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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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großeEifer Ernst des Frommen von Gotha bewirkte, daß sich inseinem Land diever^
lassenm Dörfer verhältnißmäßig schnell wieder mit Menschen besetzten. Im Jalir
1650 den ig. August konnte in Döllstedt das "Jubel- und Friedensfest" gefeiert
werden. Die Beschreibung desselben folgt hier, wie sie der damalige Pfarrer
Trümper im Kirchenbuch aufgezeichnet hat, der Leser wird sie nicht ohne Theil¬
nahme lesen:

Den 1". August, Morgens 4 Uhr sind wir mit unsern Adjuvcmten und
den Hausleuten von Gotha auf unsern Thurm gestiegen und haben den Mor¬
gensegen musicirt. Gegen 7 Uhr ist, wie den vorigen Tag um 1 Uhr
auch geschehen, mit allen Glocken angefangen worden zu läuten, eine ganze
Viertelstunde, halb 8 wieder so lange. Unterdeß hat sich das Volk,. Mann
und Weib, jung und alt, ohne was beim Geläute bleiben müssen, vor dem
Thor versammelt, und ist l) das Weibervolk auf einer Seite gestanden, und
vor demselben der Friede, welchen die adeligen Jungfrauen mit einem schönen
grünen seidenen Kleide und andern Zierrath ganz schön ausstafsiret, auf dem
Haupt einen schönen grünen Kranz mit eingemengten gelben Flittern und
einen grünen Zweig in der Hand habend. 2) Auf der andern Seite gegen
dem Dorfe standen die Mannspersonen, und vor denselben die Gerechtigkeit
in einem schönen weißen Hemde, einen grünen Kranz auf dem Haupte, ein
bloß Schwert und gelbe Waage in den Händen tragend. 3) Gegen das
Feld auf.dieser Seite standen die Junggesellen mit Röhren, und etliche mit
bloßen Schwertern und vor denselben der Mars, als ein Soldate gekleidet,
und eine Armbrust in den Handen tragend. 4) In der Mitte standen die
Schüler, Hausleute und Adjuvcmten neben mir, da habe ich eine Erinnerung
gethan, daß wir oft mit thräncnfließenden Augen zu unsern Thoren hätten
aufsuchen und flehen müssen, und wenn der Sturm vorüber, mit Freuden
wieder heimgegangen, ungeachtet wir alles verwüst, zerschlagen und umge¬
kehrt gefunden. Also wären wir billig itzund, dem lieben Gott zu Ehren,
vor unser Thor herausgegangen, und weil er uns durch gnädige Verleihung
des edlen lang erwünschten Friedens von dergleichen Verwüstung, Fliehen
und Flehen errettet, nun zu desselben Thoren eingehen mit Danken, und zu
seinen Vorhöfen mit Leben, wollten darauf unsere Stimme einmüthig erheben
und singen: Allein Gott in der Höh sei Ehr ze. 5) Unter Mnsiciruug dieses
Gesetzleins näherten sich der Friede und Gerechtigkeit je mehr und mehr. Auf
die Worte: "All' Fest' hat nun ein Ende," steckten die mit bloßen Schwertern
dieselben ein, die mit den Büchsen thaten einige Salven, und kehrten sie da¬
rauf auch um. Der Friede winkte denen hierzu Bestellten; die nahmen dem
Martl, weicher thäte, als wolle er sich wehren, seine Armbrust und zerbrachen
sie ihm; Fried und Gerechtigkeit traten zusammen und küsseten sich, et) Da¬
raus um'de der angefangene Gesang fortgesungen, und schickte man sich an zu


großeEifer Ernst des Frommen von Gotha bewirkte, daß sich inseinem Land diever^
lassenm Dörfer verhältnißmäßig schnell wieder mit Menschen besetzten. Im Jalir
1650 den ig. August konnte in Döllstedt das „Jubel- und Friedensfest" gefeiert
werden. Die Beschreibung desselben folgt hier, wie sie der damalige Pfarrer
Trümper im Kirchenbuch aufgezeichnet hat, der Leser wird sie nicht ohne Theil¬
nahme lesen:

