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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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als Wohnplah für Thiere und Pflanzen; als Vermittler des Verkehrs und
als Gehilfe der Gewerbe; als künstlerisches und als poetisches Element) auf
den letzten aufmerksam zu machen, um zu zeigen, wie weit entfernt der Ver¬
fasser davon ist, die Natur mit den Augen eines bloßen Anatomen zu betrach¬
ten. "Es war manchmal sogar nicht zu vermeiden, daß bei unsern Wande¬
rungen durch das große Gebiet des Wassers eine poetische Wallung über uns
kam, denn darin liegt eben die Macht des Erhabenen, daß wir uns ihr nicht
entwinden können, und bei aller Verpflichtung, die wir haben, die Natur zu
kennen, sollen wir sie auch empfinden. Leider artet dies bei vielen leicht in
Empsindeln aus, was nur eine bleichsüchtige Naturanschauung gibt."

"Manche Aeußerungen scheinen anzudeuten, daß man den Zwiespalt zwi¬
schen dichterischer Auffassung und wissenschaftlicher Lehre aufrecht zu erhalten
wünschte oder dessen Ausgleichung mindestens sehr unbequem finde; denn was
Anderes kann dem Vorwurf zu Grunde liegen, daß die immer tiefer dringende
Naturforschung die Natur des poetischen Reizes entkleide?" Wie falsch das ist,
lehrt hauptsächlich der Hinblick auf die bildende Kunst. "Die Landschafts-
malerei hat sich immer mehr gedrungen gefühlt, in ihre" Darstellungen die
Wahrheit und Wirklichkeit der Natur ins Auge zu fassen, und manche Land¬
schaftsmaler haben den Weg glücklich gefunden, der zwischen der phantastischen
und der starr naturwissenschaftlichen Auffassung liegt." "Der einigermaßen
kunstgelünterte Geschmack verfehlt nicht, am Wolkenhimmel kritische Studien zu
machen, denn es gibt vielleicht kein Gebiet der darstellbaren Natur, auf dem
man so bestimmt lernen könnte, daß die Natur nicht überall malerisch schön
ist, daß zu einem schönen Bild mehr als blos die treue Nachahmung der
Natur gehört." "Die Wolke ist in der Hand des geistvollen Malers ein wirk¬
sames Mittel, seinen Landschaften dichterische Stimmung zu geben. Leider
aber begegnet^man nicht eben vielen Landschaften weder der altern noch der
neuern Zeit, in denen die Wolken mit dem Charakter der dargestellten Ansicht
in einem nothwendigen harmonischen Zusammenhang stehn." "Für den rei¬
senden Naturfreund haben die Wolken noch eine ganz besondere Bedeutung
durch ihre Schatten, die sie ans die Gegend werfen, mögen sie über die hoch¬
stehende Sonne wegziehn, oder diese beim Unter- oder Aufgang zwischen sich
hindurchblilzen lassen. Die Ansicht einer weiten, h-ügeligen Landschaft von
einem hohen Standpunkt ist bei voller Tagesbeleuchtung und wolken¬
losem Himmel oft leblos und gewissermaßen unverständlich, weil das volle
Licht das Relief nicht hervortreten läßt. Ziehende Wolkenschatten bringen
Verständniß und Bewegung in das Bild." -- Wie die Natur als .Kunstobject
in seiner Seele gegenwärtig ist, so möchte der Verf. in diesem Buch den bestimmten
Theil derselben, den er darstellt, künstlerisch abrunden. Er faßt den Gesammt-
eindruck zum Schluß zusammen. "Wenn der Gedanke den mächtigen Gletscher-


als Wohnplah für Thiere und Pflanzen; als Vermittler des Verkehrs und
als Gehilfe der Gewerbe; als künstlerisches und als poetisches Element) auf
den letzten aufmerksam zu machen, um zu zeigen, wie weit entfernt der Ver¬
fasser davon ist, die Natur mit den Augen eines bloßen Anatomen zu betrach¬
ten. „Es war manchmal sogar nicht zu vermeiden, daß bei unsern Wande¬
rungen durch das große Gebiet des Wassers eine poetische Wallung über uns
kam, denn darin liegt eben die Macht des Erhabenen, daß wir uns ihr nicht
entwinden können, und bei aller Verpflichtung, die wir haben, die Natur zu
kennen, sollen wir sie auch empfinden. Leider artet dies bei vielen leicht in
Empsindeln aus, was nur eine bleichsüchtige Naturanschauung gibt."

