mit dem Wechsel
grade so wie mit Geld bezahlt.

ES ist ein auf dem Continente im wirthschaftlichen wie im politischen
Gebiete fast regelmäßig gemachter Fehler, daß man aus England Formeln ent¬
lehnt, die dort ihre Voraussetzung aber nur in ganz concreten Zuständen fin¬
den. Für das Bankwesen ist nur allzusehr die jeweilige Entwicklung der eng¬
lischen Bank als mustergiltig angesehen worden, während sie doch nur im
Monopol und in der engen Verbindung mit der Regierung ihre Erklärung
findet. Weil man nun so im weitern Verlaufe vorzugsweise der englischen
Bank das Recht der Notenemission gewahrt und Vorsorge getroffen hat, daß
die noch bestehenden Befugnisse der Privatbanken allmälig auf sie devolviren,
wird daraus in Deutschland die Theorie der alleinigen Befugniß der Regie¬
rungen oder der unmittelbar von ihr abhängigen Bankinstitute zur Ausgabe
von Papiergeld herangebildet. Wir fürchten, man wird die praktische Aus¬
übung dieser Lehre noch theuer genug bezahlen müssen, namentlich auch in
Preußen, dessen jeweiliger politischer Zustand doch nicht über alle Zufälligkei¬
ten erhaben ist. Private haben jedenfalls mehr Einsicht und Geschick, um wirth-
schaftlichen Erschütterungen vorzubeugen als RegierungSiustitute. Dazu kommt
dann noch für die preußische Bank das ihr so unbeschränkt verliehene und auch
schon ausgeübte Recht zur Papiergeldemission. "

Wir wollen nun allerdings nicht sagen, baß man so ohne Weiteres in
Deutschland den Grundsatz der unbedingten Freiheit des Bankwesens einführen
solle; dazu sind leider die politischen Zustände wenig und noch weniger die


sie ein gewisses Durchschnittsmaß vergangener Jahre erreicht. Die Gesammt-
summe dieses Papiergelds beträgt etwa 17 Mill., wovon mehr als der dritte Theil
allein auf Irland kommt, und etwa nur der sechste Theil auf Schottland,
zum .Beweise, wie wenig man dort trotz der ungehemmten Freiheit im Ausgeben
von Papiergeld daran gedacht hatte, irgendwie davon Mißbrauch zu machen.

Es ist in neuerer Zeit die wunderbare Idee aufgetaucht und sogar von
der preußischen Regierung verfochten worden, die Ausgabe von Papiergeld sei
Regal, grade wie das Ausprägen von Münzen. Man könnte mit demselben
Rechte sagen, das Droschkenfuhrwesen sei Regal grade wie die Postbeförderung,
Münzen und Posten sind Einrichtungen der Bequemlichkeit und der Sicherheit,
nichts weiter. Oder wenn das Münzen ein Mehreres ist, wie kommt es, daß
keine Negierung befehlen kann, die aus einem Pfund Silber geprägten Münzen
seien zwei Pfund Silber werth? Sie kann es nicht und darin liegt der Beweis,
daß das Münzen nur eine öffentliche Beglaubigung in sich schließt, aber nicht noth¬
wendig ein Hoheitsrecht. Und vom Münzen zum Papiergeld ist noch ein wei¬
ter, weiter Schritt. Weshalb vindiciren die Regierungen sich nicht gelegentlich
die Ausgabe von Wechseln? DaS heutige Papiergeld ist wahrscheinlich aus
dem Wechsel entstanden, und in 99 unter 100 Fällen wird mit dem Wechsel
grade so wie mit Geld bezahlt.

ES ist ein auf dem Continente im wirthschaftlichen wie im politischen
Gebiete fast regelmäßig gemachter Fehler, daß man aus England Formeln ent¬
lehnt, die dort ihre Voraussetzung aber nur in ganz concreten Zuständen fin¬
den. Für das Bankwesen ist nur allzusehr die jeweilige Entwicklung der eng¬
lischen Bank als mustergiltig angesehen worden, während sie doch nur im
Monopol und in der engen Verbindung mit der Regierung ihre Erklärung
findet. Weil man nun so im weitern Verlaufe vorzugsweise der englischen
Bank das Recht der Notenemission gewahrt und Vorsorge getroffen hat, daß
die noch bestehenden Befugnisse der Privatbanken allmälig auf sie devolviren,
wird daraus in Deutschland die Theorie der alleinigen Befugniß der Regie¬
rungen oder der unmittelbar von ihr abhängigen Bankinstitute zur Ausgabe
von Papiergeld herangebildet. Wir fürchten, man wird die praktische Aus¬
übung dieser Lehre noch theuer genug bezahlen müssen, namentlich auch in
Preußen, dessen jeweiliger politischer Zustand doch nicht über alle Zufälligkei¬
ten erhaben ist. Private haben jedenfalls mehr Einsicht und Geschick, um wirth-
schaftlichen Erschütterungen vorzubeugen als RegierungSiustitute. Dazu kommt
dann noch für die preußische Bank das ihr so unbeschränkt verliehene und auch
schon ausgeübte Recht zur Papiergeldemission. »

Wir wollen nun allerdings nicht sagen, baß man so ohne Weiteres in
Deutschland den Grundsatz der unbedingten Freiheit des Bankwesens einführen
solle; dazu sind leider die politischen Zustände wenig und noch weniger die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/31>, abgerufen am 21.05.2024.