Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn aufgeben und zu unserm Winterthor unsere Zuflucht nehmen mußten.
So wie eine Thür aufging, fuhr ein Strom rauchähnlichen Dunstes heraus;
jedes Ofenrohr entsendete Wolken von purpurrothen Dampfe und der Hauch
eines Menschen brachte auf tels Auge eine Wirkung hervor, wie pas Abschießen
eines Pistols.

Alle unsere Eßsachen wurden lächerlich fest, jede in ihrer Art und es be¬
dürfte keiner geringen Erfahrung, ehe wir mit den Eigenthümlichkeiten ihrer
neuen Beschaffenheit umgehen konnten. So wurden getrocknete Aepfel zu einer
festen breccienarligen Masse von zusammengebackenen eckigen Stücken, ein
Konglomerat von Chalcedonscheiben. Ebenso getrocknete Pfirsiche; diese von
dem Faß los zu machen oder das Faß von ihnen war ein Ding der Unmög¬
lichkeit. Nach vielen Versuchen fanden wir, daß die kürzeste und beste Art
die sei, das Faß sammt den darin enthaltenen Pfirsichen mit einer schweren
Art zu zerhauen und die Stücke mit in die Cajüte zu nehmen, um sie auf-
zuthauen. Sauerkraut glich Glimmer oder vielmehr Talkschiefer. Ein Brech¬
eisen mit scharfer Schneide löste die Blättchen nur unvollkommen los, und
doch war es vielleicht das beste Werkzeug, das man zum Zerstücken anwen¬
den konnte.

Zucker stellte sich als eine gar drollige Masse dar. Rccipe q. s. Kork¬
schnitzel und vermische sie mit s. von flüssiger Guttapercha oder Kautschuk
und lasse das Ganze hart werden; dieses crtemporirte Recept dürfte den brau¬
nen Zucker unserer Winterkreuzfahrt geben. Man muß ihn mit der Säge von
seiner Einpackung lösen oder zerstücken; nichts als die Säge hilft; Butter und
Speck, die sich weniger verändert haben, verlangen einen schweren fallen
Meißel und einen Schlägel. Ihr Bruch ist muschelförmig mit hämatitischer
Fläche. Mehl bleibt ziemlich wie es ist und Syrup kann bei 28 Grad unter
Null mit einem eisernen Löffel halb herausgegraben und halb herausge¬
schnitten werben.

Schweine- und Rindfleisch sind seltene Proben florentinischer Mosaik, die
mit der verlorenen Kunst, Eingeweidemonstrositäten zu versteinern, wovon man
Proben auf den medicinischen Akademien in Bologna und Mailand findet,
wetteifern. Sie verlangen nach dem Brecheisen und der Handspake, denn bei
30 Grad unter Null gelingt es der Art kaum Späne davon loszuschlagen.
Eine in der Mitte halb auseinandergesägte Fleischtonne, die bei 76 Grad
über Null zwei Tage lang in der Kambuse gelegen hatte, war wenige Zoll
unter der Oberfläche immer noch so hart wie Feuerstein. Eine Masse Lampen-
öl stand, nachdem die Faßtauben losgeschlagen waren, wie eine Walze von
gelbem Sandstein zum Glattrollen eines sandbestreuten Wegs.

Eis zum Dessert kam natürlich ""befohlen in allen denkbaren und un¬
denkbare" Varietäten. Ich habe meine Erfindungskraft an einigen derselben


ihn aufgeben und zu unserm Winterthor unsere Zuflucht nehmen mußten.
So wie eine Thür aufging, fuhr ein Strom rauchähnlichen Dunstes heraus;
jedes Ofenrohr entsendete Wolken von purpurrothen Dampfe und der Hauch
eines Menschen brachte auf tels Auge eine Wirkung hervor, wie pas Abschießen
eines Pistols.

Alle unsere Eßsachen wurden lächerlich fest, jede in ihrer Art und es be¬
dürfte keiner geringen Erfahrung, ehe wir mit den Eigenthümlichkeiten ihrer
neuen Beschaffenheit umgehen konnten. So wurden getrocknete Aepfel zu einer
festen breccienarligen Masse von zusammengebackenen eckigen Stücken, ein
Konglomerat von Chalcedonscheiben. Ebenso getrocknete Pfirsiche; diese von
dem Faß los zu machen oder das Faß von ihnen war ein Ding der Unmög¬
lichkeit. Nach vielen Versuchen fanden wir, daß die kürzeste und beste Art
die sei, das Faß sammt den darin enthaltenen Pfirsichen mit einer schweren
Art zu zerhauen und die Stücke mit in die Cajüte zu nehmen, um sie auf-
zuthauen. Sauerkraut glich Glimmer oder vielmehr Talkschiefer. Ein Brech¬
eisen mit scharfer Schneide löste die Blättchen nur unvollkommen los, und
doch war es vielleicht das beste Werkzeug, das man zum Zerstücken anwen¬
den konnte.

