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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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"einmal seinem Hertzen, das gesteckt voll Abscheu und feindlicher Gesinnung,
die er gegen des Papstes, Wiedervergeltung herausfordernde, an den Deutschen
begangene Uebelthaten, die doch er noch täglich mehr und mehr überhäufte,
einen lufft geben." Diese "lebendige Abcontrafactur des gantzen Bapstthumbß"
oder "Auffweckcr der deutschen Nation" ist nicht bloß bei Hs. Leben öfters,
mindestens 4 mal, sondern auch in Kirchmaycrs Bäpst. Reich (1560), zu
,Ehren Gustav Adolfs (1632), und leider (weil ganz nachläßig) bei Meiners
und Münch. und "zeitgemäß" verhunzt bei Schreiber und Wolff wieder ab¬
gedruckt worden, und schwerlich wird diese Klage je ganz verhallen oder ganz
abgestellt werden. Etwas dürftig erscheint neben dieser Vermahnung die zur
Instruction des Kaisers bestimmte "Anzeige, wie höflich sich allwegen die Päpste
gegen die deutschen Kaiser gehalten", von Otto I. an bis auf den Karl V.
selbst umgarnenden Leo X.; aber trotz ihrer, auch von Ser. angemerkten
historischen Verstöße fand sie ungemeinen Beifall: ich kenne außer der von
Ser. gehörig gewürdigten Sudelei Münchs ein dutzend Ausgaben derselben.
Auch die Conquestionen übersetzte nun H. ins Deutsche, wobei kleine Aende¬
rungen nicht ausbleiben konnten, aber auch zu Vor- und Nachworten nament¬
lich die Gespräche Veranlaßung boten. Daß die "Entschuldigung" nicht richtig
zwischen jenen Gesprächen und dem erquicklichen Lied von 1521 "Ich hab's
gewagt mit Sinnen", dem auch Ser. die beiden Lieder Kunz Löffels auf H.
nachschickt, gestellt werde, ist schon bemerkt. Um so freudiger nehmen wir die
Schilderung des inneren Kampfes in dem Schriftsteller H. auf, daß er nicht
als deutscher Ritter mit dem Schwert drcinschlage: in Luther zerren sich
Mönch und Theologe, wenn in ihm der Teufel gegen Christus kämpft, aber
in Luther siegte der eine Kämpfer, wenn auch die Theologen unter sich noch
streiten, welcher; H. rüstete fortwährend mit der Feder kämpfend zugleich zum
Kampfe mit dem Schwert. Darüber schrieb er auch an Luther, der jedoch keinen
ritterlichen Aberglauben in sich zu bekämpfen hatte, sondern durch das Wort
überwinden wollte, -- aber doch auch am 10. Dec. auf gut ketzermeisterisch
sein "Zum Feuer!" exequicrte. Unterdess gewann, wie Ser. in einem lieb¬
lichen Genrebildcheu ausmalt, H. vorlesend, schreibend und in traulichem Ge¬
spräch seinen Ebernburger Wirth immer entschiedener für Luthem, dessen Sache
in seuls wachsendem'Kreiß als die Christi und der Wahrheit galt. Außer
den ins Deutsche übersetzten Gesprächen erschienen nun auch lateinische Dialo^i
novi ixnPmm' t'Wtivi mit einer Dedication an den Pfalzgrafen Johann vom
13. Jan. 1521. ein satirisches, die mit der deutschen Freiheit hochmütig
hadernde, dann platzende Bulle (Blase), welcher also die Glossen nicht zu ver¬
stärkender Umhüllung gedient hatten; zwei Warner, deren erster sich von
Luthern nicht überführen laßen will, daß eine Reinigung der kirchlichen Ver¬
fassung und Lehre Noth thue, sondern als Geistlicher die bestehende Gestaltung


„einmal seinem Hertzen, das gesteckt voll Abscheu und feindlicher Gesinnung,
die er gegen des Papstes, Wiedervergeltung herausfordernde, an den Deutschen
begangene Uebelthaten, die doch er noch täglich mehr und mehr überhäufte,
einen lufft geben." Diese „lebendige Abcontrafactur des gantzen Bapstthumbß"
oder „Auffweckcr der deutschen Nation" ist nicht bloß bei Hs. Leben öfters,
mindestens 4 mal, sondern auch in Kirchmaycrs Bäpst. Reich (1560), zu
,Ehren Gustav Adolfs (1632), und leider (weil ganz nachläßig) bei Meiners
und Münch. und „zeitgemäß" verhunzt bei Schreiber und Wolff wieder ab¬
gedruckt worden, und schwerlich wird diese Klage je ganz verhallen oder ganz
abgestellt werden. Etwas dürftig erscheint neben dieser Vermahnung die zur
Instruction des Kaisers bestimmte „Anzeige, wie höflich sich allwegen die Päpste
gegen die deutschen Kaiser gehalten", von Otto I. an bis auf den Karl V.
selbst umgarnenden Leo X.; aber trotz ihrer, auch von Ser. angemerkten
historischen Verstöße fand sie ungemeinen Beifall: ich kenne außer der von
Ser. gehörig gewürdigten Sudelei Münchs ein dutzend Ausgaben derselben.