Den 1». August, Morgens 4 Uhr sind wir mit unsern Adjuvcmten und
den Hausleuten von Gotha auf unsern Thurm gestiegen und haben den Mor¬
gensegen musicirt. Gegen 7 Uhr ist, wie den vorigen Tag um 1 Uhr
auch geschehen, mit allen Glocken angefangen worden zu läuten, eine ganze
Viertelstunde, halb 8 wieder so lange. Unterdeß hat sich das Volk,. Mann
und Weib, jung und alt, ohne was beim Geläute bleiben müssen, vor dem
Thor versammelt, und ist l) das Weibervolk auf einer Seite gestanden, und
vor demselben der Friede, welchen die adeligen Jungfrauen mit einem schönen
grünen seidenen Kleide und andern Zierrath ganz schön ausstafsiret, auf dem
Haupt einen schönen grünen Kranz mit eingemengten gelben Flittern und
einen grünen Zweig in der Hand habend. 2) Auf der andern Seite gegen
dem Dorfe standen die Mannspersonen, und vor denselben die Gerechtigkeit
in einem schönen weißen Hemde, einen grünen Kranz auf dem Haupte, ein
bloß Schwert und gelbe Waage in den Händen tragend. 3) Gegen das
Feld auf.dieser Seite standen die Junggesellen mit Röhren, und etliche mit
bloßen Schwertern und vor denselben der Mars, als ein Soldate gekleidet,
und eine Armbrust in den Handen tragend. 4) In der Mitte standen die
Schüler, Hausleute und Adjuvcmten neben mir, da habe ich eine Erinnerung
gethan, daß wir oft mit thräncnfließenden Augen zu unsern Thoren hätten
aufsuchen und flehen müssen, und wenn der Sturm vorüber, mit Freuden
wieder heimgegangen, ungeachtet wir alles verwüst, zerschlagen und umge¬
kehrt gefunden. Also wären wir billig itzund, dem lieben Gott zu Ehren,
vor unser Thor herausgegangen, und weil er uns durch gnädige Verleihung
des edlen lang erwünschten Friedens von dergleichen Verwüstung, Fliehen
und Flehen errettet, nun zu desselben Thoren eingehen mit Danken, und zu
seinen Vorhöfen mit Leben, wollten darauf unsere Stimme einmüthig erheben
und singen: Allein Gott in der Höh sei Ehr ze. 5) Unter Mnsiciruug dieses
Gesetzleins näherten sich der Friede und Gerechtigkeit je mehr und mehr. Auf
die Worte: „All' Fest' hat nun ein Ende," steckten die mit bloßen Schwertern
dieselben ein, die mit den Büchsen thaten einige Salven, und kehrten sie da¬
rauf auch um. Der Friede winkte denen hierzu Bestellten; die nahmen dem
Martl, weicher thäte, als wolle er sich wehren, seine Armbrust und zerbrachen
sie ihm; Fried und Gerechtigkeit traten zusammen und küsseten sich, et) Da¬
raus um'de der angefangene Gesang fortgesungen, und schickte man sich an zu


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[0026] großeEifer Ernst des Frommen von Gotha bewirkte, daß sich inseinem Land diever^ lassenm Dörfer verhältnißmäßig schnell wieder mit Menschen besetzten. Im Jalir 1650 den ig. August konnte in Döllstedt das „Jubel- und Friedensfest" gefeiert werden. Die Beschreibung desselben folgt hier, wie sie der damalige Pfarrer Trümper im Kirchenbuch aufgezeichnet hat, der Leser wird sie nicht ohne Theil¬ nahme lesen: Den 1». August, Morgens 4 Uhr sind wir mit unsern Adjuvcmten und den Hausleuten von Gotha auf unsern Thurm gestiegen und haben den Mor¬ gensegen musicirt. Gegen 7 Uhr ist, wie den vorigen Tag um 1 Uhr auch geschehen, mit allen Glocken angefangen worden zu läuten, eine ganze Viertelstunde, halb 8 wieder so lange. Unterdeß hat sich das Volk,. Mann und Weib, jung und alt, ohne was beim Geläute bleiben müssen, vor dem Thor versammelt, und ist l) das Weibervolk auf einer Seite gestanden, und vor demselben der Friede, welchen die adeligen Jungfrauen mit einem schönen grünen seidenen Kleide und andern Zierrath ganz schön ausstafsiret, auf dem Haupt einen schönen grünen Kranz mit eingemengten gelben Flittern und einen grünen Zweig in der Hand habend. 2) Auf der andern Seite gegen dem Dorfe standen die Mannspersonen, und vor denselben die Gerechtigkeit in einem schönen weißen Hemde, einen grünen Kranz auf dem Haupte, ein bloß Schwert und gelbe Waage in den Händen tragend. 3) Gegen das Feld auf.dieser Seite standen die Junggesellen mit Röhren, und etliche mit bloßen Schwertern und vor denselben der Mars, als ein Soldate gekleidet, und eine Armbrust in den Handen tragend. 4) In der Mitte standen die Schüler, Hausleute und Adjuvcmten neben mir, da habe ich eine Erinnerung gethan, daß wir oft mit thräncnfließenden Augen zu unsern Thoren hätten aufsuchen und flehen müssen, und wenn der Sturm vorüber, mit Freuden wieder heimgegangen, ungeachtet wir alles verwüst, zerschlagen und umge¬ kehrt gefunden. Also wären wir billig itzund, dem lieben Gott zu Ehren, vor unser Thor herausgegangen, und weil er uns durch gnädige Verleihung des edlen lang erwünschten Friedens von dergleichen Verwüstung, Fliehen und Flehen errettet, nun zu desselben Thoren eingehen mit Danken, und zu seinen Vorhöfen mit Leben, wollten darauf unsere Stimme einmüthig erheben und singen: Allein Gott in der Höh sei Ehr ze. 5) Unter Mnsiciruug dieses Gesetzleins näherten sich der Friede und Gerechtigkeit je mehr und mehr. Auf die Worte: „All' Fest' hat nun ein Ende," steckten die mit bloßen Schwertern dieselben ein, die mit den Büchsen thaten einige Salven, und kehrten sie da¬ rauf auch um. Der Friede winkte denen hierzu Bestellten; die nahmen dem Martl, weicher thäte, als wolle er sich wehren, seine Armbrust und zerbrachen sie ihm; Fried und Gerechtigkeit traten zusammen und küsseten sich, et) Da¬ raus um'de der angefangene Gesang fortgesungen, und schickte man sich an zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/26>, abgerufen am 15.05.2024.