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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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rörpcr durchschaut bis hinunter auf seine ewig unsichtbare Bahn und man,
ohne es zu sehn und zu fühlen, doch weiß, das; der starre Riesenleib mit uns
abwärts gleitet und dabei in ewiger Verjüngung keinen Augenblick derselbe
bleibt, wenn man daran denkt, daß das Eis der unreinen Oberfläche, auf der
man steht, vor Jahrzehnten als lauteres Hochcis in stundenweiter Entfernung
in dem Kessel des Schneefeldes strahlte, -- wenn man so den Gletscher geistig
durchdringt, so erscheint uns in ihm das Wasser, der muntere Wanderer, in
den Banden einer Verzauberung. Nicht weit haben wir zu gehn, um die
Tropfen, von denen die Sonnenstrahlen den Bann lösten, als muntern Bach
zu finden, der sich von tausend Hindernissen nicht abhalten läßt, weiter, immer
weiter zu dringen, bis er, an hoher Felsenkante angekommen, in kühnem
Sprunge hinunterstürze in das Thal, daß die auf kurzem Laufe verbundenen
sich wieder in tosenden Gewimmel in der Lust entzweien, als erinnerten
sie sich der Zeit, wo sie auf hoher Alpenzinne als tanzende Flocken nieder¬
fielen. Doch unten sammeln sie sich wieder und prüfen ihre junge Kraft am
Mühlradc, das ihnen der Mensch auf ihren müßigen Weg hingestellt hat.
Und weiter geht ihr Lauf durch das blühende Thal; sie halten treu und innig
zusammen als starker Bach und plaudern unterwegs mit den Blumen am
User, denen sie von ihren Alpensehwcstern Grüße bringen. Bald aus jener,
bald aus dieser Felsenschlucht kommt ein junger Reisegenosse herzugelaufen,
und in Eins verbunden geht es vorwärts. Plötzlich sehen sich die Verbrüder¬
ten getrennt, denn der grüne Alpensee nahm den ankommenden Bach auf,
daß sich dessen Tropfen darin verlieren. Doch nein, sie erkennen einander
noch an ihrem unsaubern Reisekleid, durch das sie von den klaren Wellen des
Sees so sehr abstechen,' daß sie sich schämen und sich säubern. Die alten
Neisespuren lassen sie eilig fallen und kaum ein Viertelstündchen dauerts,, so
unterscheidet man sie kaum noch, und wo bald nachher links der sicbenfußige
Giesbach hereinschäumt, da kann man schon errathen, daß unten bei Unter¬
seen die Gäste des Sees an Lauterkeit alle Eins von ihm Abschied nehmen
werden." --

An dies ausgezeichnete Werk knüpfen sich einige leichtere Schriften von
populärem Charakter, die aber ihrer entsprechenden Form wegen auf den Bei¬
fall der Menge rechnen können- Der Kalender der Natur, mit zahlreich.er
Holzschnitten von I. Schmorr (erster Jahrgang, Stuttgart, Ad. Becher), und
das Buch der Pflanzenwelt: Botanische Reise um die Welt von Karl
Müller. Mit sechs Ansichten in Tondruck von L. Hofmann und 90 Holz¬
schnitten (Leipzig, Spamer). -- Auch einige wissenschaftliche Werke specialer
Richtung wollen wir hier wenigstens erwähnen, obgleich durch die Natur un¬
serer Blätter ein näheres Eingehn auf diesen Gegenstand ausgeschlossen ist:
Die Chemie und Industrie unserer Zeit, oder die wichtigsten chemischen


rörpcr durchschaut bis hinunter auf seine ewig unsichtbare Bahn und man,
ohne es zu sehn und zu fühlen, doch weiß, das; der starre Riesenleib mit uns
abwärts gleitet und dabei in ewiger Verjüngung keinen Augenblick derselbe
bleibt, wenn man daran denkt, daß das Eis der unreinen Oberfläche, auf der
man steht, vor Jahrzehnten als lauteres Hochcis in stundenweiter Entfernung
in dem Kessel des Schneefeldes strahlte, — wenn man so den Gletscher geistig
durchdringt, so erscheint uns in ihm das Wasser, der muntere Wanderer, in
den Banden einer Verzauberung. Nicht weit haben wir zu gehn, um die
Tropfen, von denen die Sonnenstrahlen den Bann lösten, als muntern Bach
zu finden, der sich von tausend Hindernissen nicht abhalten läßt, weiter, immer
weiter zu dringen, bis er, an hoher Felsenkante angekommen, in kühnem
Sprunge hinunterstürze in das Thal, daß die auf kurzem Laufe verbundenen
sich wieder in tosenden Gewimmel in der Lust entzweien, als erinnerten
sie sich der Zeit, wo sie auf hoher Alpenzinne als tanzende Flocken nieder¬
fielen. Doch unten sammeln sie sich wieder und prüfen ihre junge Kraft am
Mühlradc, das ihnen der Mensch auf ihren müßigen Weg hingestellt hat.
Und weiter geht ihr Lauf durch das blühende Thal; sie halten treu und innig
zusammen als starker Bach und plaudern unterwegs mit den Blumen am
User, denen sie von ihren Alpensehwcstern Grüße bringen. Bald aus jener,
bald aus dieser Felsenschlucht kommt ein junger Reisegenosse herzugelaufen,
und in Eins verbunden geht es vorwärts. Plötzlich sehen sich die Verbrüder¬
ten getrennt, denn der grüne Alpensee nahm den ankommenden Bach auf,
daß sich dessen Tropfen darin verlieren. Doch nein, sie erkennen einander
noch an ihrem unsaubern Reisekleid, durch das sie von den klaren Wellen des
Sees so sehr abstechen,' daß sie sich schämen und sich säubern. Die alten
Neisespuren lassen sie eilig fallen und kaum ein Viertelstündchen dauerts,, so
unterscheidet man sie kaum noch, und wo bald nachher links der sicbenfußige
Giesbach hereinschäumt, da kann man schon errathen, daß unten bei Unter¬
seen die Gäste des Sees an Lauterkeit alle Eins von ihm Abschied nehmen
werden." —

An dies ausgezeichnete Werk knüpfen sich einige leichtere Schriften von
populärem Charakter, die aber ihrer entsprechenden Form wegen auf den Bei¬
fall der Menge rechnen können- Der Kalender der Natur, mit zahlreich.er
Holzschnitten von I. Schmorr (erster Jahrgang, Stuttgart, Ad. Becher), und
das Buch der Pflanzenwelt: Botanische Reise um die Welt von Karl
Müller. Mit sechs Ansichten in Tondruck von L. Hofmann und 90 Holz¬
schnitten (Leipzig, Spamer). — Auch einige wissenschaftliche Werke specialer
Richtung wollen wir hier wenigstens erwähnen, obgleich durch die Natur un¬
serer Blätter ein näheres Eingehn auf diesen Gegenstand ausgeschlossen ist:
Die Chemie und Industrie unserer Zeit, oder die wichtigsten chemischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/320>, abgerufen am 15.05.2024.