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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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salto sie inzwischen das Gute bewirkt, daß gegen die Nothwendigkeit einer
Befestigung von Berlin auch die letzten Stimmen der militärischen Opposition
verstummt waren. Aber das Werk war dennoch zu groß, um sofort in An¬
griff genommen zu werden; mindestens meinte man, daß die dazu noth¬
wendigen Mittel schwer zu beschaffen sein würden , und in jenem Geiste der
halben Maßregeln, die man am meisten bei Entscheidungen über wichtige
Fragen zu fürchten hat, verzichtete man zunächst auf eine Sicherstellung des
Herzpunktes des Staats durch unmittelbare Anlagen, und beschränkte sich da¬
rauf, ein Project dafür ausarbeiten und die Kosten überschlagen zu lassen.
Inzwischen sollte Torgau eine Art von Schild gegen den Stoß des Feindes
sein, und man votirte zu dem Ende in den Kammern eine entsprechende
Summe für den Herstellungsbau des Forts Zinna.

Wie heute die Angelegenheiten stehen, ist eines gewiß, nämlich dies, daß
man eher die Befestigung von Berlin, wie die von Breslau beginnen wird.
Mit jedem Jahre rückt man vorbereitend dem Anfang des großen Unter¬
nehmens näher. Bereits ist neben den sechs bestehenden Festungsinspectionen
eine siebente, ausschließlich für Berlin bestimmte errichtet worden, der es zu¬
nächst obliegen dürste, alle über den Plan aufgestellten Ansichten genau zu
erörtern und zu erwägen, und darnach unter Mitzuziehung der höchsten mili¬
tärischen Behörden in einer Schlußconferenz zu entscheiden. Wann die Stunde
schlagen wird, wo man den ersten Spatenstich thut, ist schwer zu sagen, aber,
wie schon bemerkt, rückt sie näher und näher, und schon diese Gewißheit hat
viel Beruhigendes. Die Festung Berlin wird den Schlußstein des ganzen
großen Systems ausmachen; sie wird nicht allein, zur Südsroute des Staates,
sondern zugleich zu den beiden zuerst besprochenen, der westlichen und östlichen,
in enger Beziehung stehen, indem sie für alle drei ein gemeinsames Centrum
und die Lebensmitte des Ganzen bezeichnet. Zugleich wird dadurch ein Ge¬
danke renlisirt werden, der bis jetzt nur sein Dasein in der Theorie hatte, der
nämlich, daß der Kern eines Staates durch eine möglichst dicht gelegene
Festungsgruppe, mit inliegenden starken Centrum, zu einer nach allen Seiten
hin Front machenden Basis zu gestalten sei, die eben um deswillen allen
Kriegszwecken dienen wird. Aus keiner Stelle des Erdenrundes werden nämlich
später mehr Festungen zusammengelegen sein, wie ans dem verhältnißmäßig
schmalen Raume, den Elbe und Oder in ihrer Annäherung bezeichnen. Berlin
und Spandau machen das Centrum einer Art von Kreis aus, dessen Peripherie
durch Stettin. Küstrin, Glogau. Torgau. Wittenberg und Magdeburg bezeich¬
net wird, welche Zusammenlage von großen fortisicatorischen Mitteln noch
dadurch eine erhöhete Bedeutung gewinnt, daß fast alle diese Punkte direct
oder indirect durch Schienenwege mit der Hauptstadt verbunden sind.




salto sie inzwischen das Gute bewirkt, daß gegen die Nothwendigkeit einer
Befestigung von Berlin auch die letzten Stimmen der militärischen Opposition
verstummt waren. Aber das Werk war dennoch zu groß, um sofort in An¬
griff genommen zu werden; mindestens meinte man, daß die dazu noth¬
wendigen Mittel schwer zu beschaffen sein würden , und in jenem Geiste der
halben Maßregeln, die man am meisten bei Entscheidungen über wichtige
Fragen zu fürchten hat, verzichtete man zunächst auf eine Sicherstellung des
Herzpunktes des Staats durch unmittelbare Anlagen, und beschränkte sich da¬
rauf, ein Project dafür ausarbeiten und die Kosten überschlagen zu lassen.
Inzwischen sollte Torgau eine Art von Schild gegen den Stoß des Feindes
sein, und man votirte zu dem Ende in den Kammern eine entsprechende
Summe für den Herstellungsbau des Forts Zinna.

Wie heute die Angelegenheiten stehen, ist eines gewiß, nämlich dies, daß
man eher die Befestigung von Berlin, wie die von Breslau beginnen wird.
Mit jedem Jahre rückt man vorbereitend dem Anfang des großen Unter¬
nehmens näher. Bereits ist neben den sechs bestehenden Festungsinspectionen
eine siebente, ausschließlich für Berlin bestimmte errichtet worden, der es zu¬
nächst obliegen dürste, alle über den Plan aufgestellten Ansichten genau zu
erörtern und zu erwägen, und darnach unter Mitzuziehung der höchsten mili¬
tärischen Behörden in einer Schlußconferenz zu entscheiden. Wann die Stunde
schlagen wird, wo man den ersten Spatenstich thut, ist schwer zu sagen, aber,
wie schon bemerkt, rückt sie näher und näher, und schon diese Gewißheit hat
viel Beruhigendes. Die Festung Berlin wird den Schlußstein des ganzen
großen Systems ausmachen; sie wird nicht allein, zur Südsroute des Staates,
sondern zugleich zu den beiden zuerst besprochenen, der westlichen und östlichen,
in enger Beziehung stehen, indem sie für alle drei ein gemeinsames Centrum
und die Lebensmitte des Ganzen bezeichnet. Zugleich wird dadurch ein Ge¬
danke renlisirt werden, der bis jetzt nur sein Dasein in der Theorie hatte, der
nämlich, daß der Kern eines Staates durch eine möglichst dicht gelegene
Festungsgruppe, mit inliegenden starken Centrum, zu einer nach allen Seiten
hin Front machenden Basis zu gestalten sei, die eben um deswillen allen
Kriegszwecken dienen wird. Aus keiner Stelle des Erdenrundes werden nämlich
später mehr Festungen zusammengelegen sein, wie ans dem verhältnißmäßig
schmalen Raume, den Elbe und Oder in ihrer Annäherung bezeichnen. Berlin
und Spandau machen das Centrum einer Art von Kreis aus, dessen Peripherie
durch Stettin. Küstrin, Glogau. Torgau. Wittenberg und Magdeburg bezeich¬
net wird, welche Zusammenlage von großen fortisicatorischen Mitteln noch
dadurch eine erhöhete Bedeutung gewinnt, daß fast alle diese Punkte direct
oder indirect durch Schienenwege mit der Hauptstadt verbunden sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/277>, abgerufen am 15.05.2024.