Zucker stellte sich als eine gar drollige Masse dar. Rccipe q. s. Kork¬
schnitzel und vermische sie mit s. von flüssiger Guttapercha oder Kautschuk
und lasse das Ganze hart werden; dieses crtemporirte Recept dürfte den brau¬
nen Zucker unserer Winterkreuzfahrt geben. Man muß ihn mit der Säge von
seiner Einpackung lösen oder zerstücken; nichts als die Säge hilft; Butter und
Speck, die sich weniger verändert haben, verlangen einen schweren fallen
Meißel und einen Schlägel. Ihr Bruch ist muschelförmig mit hämatitischer
Fläche. Mehl bleibt ziemlich wie es ist und Syrup kann bei 28 Grad unter
Null mit einem eisernen Löffel halb herausgegraben und halb herausge¬
schnitten werben.

Schweine- und Rindfleisch sind seltene Proben florentinischer Mosaik, die
mit der verlorenen Kunst, Eingeweidemonstrositäten zu versteinern, wovon man
Proben auf den medicinischen Akademien in Bologna und Mailand findet,
wetteifern. Sie verlangen nach dem Brecheisen und der Handspake, denn bei
30 Grad unter Null gelingt es der Art kaum Späne davon loszuschlagen.
Eine in der Mitte halb auseinandergesägte Fleischtonne, die bei 76 Grad
über Null zwei Tage lang in der Kambuse gelegen hatte, war wenige Zoll
unter der Oberfläche immer noch so hart wie Feuerstein. Eine Masse Lampen-
öl stand, nachdem die Faßtauben losgeschlagen waren, wie eine Walze von
gelbem Sandstein zum Glattrollen eines sandbestreuten Wegs.