„Manche Aeußerungen scheinen anzudeuten, daß man den Zwiespalt zwi¬
schen dichterischer Auffassung und wissenschaftlicher Lehre aufrecht zu erhalten
wünschte oder dessen Ausgleichung mindestens sehr unbequem finde; denn was
Anderes kann dem Vorwurf zu Grunde liegen, daß die immer tiefer dringende
Naturforschung die Natur des poetischen Reizes entkleide?" Wie falsch das ist,
lehrt hauptsächlich der Hinblick auf die bildende Kunst. „Die Landschafts-
malerei hat sich immer mehr gedrungen gefühlt, in ihre» Darstellungen die
Wahrheit und Wirklichkeit der Natur ins Auge zu fassen, und manche Land¬
schaftsmaler haben den Weg glücklich gefunden, der zwischen der phantastischen
und der starr naturwissenschaftlichen Auffassung liegt." „Der einigermaßen
kunstgelünterte Geschmack verfehlt nicht, am Wolkenhimmel kritische Studien zu
machen, denn es gibt vielleicht kein Gebiet der darstellbaren Natur, auf dem
man so bestimmt lernen könnte, daß die Natur nicht überall malerisch schön
ist, daß zu einem schönen Bild mehr als blos die treue Nachahmung der
Natur gehört." „Die Wolke ist in der Hand des geistvollen Malers ein wirk¬
sames Mittel, seinen Landschaften dichterische Stimmung zu geben. Leider
aber begegnet^man nicht eben vielen Landschaften weder der altern noch der
neuern Zeit, in denen die Wolken mit dem Charakter der dargestellten Ansicht
in einem nothwendigen harmonischen Zusammenhang stehn." „Für den rei¬
senden Naturfreund haben die Wolken noch eine ganz besondere Bedeutung
durch ihre Schatten, die sie ans die Gegend werfen, mögen sie über die hoch¬
stehende Sonne wegziehn, oder diese beim Unter- oder Aufgang zwischen sich
hindurchblilzen lassen. Die Ansicht einer weiten, h-ügeligen Landschaft von
einem hohen Standpunkt ist bei voller Tagesbeleuchtung und wolken¬
losem Himmel oft leblos und gewissermaßen unverständlich, weil das volle
Licht das Relief nicht hervortreten läßt. Ziehende Wolkenschatten bringen
Verständniß und Bewegung in das Bild." — Wie die Natur als .Kunstobject
in seiner Seele gegenwärtig ist, so möchte der Verf. in diesem Buch den bestimmten
Theil derselben, den er darstellt, künstlerisch abrunden. Er faßt den Gesammt-
eindruck zum Schluß zusammen. „Wenn der Gedanke den mächtigen Gletscher-


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[0319] als Wohnplah für Thiere und Pflanzen; als Vermittler des Verkehrs und als Gehilfe der Gewerbe; als künstlerisches und als poetisches Element) auf den letzten aufmerksam zu machen, um zu zeigen, wie weit entfernt der Ver¬ fasser davon ist, die Natur mit den Augen eines bloßen Anatomen zu betrach¬ ten. „Es war manchmal sogar nicht zu vermeiden, daß bei unsern Wande¬ rungen durch das große Gebiet des Wassers eine poetische Wallung über uns kam, denn darin liegt eben die Macht des Erhabenen, daß wir uns ihr nicht entwinden können, und bei aller Verpflichtung, die wir haben, die Natur zu kennen, sollen wir sie auch empfinden. Leider artet dies bei vielen leicht in Empsindeln aus, was nur eine bleichsüchtige Naturanschauung gibt." „Manche Aeußerungen scheinen anzudeuten, daß man den Zwiespalt zwi¬ schen dichterischer Auffassung und wissenschaftlicher Lehre aufrecht zu erhalten wünschte oder dessen Ausgleichung mindestens sehr unbequem finde; denn was Anderes kann dem Vorwurf zu Grunde liegen, daß die immer tiefer dringende Naturforschung die Natur des poetischen Reizes entkleide?" Wie falsch das ist, lehrt hauptsächlich der Hinblick auf die bildende Kunst. „Die Landschafts- malerei hat sich immer mehr gedrungen gefühlt, in ihre» Darstellungen die Wahrheit und Wirklichkeit der Natur ins Auge zu fassen, und manche Land¬ schaftsmaler haben den Weg glücklich gefunden, der zwischen der phantastischen und der starr naturwissenschaftlichen Auffassung liegt." „Der einigermaßen kunstgelünterte Geschmack verfehlt nicht, am Wolkenhimmel kritische Studien zu machen, denn es gibt vielleicht kein Gebiet der darstellbaren Natur, auf dem man so bestimmt lernen könnte, daß die Natur nicht überall malerisch schön ist, daß zu einem schönen Bild mehr als blos die treue Nachahmung der Natur gehört." „Die Wolke ist in der Hand des geistvollen Malers ein wirk¬ sames Mittel, seinen Landschaften dichterische Stimmung zu geben. Leider aber begegnet^man nicht eben vielen Landschaften weder der altern noch der neuern Zeit, in denen die Wolken mit dem Charakter der dargestellten Ansicht in einem nothwendigen harmonischen Zusammenhang stehn." „Für den rei¬ senden Naturfreund haben die Wolken noch eine ganz besondere Bedeutung durch ihre Schatten, die sie ans die Gegend werfen, mögen sie über die hoch¬ stehende Sonne wegziehn, oder diese beim Unter- oder Aufgang zwischen sich hindurchblilzen lassen. Die Ansicht einer weiten, h-ügeligen Landschaft von einem hohen Standpunkt ist bei voller Tagesbeleuchtung und wolken¬ losem Himmel oft leblos und gewissermaßen unverständlich, weil das volle Licht das Relief nicht hervortreten läßt. Ziehende Wolkenschatten bringen Verständniß und Bewegung in das Bild." — Wie die Natur als .Kunstobject in seiner Seele gegenwärtig ist, so möchte der Verf. in diesem Buch den bestimmten Theil derselben, den er darstellt, künstlerisch abrunden. Er faßt den Gesammt- eindruck zum Schluß zusammen. „Wenn der Gedanke den mächtigen Gletscher-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/319>, abgerufen am 10.06.2024.