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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Ehrgeiz vom Anschluß an die neue Monarchie etwas erwartete, Reste der
Bonapartisten, die voll von Verachtung für alle constiturionellen Ideen in der
Revolution nur eine Gelegenheit einer i'<zvq,neue xour ^Virtörloo sahen, Don->
erinnre und Gelehrte, weiche im Gegentheil den Frieden wünschten, da sie
voraushaben, baß der auswärtige Krieg ein militärisches Regiment schaffen
würde, das mit den Verfassungsformen, für deren Integrität sie gekämpft, un¬
verträglich sein würde, Industrielle, welche die gegenwärtige Ohnmacht des
Königthums als eine Abschlagszahlung annahmen -- alle diese Farben grup-
pirten sich um die neue Fahne. Louis Philipp besiegte die enormen Hinder¬
nisse, welche seinen Thron umgaben, durch seine Klugheit und den Beistand
einiger hervorragender Männer, unter denen vor allem Casimir Pürier und
Gf. Mole zu nennen sind. Diese Minister suchten nach außen die Traditionen
der alten Monarchie auch unter den neuen und schwankenden Verhältnissen zu
erhalten, indem sie den belgischen Aufstand beschützten und das Einschreiten
andrer Mächte gegen denselben Hinderren, die französischen Truppen besetzten
Ancona. aber dieselben Männer widerstanden der Versuchung. Belgien mittel¬
bar oder unmittelbar zu incorporiren und die Revolution in Italien oder
Polen zu beschützen, sie riefen im Gegentheil alle niedlichen Interessen der
Nation gegen die Kriegerischen Gelüste auf, sie nahmen alle Bedingungen der
repräsentativen Negierung an, aber suchten die Unerfahrenheit und den Unbe-
stand ihrer Anhänger durch den persönlichen Einfluß der Krone aufzuwiegen.
Es gelang ihnen, die neue Regierung zu halten und bis zu einem gewissen
Grade zu befestigen, aber die Elemente, aus denen sie standen, blieben hetero¬
gen. Sie suchten sie durch neue Institutionen zu verbinden und hierin grade
scheiterten sie. Wir wollen uur die beiden Mißgriffe hervorheben, welche uns
die nachtheiligsten Folgen für den Bestand der repräsentativen Negierung ge¬
habt zu haben scheinen, das Wahlgesetz und die Zusammensetzung der Pairs-
kammer.

Die weisen Vorschläge, welche Graf Montalivet für das neue Wahlgesetz
in seinem Bericht vom 2. Febr. 1831 entwickelte, wurden verworfen und ein
trauriges Compromiß zum Gesetz erhoben. Statt die Uebelstände der directen
Wahlen zu vermindern, vermehrte man sie, man glaubte liberal zu handeln,
indem man den Census für Wahlfühigkeit aus die Hälfte und den Wahl¬
census von 300 auf 200 Fr. herabsetzte, aber man schuf Wahlbezirke von
150 Wählern, so daß Lord Normcmby nach den besten Quellen angibt, die
Zahl der Wähler sei in Frankreich nur 140,000, also weniger als die Zahl,
durch welche ein Zehntel der englischen Parlamentsmitglieder in den volkrei¬
chen Districten gewählt wird. Nun interessiren sich aber diese Wähler nicht
einmal alle für die Wahlen, und ein wohlunterrichteter Pair gab an, daß die
Abgeordnetenkammer in Wirklichkeit von 40,000 Wählern dclegirt worden.


Ehrgeiz vom Anschluß an die neue Monarchie etwas erwartete, Reste der
Bonapartisten, die voll von Verachtung für alle constiturionellen Ideen in der
Revolution nur eine Gelegenheit einer i'<zvq,neue xour ^Virtörloo sahen, Don->
erinnre und Gelehrte, weiche im Gegentheil den Frieden wünschten, da sie
voraushaben, baß der auswärtige Krieg ein militärisches Regiment schaffen
würde, das mit den Verfassungsformen, für deren Integrität sie gekämpft, un¬
verträglich sein würde, Industrielle, welche die gegenwärtige Ohnmacht des
Königthums als eine Abschlagszahlung annahmen — alle diese Farben grup-
pirten sich um die neue Fahne. Louis Philipp besiegte die enormen Hinder¬
nisse, welche seinen Thron umgaben, durch seine Klugheit und den Beistand
einiger hervorragender Männer, unter denen vor allem Casimir Pürier und
Gf. Mole zu nennen sind. Diese Minister suchten nach außen die Traditionen
der alten Monarchie auch unter den neuen und schwankenden Verhältnissen zu
erhalten, indem sie den belgischen Aufstand beschützten und das Einschreiten
andrer Mächte gegen denselben Hinderren, die französischen Truppen besetzten
Ancona. aber dieselben Männer widerstanden der Versuchung. Belgien mittel¬
bar oder unmittelbar zu incorporiren und die Revolution in Italien oder
Polen zu beschützen, sie riefen im Gegentheil alle niedlichen Interessen der
Nation gegen die Kriegerischen Gelüste auf, sie nahmen alle Bedingungen der
repräsentativen Negierung an, aber suchten die Unerfahrenheit und den Unbe-
stand ihrer Anhänger durch den persönlichen Einfluß der Krone aufzuwiegen.
Es gelang ihnen, die neue Regierung zu halten und bis zu einem gewissen
Grade zu befestigen, aber die Elemente, aus denen sie standen, blieben hetero¬
gen. Sie suchten sie durch neue Institutionen zu verbinden und hierin grade
scheiterten sie. Wir wollen uur die beiden Mißgriffe hervorheben, welche uns
die nachtheiligsten Folgen für den Bestand der repräsentativen Negierung ge¬
habt zu haben scheinen, das Wahlgesetz und die Zusammensetzung der Pairs-
kammer.