Eis zum Dessert kam natürlich »„befohlen in allen denkbaren und un¬
denkbare» Varietäten. Ich habe meine Erfindungskraft an einigen derselben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104813"/>
          <p xml:id="ID_219" prev="#ID_218"> ihn aufgeben und zu unserm Winterthor unsere Zuflucht nehmen mußten.<lb/>
So wie eine Thür aufging, fuhr ein Strom rauchähnlichen Dunstes heraus;<lb/>
jedes Ofenrohr entsendete Wolken von purpurrothen Dampfe und der Hauch<lb/>
eines Menschen brachte auf tels Auge eine Wirkung hervor, wie pas Abschießen<lb/>
eines Pistols.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_220"> Alle unsere Eßsachen wurden lächerlich fest, jede in ihrer Art und es be¬<lb/>
dürfte keiner geringen Erfahrung, ehe wir mit den Eigenthümlichkeiten ihrer<lb/>
neuen Beschaffenheit umgehen konnten. So wurden getrocknete Aepfel zu einer<lb/>
festen breccienarligen Masse von zusammengebackenen eckigen Stücken, ein<lb/>
Konglomerat von Chalcedonscheiben. Ebenso getrocknete Pfirsiche; diese von<lb/>
dem Faß los zu machen oder das Faß von ihnen war ein Ding der Unmög¬<lb/>
lichkeit. Nach vielen Versuchen fanden wir, daß die kürzeste und beste Art<lb/>
die sei, das Faß sammt den darin enthaltenen Pfirsichen mit einer schweren<lb/>
Art zu zerhauen und die Stücke mit in die Cajüte zu nehmen, um sie auf-<lb/>
zuthauen. Sauerkraut glich Glimmer oder vielmehr Talkschiefer. Ein Brech¬<lb/>
eisen mit scharfer Schneide löste die Blättchen nur unvollkommen los, und<lb/>
doch war es vielleicht das beste Werkzeug, das man zum Zerstücken anwen¬<lb/>
den konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_221"> Zucker stellte sich als eine gar drollige Masse dar. Rccipe q. s. Kork¬<lb/>
schnitzel und vermische sie mit s. von flüssiger Guttapercha oder Kautschuk<lb/>
und lasse das Ganze hart werden; dieses crtemporirte Recept dürfte den brau¬<lb/>
nen Zucker unserer Winterkreuzfahrt geben. Man muß ihn mit der Säge von<lb/>
seiner Einpackung lösen oder zerstücken; nichts als die Säge hilft; Butter und<lb/>
Speck, die sich weniger verändert haben, verlangen einen schweren fallen<lb/>
Meißel und einen Schlägel. Ihr Bruch ist muschelförmig mit hämatitischer<lb/>
Fläche. Mehl bleibt ziemlich wie es ist und Syrup kann bei 28 Grad unter<lb/>
Null mit einem eisernen Löffel halb herausgegraben und halb herausge¬<lb/>
schnitten werben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_222"> Schweine- und Rindfleisch sind seltene Proben florentinischer Mosaik, die<lb/>
mit der verlorenen Kunst, Eingeweidemonstrositäten zu versteinern, wovon man<lb/>
Proben auf den medicinischen Akademien in Bologna und Mailand findet,<lb/>
wetteifern. Sie verlangen nach dem Brecheisen und der Handspake, denn bei<lb/>
30 Grad unter Null gelingt es der Art kaum Späne davon loszuschlagen.<lb/>
Eine in der Mitte halb auseinandergesägte Fleischtonne, die bei 76 Grad<lb/>
über Null zwei Tage lang in der Kambuse gelegen hatte, war wenige Zoll<lb/>
unter der Oberfläche immer noch so hart wie Feuerstein. Eine Masse Lampen-<lb/>
öl stand, nachdem die Faßtauben losgeschlagen waren, wie eine Walze von<lb/>
gelbem Sandstein zum Glattrollen eines sandbestreuten Wegs.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_223" next="#ID_224"> Eis zum Dessert kam natürlich »&#x201E;befohlen in allen denkbaren und un¬<lb/>
denkbare» Varietäten.  Ich habe meine Erfindungskraft an einigen derselben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] ihn aufgeben und zu unserm Winterthor unsere Zuflucht nehmen mußten. So wie eine Thür aufging, fuhr ein Strom rauchähnlichen Dunstes heraus; jedes Ofenrohr entsendete Wolken von purpurrothen Dampfe und der Hauch eines Menschen brachte auf tels Auge eine Wirkung hervor, wie pas Abschießen eines Pistols. Alle unsere Eßsachen wurden lächerlich fest, jede in ihrer Art und es be¬ dürfte keiner geringen Erfahrung, ehe wir mit den Eigenthümlichkeiten ihrer neuen Beschaffenheit umgehen konnten. So wurden getrocknete Aepfel zu einer festen breccienarligen Masse von zusammengebackenen eckigen Stücken, ein Konglomerat von Chalcedonscheiben. Ebenso getrocknete Pfirsiche; diese von dem Faß los zu machen oder das Faß von ihnen war ein Ding der Unmög¬ lichkeit. Nach vielen Versuchen fanden wir, daß die kürzeste und beste Art die sei, das Faß sammt den darin enthaltenen Pfirsichen mit einer schweren Art zu zerhauen und die Stücke mit in die Cajüte zu nehmen, um sie auf- zuthauen. Sauerkraut glich Glimmer oder vielmehr Talkschiefer. Ein Brech¬ eisen mit scharfer Schneide löste die Blättchen nur unvollkommen los, und doch war es vielleicht das beste Werkzeug, das man zum Zerstücken anwen¬ den konnte. Zucker stellte sich als eine gar drollige Masse dar. Rccipe q. s. Kork¬ schnitzel und vermische sie mit s. von flüssiger Guttapercha oder Kautschuk und lasse das Ganze hart werden; dieses crtemporirte Recept dürfte den brau¬ nen Zucker unserer Winterkreuzfahrt geben. Man muß ihn mit der Säge von seiner Einpackung lösen oder zerstücken; nichts als die Säge hilft; Butter und Speck, die sich weniger verändert haben, verlangen einen schweren fallen Meißel und einen Schlägel. Ihr Bruch ist muschelförmig mit hämatitischer Fläche. Mehl bleibt ziemlich wie es ist und Syrup kann bei 28 Grad unter Null mit einem eisernen Löffel halb herausgegraben und halb herausge¬ schnitten werben. Schweine- und Rindfleisch sind seltene Proben florentinischer Mosaik, die mit der verlorenen Kunst, Eingeweidemonstrositäten zu versteinern, wovon man Proben auf den medicinischen Akademien in Bologna und Mailand findet, wetteifern. Sie verlangen nach dem Brecheisen und der Handspake, denn bei 30 Grad unter Null gelingt es der Art kaum Späne davon loszuschlagen. Eine in der Mitte halb auseinandergesägte Fleischtonne, die bei 76 Grad über Null zwei Tage lang in der Kambuse gelegen hatte, war wenige Zoll unter der Oberfläche immer noch so hart wie Feuerstein. Eine Masse Lampen- öl stand, nachdem die Faßtauben losgeschlagen waren, wie eine Walze von gelbem Sandstein zum Glattrollen eines sandbestreuten Wegs. Eis zum Dessert kam natürlich »„befohlen in allen denkbaren und un¬ denkbare» Varietäten. Ich habe meine Erfindungskraft an einigen derselben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/78>, abgerufen am 21.05.2024.