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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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tigem. Um das Jahr 1484 entstand ein Frauenorden zur U. E. Ladislaus IV.
von Polen stiftete den Militärorden z. U. E. Die religiösen Militärorden von
Alcantara 1633, Calatrava 1632, Se. Jacob von Compostella 1637, und Ol-
mütz 1613 verpflichteten zur Vertheidigung der U. E. bis aufs Blut. Der
Orden zum Loskauf christlicher Gefangener legte zu Ehren der U. E. sein wei¬
ßes Kleid an. Petrus de Alva führt 3 enggedruckte Columnen in Folio von
bloßen Ortsnamen an, wo sich Brüderschaften befanden, welche auf die U. E.
schworen. Aber der Eifer für die vermeinte Sache der Madonna griff weit über
das Gebiet der Klvsterordensbrüderschaften hinaus. Zur Vertheidigung der Lehre
verpflichteten sich Sevilla (1617), Huesca (1634), Huete, Tarragona (1618)
Madrid, Agreda, Barcellona, Saragossa, Brüssel und viele andere Städte.
In Neapel verbanden sich König, Magistrat, Militär und Universität, für die
U. E. zu kämpfen; ähnliche Gelöbnisse fanden statt in Genua, Messina, Si-
ena :c. Die Stadt Rouen hatte schon seit 1387 einen jährlichen Preis auf
das -- beste Gedicht zu Ehren der U. E. ausgesetzt. In Deutschland pries
man durch Einführung von Fest- und Fasttagen die U. E. Schon um das Jahr
1647 hatte Wien eine Marmorsäule mit dem Standbilde der Immaculata. Die
Marienkapelle zu Würzburg erhielt eine ähnliche Statue, 18 Fuß hoch und
mit nicht weniger als 400 Golddukaten überzogen. Kaiser, Fürsten, sammt
ihrer männlichen und weiblichen Verwandtschaft beschworen einen Papst nach
dem andern um Einführung deS Dogmas, und im Jahre 1646 kamen die
Cortes von Portugal sogar auf den unverfänglichen Einfall, die "unbefleckt
empfangene Madonna als Königin deS Reiches" auszurufen.

ES ist zu verwundern, daß trotzdem die Päpste nicht mit dem Dogma
hervortraten. Aber sie fürchteten Spaltungen, Abfälle; gab es doch genug,
was sich gegen die Zweckmäßigkeit eines Dogmas sagen ließ, das den Sohn
Gottes um seine Ausnahmsstellung zu bringen geeignet schien; war es doch
schwer, ein Ende zu finden, wenn einmal der Anfang gemacht war, hatten
die Griechisch-Katholischen doch schon ein Fest der Empfängnis; Johannes des
Täufers. Sie beschränkten sich aus Verbote gegen pas Predigen wider die
U. E., auf Ablaßverheißungen für diejenigen, welche dem Fest der U. E. bei¬
wohnten, auf Bücherverfolgungen, auf Maßregeln gegen die Offtciumredactionen
der Dominicaner; bis endlich diese ihre Unterwerfung erklärten und Pius
der Neunte nun in der Lage war, zu Ehren der Madonna die reife Frucht deS
langen Streites zu pflücken.

Es ist wol anzunehmen, daß die wenigsten der Parteigänger für die
Sache der Jungfrau Maria die passive Empfängniß bei diesem Kriege im Auge
hatten, d. h. die Frage, ob Maria selbst vor ihrer Geburt schon von der Erb¬
sünde frei war. Hat die Lehre von der s. g. activen Empfängniß für die Mehrheit
der Denkenden schon ihre großen Schwierigkeiten, wie viel mehr noch ein so


tigem. Um das Jahr 1484 entstand ein Frauenorden zur U. E. Ladislaus IV.
von Polen stiftete den Militärorden z. U. E. Die religiösen Militärorden von
Alcantara 1633, Calatrava 1632, Se. Jacob von Compostella 1637, und Ol-
mütz 1613 verpflichteten zur Vertheidigung der U. E. bis aufs Blut. Der
Orden zum Loskauf christlicher Gefangener legte zu Ehren der U. E. sein wei¬
ßes Kleid an. Petrus de Alva führt 3 enggedruckte Columnen in Folio von
bloßen Ortsnamen an, wo sich Brüderschaften befanden, welche auf die U. E.
schworen. Aber der Eifer für die vermeinte Sache der Madonna griff weit über
das Gebiet der Klvsterordensbrüderschaften hinaus. Zur Vertheidigung der Lehre
verpflichteten sich Sevilla (1617), Huesca (1634), Huete, Tarragona (1618)
Madrid, Agreda, Barcellona, Saragossa, Brüssel und viele andere Städte.
In Neapel verbanden sich König, Magistrat, Militär und Universität, für die
U. E. zu kämpfen; ähnliche Gelöbnisse fanden statt in Genua, Messina, Si-
ena :c. Die Stadt Rouen hatte schon seit 1387 einen jährlichen Preis auf
das — beste Gedicht zu Ehren der U. E. ausgesetzt. In Deutschland pries
man durch Einführung von Fest- und Fasttagen die U. E. Schon um das Jahr
1647 hatte Wien eine Marmorsäule mit dem Standbilde der Immaculata. Die
Marienkapelle zu Würzburg erhielt eine ähnliche Statue, 18 Fuß hoch und
mit nicht weniger als 400 Golddukaten überzogen. Kaiser, Fürsten, sammt
ihrer männlichen und weiblichen Verwandtschaft beschworen einen Papst nach
dem andern um Einführung deS Dogmas, und im Jahre 1646 kamen die
Cortes von Portugal sogar auf den unverfänglichen Einfall, die „unbefleckt
empfangene Madonna als Königin deS Reiches" auszurufen.

ES ist zu verwundern, daß trotzdem die Päpste nicht mit dem Dogma
hervortraten. Aber sie fürchteten Spaltungen, Abfälle; gab es doch genug,
was sich gegen die Zweckmäßigkeit eines Dogmas sagen ließ, das den Sohn
Gottes um seine Ausnahmsstellung zu bringen geeignet schien; war es doch
schwer, ein Ende zu finden, wenn einmal der Anfang gemacht war, hatten
die Griechisch-Katholischen doch schon ein Fest der Empfängnis; Johannes des
Täufers. Sie beschränkten sich aus Verbote gegen pas Predigen wider die
U. E., auf Ablaßverheißungen für diejenigen, welche dem Fest der U. E. bei¬
wohnten, auf Bücherverfolgungen, auf Maßregeln gegen die Offtciumredactionen
der Dominicaner; bis endlich diese ihre Unterwerfung erklärten und Pius
der Neunte nun in der Lage war, zu Ehren der Madonna die reife Frucht deS
langen Streites zu pflücken.

Es ist wol anzunehmen, daß die wenigsten der Parteigänger für die
Sache der Jungfrau Maria die passive Empfängniß bei diesem Kriege im Auge
hatten, d. h. die Frage, ob Maria selbst vor ihrer Geburt schon von der Erb¬
sünde frei war. Hat die Lehre von der s. g. activen Empfängniß für die Mehrheit
der Denkenden schon ihre großen Schwierigkeiten, wie viel mehr noch ein so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/76>, abgerufen am 21.05.2024.