Auch die Conquestionen übersetzte nun H. ins Deutsche, wobei kleine Aende¬
rungen nicht ausbleiben konnten, aber auch zu Vor- und Nachworten nament¬
lich die Gespräche Veranlaßung boten. Daß die „Entschuldigung" nicht richtig
zwischen jenen Gesprächen und dem erquicklichen Lied von 1521 „Ich hab's
gewagt mit Sinnen", dem auch Ser. die beiden Lieder Kunz Löffels auf H.
nachschickt, gestellt werde, ist schon bemerkt. Um so freudiger nehmen wir die
Schilderung des inneren Kampfes in dem Schriftsteller H. auf, daß er nicht
als deutscher Ritter mit dem Schwert drcinschlage: in Luther zerren sich
Mönch und Theologe, wenn in ihm der Teufel gegen Christus kämpft, aber
in Luther siegte der eine Kämpfer, wenn auch die Theologen unter sich noch
streiten, welcher; H. rüstete fortwährend mit der Feder kämpfend zugleich zum
Kampfe mit dem Schwert. Darüber schrieb er auch an Luther, der jedoch keinen
ritterlichen Aberglauben in sich zu bekämpfen hatte, sondern durch das Wort
überwinden wollte, — aber doch auch am 10. Dec. auf gut ketzermeisterisch
sein „Zum Feuer!" exequicrte. Unterdess gewann, wie Ser. in einem lieb¬
lichen Genrebildcheu ausmalt, H. vorlesend, schreibend und in traulichem Ge¬
spräch seinen Ebernburger Wirth immer entschiedener für Luthem, dessen Sache
in seuls wachsendem'Kreiß als die Christi und der Wahrheit galt. Außer
den ins Deutsche übersetzten Gesprächen erschienen nun auch lateinische Dialo^i
novi ixnPmm' t'Wtivi mit einer Dedication an den Pfalzgrafen Johann vom
13. Jan. 1521. ein satirisches, die mit der deutschen Freiheit hochmütig
hadernde, dann platzende Bulle (Blase), welcher also die Glossen nicht zu ver¬
stärkender Umhüllung gedient hatten; zwei Warner, deren erster sich von
Luthern nicht überführen laßen will, daß eine Reinigung der kirchlichen Ver¬
fassung und Lehre Noth thue, sondern als Geistlicher die bestehende Gestaltung


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[0143] „einmal seinem Hertzen, das gesteckt voll Abscheu und feindlicher Gesinnung, die er gegen des Papstes, Wiedervergeltung herausfordernde, an den Deutschen begangene Uebelthaten, die doch er noch täglich mehr und mehr überhäufte, einen lufft geben." Diese „lebendige Abcontrafactur des gantzen Bapstthumbß" oder „Auffweckcr der deutschen Nation" ist nicht bloß bei Hs. Leben öfters, mindestens 4 mal, sondern auch in Kirchmaycrs Bäpst. Reich (1560), zu ,Ehren Gustav Adolfs (1632), und leider (weil ganz nachläßig) bei Meiners und Münch. und „zeitgemäß" verhunzt bei Schreiber und Wolff wieder ab¬ gedruckt worden, und schwerlich wird diese Klage je ganz verhallen oder ganz abgestellt werden. Etwas dürftig erscheint neben dieser Vermahnung die zur Instruction des Kaisers bestimmte „Anzeige, wie höflich sich allwegen die Päpste gegen die deutschen Kaiser gehalten", von Otto I. an bis auf den Karl V. selbst umgarnenden Leo X.; aber trotz ihrer, auch von Ser. angemerkten historischen Verstöße fand sie ungemeinen Beifall: ich kenne außer der von Ser. gehörig gewürdigten Sudelei Münchs ein dutzend Ausgaben derselben. Auch die Conquestionen übersetzte nun H. ins Deutsche, wobei kleine Aende¬ rungen nicht ausbleiben konnten, aber auch zu Vor- und Nachworten nament¬ lich die Gespräche Veranlaßung boten. Daß die „Entschuldigung" nicht richtig zwischen jenen Gesprächen und dem erquicklichen Lied von 1521 „Ich hab's gewagt mit Sinnen", dem auch Ser. die beiden Lieder Kunz Löffels auf H. nachschickt, gestellt werde, ist schon bemerkt. Um so freudiger nehmen wir die Schilderung des inneren Kampfes in dem Schriftsteller H. auf, daß er nicht als deutscher Ritter mit dem Schwert drcinschlage: in Luther zerren sich Mönch und Theologe, wenn in ihm der Teufel gegen Christus kämpft, aber in Luther siegte der eine Kämpfer, wenn auch die Theologen unter sich noch streiten, welcher; H. rüstete fortwährend mit der Feder kämpfend zugleich zum Kampfe mit dem Schwert. Darüber schrieb er auch an Luther, der jedoch keinen ritterlichen Aberglauben in sich zu bekämpfen hatte, sondern durch das Wort überwinden wollte, — aber doch auch am 10. Dec. auf gut ketzermeisterisch sein „Zum Feuer!" exequicrte. Unterdess gewann, wie Ser. in einem lieb¬ lichen Genrebildcheu ausmalt, H. vorlesend, schreibend und in traulichem Ge¬ spräch seinen Ebernburger Wirth immer entschiedener für Luthem, dessen Sache in seuls wachsendem'Kreiß als die Christi und der Wahrheit galt. Außer den ins Deutsche übersetzten Gesprächen erschienen nun auch lateinische Dialo^i novi ixnPmm' t'Wtivi mit einer Dedication an den Pfalzgrafen Johann vom 13. Jan. 1521. ein satirisches, die mit der deutschen Freiheit hochmütig hadernde, dann platzende Bulle (Blase), welcher also die Glossen nicht zu ver¬ stärkender Umhüllung gedient hatten; zwei Warner, deren erster sich von Luthern nicht überführen laßen will, daß eine Reinigung der kirchlichen Ver¬ fassung und Lehre Noth thue, sondern als Geistlicher die bestehende Gestaltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/143>, abgerufen am 29.05.2024.