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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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ernstlich zu beabsiehiigen vorgab, der größere Theil der Reichsstände und der
Geistlichkeit aber, auf welche die Lasten der Kriegszurüstung und Führung
hauptsächlich gedrückt haben würden, mit Erfolg hinaus zu deliberieren suchte.
Mit allem Feuer seiner Vaterlandsliebe zeigt hier Hütten die Nothwendigkeit
dieses Krieges; aber wie mit einem Flammenschwerte fährt er auch in die
Eifersüchtelei, Ueppigkeit und Selbstsucht der Fürsten, und wie ein Würgenge!
in die Herde der Römlinge. Die schlimmsten Stellen ließ Hütten, hauptsäch¬
lich wol auf Peutingers Betrieb, aus dem ersten, dem Quartdruck der Rede
(Augsb. 1518) weg; aber das war Huttcns Sache nicht, er veranstaltete gleich
darauf im folgenden Jahr kri>not lruremu Noguutmm einen vollständigen
(Octav-) Druck, worin jene Stellen, "welche zu freimüthig gegen das römische
Wesen angehen, als daß ein schlechter Papst sie dulden könnte", an ihrem
Orte zu lesen sind. Daß Hütten nicht" der Vf. einer s. g. öl'u,t,lo äisLuasorm
<lo "lecimi" sei, die ihm von vielen zugeschricven wird, habe ich jüngst zu der
ersten vollständigen und lesbaren Ausgabe derselben gezeigt; Ser. räth auf'
Jacob Fuchs als Vf., ohne der mir gegründeter scheinenden auf Friedr.
Fischer gehenden Vermuthung Hagens zu gedenken; die Erwähnung des Crotus
und einige Zweifel unserer Biographie S. 306 ff. heben sich hoffentlich auch
durch jene meine Abhandlung. Ans den I'uscniilluL c;xn1 und die "ganze Hecke
von Schriften ähnlicher Art," gehen auch wir hier nicht näher ein, darin nul
Ser. ganz übereinstimmend, daß Hütten deren Vf. nicht sei. Während dieses
Augsburger Aufenthaltes war Hütten kein müßiger Zuschauer des aus- und in¬
wendigen Getriebes der Fürsten, Prälaten und des Rcichstagswcsens, wie uns
noch einige Briefe bezeugen, (und wie viele mögen verkommen sein!) sondern
Pflegte auch Umgang mit manchen Freunden aus älterer und neuerer Zeit,
ließ seinen zweiten Nemo drucken und schrieb wahrscheinlich schon an der
Miiuu, gewiß aber auf das Drängen seines Freundes Strömer von
Aurbach (damals Leibarzt des Mainzer Cardinals), welcher kurz vorher des
Aeneas SrMus Büchlein vom Elend der Höflinge bei Schöffer (Juli 1517. 4.)
herausgegeben und seinen Freunden debitiert hatte, den Dialog ^uta oder
wie er ihn später nannte, nisu,ulu8, welchen er an Pückhcimcr sandte. Puck-
heimers Kritik nahm Hütten mit wahrster Bescheidenheit auf und erwiderte
sie mit bescheidenster Wahrheit in der biographisch so wichtigen I^ii8wi^ vidua;
8NÄL i^tivnem recKliMK, welche Ser. zu dem anziehendsten stellt, was aus Hut-
tens Feder gestoßen ist. Er schrieb diesen großen Brief, während er die Pein
der schweren Krankheit und zugleich einer noch viel schwereren Kur im warmen
Znnnicr zu ertragen hatte: er hätte sonst sicherlich auch Luthern, der vom
Oct. an vierzehn Tage gegen Silvester Prierias sich dort zu vertheidigen hatte,
in Augsburg persönlich und beßer kennen gelernt als er ihn kannte, oder viel¬
wehr nicht kannte, da er im Frühjahr an Neucnar schrieb.


ernstlich zu beabsiehiigen vorgab, der größere Theil der Reichsstände und der
Geistlichkeit aber, auf welche die Lasten der Kriegszurüstung und Führung
hauptsächlich gedrückt haben würden, mit Erfolg hinaus zu deliberieren suchte.
Mit allem Feuer seiner Vaterlandsliebe zeigt hier Hütten die Nothwendigkeit
dieses Krieges; aber wie mit einem Flammenschwerte fährt er auch in die
Eifersüchtelei, Ueppigkeit und Selbstsucht der Fürsten, und wie ein Würgenge!
in die Herde der Römlinge. Die schlimmsten Stellen ließ Hütten, hauptsäch¬
lich wol auf Peutingers Betrieb, aus dem ersten, dem Quartdruck der Rede
(Augsb. 1518) weg; aber das war Huttcns Sache nicht, er veranstaltete gleich
darauf im folgenden Jahr kri>not lruremu Noguutmm einen vollständigen
(Octav-) Druck, worin jene Stellen, „welche zu freimüthig gegen das römische
Wesen angehen, als daß ein schlechter Papst sie dulden könnte", an ihrem
Orte zu lesen sind. Daß Hütten nicht" der Vf. einer s. g. öl'u,t,lo äisLuasorm
<lo «lecimi» sei, die ihm von vielen zugeschricven wird, habe ich jüngst zu der
ersten vollständigen und lesbaren Ausgabe derselben gezeigt; Ser. räth auf'
Jacob Fuchs als Vf., ohne der mir gegründeter scheinenden auf Friedr.
Fischer gehenden Vermuthung Hagens zu gedenken; die Erwähnung des Crotus
und einige Zweifel unserer Biographie S. 306 ff. heben sich hoffentlich auch
durch jene meine Abhandlung. Ans den I'uscniilluL c;xn1 und die „ganze Hecke
von Schriften ähnlicher Art," gehen auch wir hier nicht näher ein, darin nul
Ser. ganz übereinstimmend, daß Hütten deren Vf. nicht sei. Während dieses
Augsburger Aufenthaltes war Hütten kein müßiger Zuschauer des aus- und in¬
wendigen Getriebes der Fürsten, Prälaten und des Rcichstagswcsens, wie uns
noch einige Briefe bezeugen, (und wie viele mögen verkommen sein!) sondern
Pflegte auch Umgang mit manchen Freunden aus älterer und neuerer Zeit,
ließ seinen zweiten Nemo drucken und schrieb wahrscheinlich schon an der
Miiuu, gewiß aber auf das Drängen seines Freundes Strömer von
Aurbach (damals Leibarzt des Mainzer Cardinals), welcher kurz vorher des
Aeneas SrMus Büchlein vom Elend der Höflinge bei Schöffer (Juli 1517. 4.)
herausgegeben und seinen Freunden debitiert hatte, den Dialog ^uta oder
wie er ihn später nannte, nisu,ulu8, welchen er an Pückhcimcr sandte. Puck-
heimers Kritik nahm Hütten mit wahrster Bescheidenheit auf und erwiderte
sie mit bescheidenster Wahrheit in der biographisch so wichtigen I^ii8wi^ vidua;
8NÄL i^tivnem recKliMK, welche Ser. zu dem anziehendsten stellt, was aus Hut-
tens Feder gestoßen ist. Er schrieb diesen großen Brief, während er die Pein
der schweren Krankheit und zugleich einer noch viel schwereren Kur im warmen
Znnnicr zu ertragen hatte: er hätte sonst sicherlich auch Luthern, der vom
Oct. an vierzehn Tage gegen Silvester Prierias sich dort zu vertheidigen hatte,
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wehr nicht kannte, da er im Frühjahr an Neucnar schrieb.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/103>, abgerufen am 29.05.2024.