Die weisen Vorschläge, welche Graf Montalivet für das neue Wahlgesetz
in seinem Bericht vom 2. Febr. 1831 entwickelte, wurden verworfen und ein
trauriges Compromiß zum Gesetz erhoben. Statt die Uebelstände der directen
Wahlen zu vermindern, vermehrte man sie, man glaubte liberal zu handeln,
indem man den Census für Wahlfühigkeit aus die Hälfte und den Wahl¬
census von 300 auf 200 Fr. herabsetzte, aber man schuf Wahlbezirke von
150 Wählern, so daß Lord Normcmby nach den besten Quellen angibt, die
Zahl der Wähler sei in Frankreich nur 140,000, also weniger als die Zahl,
durch welche ein Zehntel der englischen Parlamentsmitglieder in den volkrei¬
chen Districten gewählt wird. Nun interessiren sich aber diese Wähler nicht
einmal alle für die Wahlen, und ein wohlunterrichteter Pair gab an, daß die
Abgeordnetenkammer in Wirklichkeit von 40,000 Wählern dclegirt worden.


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[0186] Ehrgeiz vom Anschluß an die neue Monarchie etwas erwartete, Reste der Bonapartisten, die voll von Verachtung für alle constiturionellen Ideen in der Revolution nur eine Gelegenheit einer i'<zvq,neue xour ^Virtörloo sahen, Don-> erinnre und Gelehrte, weiche im Gegentheil den Frieden wünschten, da sie voraushaben, baß der auswärtige Krieg ein militärisches Regiment schaffen würde, das mit den Verfassungsformen, für deren Integrität sie gekämpft, un¬ verträglich sein würde, Industrielle, welche die gegenwärtige Ohnmacht des Königthums als eine Abschlagszahlung annahmen — alle diese Farben grup- pirten sich um die neue Fahne. Louis Philipp besiegte die enormen Hinder¬ nisse, welche seinen Thron umgaben, durch seine Klugheit und den Beistand einiger hervorragender Männer, unter denen vor allem Casimir Pürier und Gf. Mole zu nennen sind. Diese Minister suchten nach außen die Traditionen der alten Monarchie auch unter den neuen und schwankenden Verhältnissen zu erhalten, indem sie den belgischen Aufstand beschützten und das Einschreiten andrer Mächte gegen denselben Hinderren, die französischen Truppen besetzten Ancona. aber dieselben Männer widerstanden der Versuchung. Belgien mittel¬ bar oder unmittelbar zu incorporiren und die Revolution in Italien oder Polen zu beschützen, sie riefen im Gegentheil alle niedlichen Interessen der Nation gegen die Kriegerischen Gelüste auf, sie nahmen alle Bedingungen der repräsentativen Negierung an, aber suchten die Unerfahrenheit und den Unbe- stand ihrer Anhänger durch den persönlichen Einfluß der Krone aufzuwiegen. Es gelang ihnen, die neue Regierung zu halten und bis zu einem gewissen Grade zu befestigen, aber die Elemente, aus denen sie standen, blieben hetero¬ gen. Sie suchten sie durch neue Institutionen zu verbinden und hierin grade scheiterten sie. Wir wollen uur die beiden Mißgriffe hervorheben, welche uns die nachtheiligsten Folgen für den Bestand der repräsentativen Negierung ge¬ habt zu haben scheinen, das Wahlgesetz und die Zusammensetzung der Pairs- kammer. Die weisen Vorschläge, welche Graf Montalivet für das neue Wahlgesetz in seinem Bericht vom 2. Febr. 1831 entwickelte, wurden verworfen und ein trauriges Compromiß zum Gesetz erhoben. Statt die Uebelstände der directen Wahlen zu vermindern, vermehrte man sie, man glaubte liberal zu handeln, indem man den Census für Wahlfühigkeit aus die Hälfte und den Wahl¬ census von 300 auf 200 Fr. herabsetzte, aber man schuf Wahlbezirke von 150 Wählern, so daß Lord Normcmby nach den besten Quellen angibt, die Zahl der Wähler sei in Frankreich nur 140,000, also weniger als die Zahl, durch welche ein Zehntel der englischen Parlamentsmitglieder in den volkrei¬ chen Districten gewählt wird. Nun interessiren sich aber diese Wähler nicht einmal alle für die Wahlen, und ein wohlunterrichteter Pair gab an, daß die Abgeordnetenkammer in Wirklichkeit von 40,000 Wählern dclegirt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/186>, abgerufen am 31.05.2024.