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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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zig Schritt Breite, eingefaßt von einer vierzig Fuß hohen Mauer mit kleinen
Bollwerken und Thürmen, und wird vom Prinzen wie folgt beschrieben: "Die
Einfahrt, die wir auf Clephanlen durchzogen, ist großartig. Ein hohes, mas¬
sives Thor aus rothem Sandstein (aus dem auch die hohen Umfassungsmauern
bestehen), mit einer Menge kleiner Kuppelthürme geziert, bildet den Eingang
zu einem langen bedeckten Durchgang, aus dem man in einen weiten Hof
tritt, der von einer Menge unscheinbarer Lehmhütten eingeschlossen ist und
einen Marktplatz des Forts zu bilden scheint. Bon hier ans führen mehre
Straßen in den eigentlichen Palast. Dieser ist ein Städtchen für sich, es
leben die Verwandten des jetzigen Kaisers, seine zwei Regimenter und seine
Diener darin, zusammen gegen zwanzigtausend Menschen. Ein rothes Thor,
oben mit offener Bogenhalle, führt zu dem zweiten Hofe. Dies ist der Platz,
wo die Moguls ihre öffentlichen Audienzen hielten; im Hintergrunde einer
Bogenhalle springt aus der Wand eine Art Erker vor, ein gewölbtes Dach,
das auf leichten, durch arabische Bögen verbundenen Säulen ruht. Auf diesem
Throne saß der Mogul und nahm aus der Hand seines Ministers, der auf
einem Marmortisch stand, die Bittschriften entgegen. Die Säulen und Bögen
sind mit leichten Verzierungen überzogen, während Pietra dura, Bildnisse,
Vögel und Blumenstücke darstellend, die Hinterwand bedeckt. Hier ist mir
ganz klar geworden, daß florentiner Steinarbeiter unter Schah Djehan in
Delhi gewesen sind. Dieselben Muster, die ich in Florenz sah, fand ich hier
wieder; auch sind europäische Vögel, Blumen und Früchte, die man hier gar
nicht kennt, dargestellt und, was das schlagendste ist : ein Orpheus mit der
Zither in der Hand, von den Thieren umgeben, das bekannte Bild aus der
griechischen Mythologie."

"Noch ein kleiner Durchgangshof, und man tritt in den Dewankvß mit
seiner Marmorhalle, in deren Mitte der berühmte Pfauenthron stand. Die
Wände und die Decke sind mit Goldverzierungen bemalt, die neu den glän¬
zendsten Eindruck gemacht haben müssen. Oben an den Bögen, welche den
Thronhimmel tragen, steht in persischen Lettern die stolze Inschrift: ""Wenn
ein Paradies auf Erden ist, so ist es hier -- so ist eS hier -- so ist es hier!""
Jetzt ist man weit entfernt, es hier zu finden. Die eingelegten Blumenguir¬
landen , die auch diese Halle theilweis bedeckten, haben sehr gelitten, sie sind
ausgenommen und verschleppt worden."

"Der Palast, welcher noch, zunächst dem Djamnastrom, einen Garten
mit einer kleinen Moschee, Springbrunnen und so weiter enthält, hat eine
etwas freundliche Lage. Der Garten mit seinen vielen Bäumen, so wie der
Palast selbst, der mit allerhand Hütten verbaut und durch neue Bauwerke
verunstaltet ist, sind sehr schlecht gehalten, und redende Zeugnisse von der
Schlaffheit und Geschmacklosigkeit des jetzigen Kaisers. Dieser ist im jetzigen


zig Schritt Breite, eingefaßt von einer vierzig Fuß hohen Mauer mit kleinen
Bollwerken und Thürmen, und wird vom Prinzen wie folgt beschrieben: „Die
Einfahrt, die wir auf Clephanlen durchzogen, ist großartig. Ein hohes, mas¬
sives Thor aus rothem Sandstein (aus dem auch die hohen Umfassungsmauern
bestehen), mit einer Menge kleiner Kuppelthürme geziert, bildet den Eingang
zu einem langen bedeckten Durchgang, aus dem man in einen weiten Hof
tritt, der von einer Menge unscheinbarer Lehmhütten eingeschlossen ist und
einen Marktplatz des Forts zu bilden scheint. Bon hier ans führen mehre
Straßen in den eigentlichen Palast. Dieser ist ein Städtchen für sich, es
leben die Verwandten des jetzigen Kaisers, seine zwei Regimenter und seine
Diener darin, zusammen gegen zwanzigtausend Menschen. Ein rothes Thor,
oben mit offener Bogenhalle, führt zu dem zweiten Hofe. Dies ist der Platz,
wo die Moguls ihre öffentlichen Audienzen hielten; im Hintergrunde einer
Bogenhalle springt aus der Wand eine Art Erker vor, ein gewölbtes Dach,
das auf leichten, durch arabische Bögen verbundenen Säulen ruht. Auf diesem
Throne saß der Mogul und nahm aus der Hand seines Ministers, der auf
einem Marmortisch stand, die Bittschriften entgegen. Die Säulen und Bögen
sind mit leichten Verzierungen überzogen, während Pietra dura, Bildnisse,
Vögel und Blumenstücke darstellend, die Hinterwand bedeckt. Hier ist mir
ganz klar geworden, daß florentiner Steinarbeiter unter Schah Djehan in
Delhi gewesen sind. Dieselben Muster, die ich in Florenz sah, fand ich hier
wieder; auch sind europäische Vögel, Blumen und Früchte, die man hier gar
nicht kennt, dargestellt und, was das schlagendste ist : ein Orpheus mit der
Zither in der Hand, von den Thieren umgeben, das bekannte Bild aus der
griechischen Mythologie."

„Noch ein kleiner Durchgangshof, und man tritt in den Dewankvß mit
seiner Marmorhalle, in deren Mitte der berühmte Pfauenthron stand. Die
Wände und die Decke sind mit Goldverzierungen bemalt, die neu den glän¬
zendsten Eindruck gemacht haben müssen. Oben an den Bögen, welche den
Thronhimmel tragen, steht in persischen Lettern die stolze Inschrift: „„Wenn
ein Paradies auf Erden ist, so ist es hier — so ist eS hier — so ist es hier!""
Jetzt ist man weit entfernt, es hier zu finden. Die eingelegten Blumenguir¬
landen , die auch diese Halle theilweis bedeckten, haben sehr gelitten, sie sind
ausgenommen und verschleppt worden."

„Der Palast, welcher noch, zunächst dem Djamnastrom, einen Garten
mit einer kleinen Moschee, Springbrunnen und so weiter enthält, hat eine
etwas freundliche Lage. Der Garten mit seinen vielen Bäumen, so wie der
Palast selbst, der mit allerhand Hütten verbaut und durch neue Bauwerke
verunstaltet ist, sind sehr schlecht gehalten, und redende Zeugnisse von der
Schlaffheit und Geschmacklosigkeit des jetzigen Kaisers. Dieser ist im jetzigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/40>, abgerufen am 21.05.2024.