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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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im Haß gegen den gemeinschaftlichen Gegner der Liberalismus mit dein Bo-
napartismus verband, daß die Freunde der Freiheit, ja selbst die Republi¬
kaner, sich mit der Popularität des Namens Napoleon deckten, der doch wahr¬
lich nicht als das Sinnbild ihrer Sache gelten konnte. Man vergaß die
Unterdrückung, in welcher Frankreich während des Kaiserreichs geschmachtet
hatte, und feierte in Napoleon den Helden der Nation. Schon damals wurde
Marmont wegen seines Verhaltens während der hundert Tage als Verräther
gebrandmarkt, und der Kaiser sorgte noch von Se. Helena aus dafür, daß
diese Auffassung sich bei seinen Getreuen immer fester stellte. Nun folgte die
Julirevolution, und Marmont. der die Vertheidigung der Hauptstadt zu leiten
hatte, verllZr, man kann es nicht, leugnen, ebenso den Kopf wie die gesammte
Restauration. Bei den Franzosen verhaßt, weil er das Blut des Volks ver¬
gossen hatte, von den Bourbons nicht geachtet, weil er auch diesmal unglück¬
lich gewesen war, folgte er ihnen zum zweiten Mal ins Exil, aus dem er
nicht wieder zurückkehren sollte. Noch bis an seinen Tod 1352 eure schöne,
stattliche Erscheinung, ein heiterer, lebensfroher Greis, entbehrte er doch, wie
alle Franzosen in der Fremde, mit tiefem Unmuth das Vaterland, und der
schlimme Ruf, der ihm auch in die Verbannung folgte, trug nicht dazu bei,
die Stimmung gegen seinen früheren Herrn versöhnlicher zu machen. So ist
in seiner Darstellung Napoleons eine gewisse Bitterkeit nicht abzuleugnen.
aber man thut ihm schreiendes Unrecht, wenn man ihn der Verleumdung
zeiht. Obgleich wiederholt schwer von ihm gekränkt, hebt er doch die glän¬
zenden Seiten seines Wesens sehr anschaulich hervor, und wenn er ebenso
stark darauf hinweist, daß er selber die Ursache seines Falls war. so wird
ihm die unbefangene Geschichte Recht geben. Folgen wir ihm znerst in das
Gemälde der italienischen Feldzüge.

Vom Augenblick an. wo Bonaparte an die Spitze der- Armee trat, hatte
er in seiner Person eine Autorität, die aller Welt imponirte. Obgleich ihm
eine gewisse natürliche Würde abging (Marmont ist gechorner Edelmann) und
er selbst linkisch war in Haltung und Geberden, lag doch der Gebieter in
seiner- Attitüde, in seinem Blick, in seiner Art zu sprechen, und jeder fühlte
das und fand sich bewogen, ihm zu gehorchen. Im Oeffentlichen vernach¬
lässigte er nichts, um dieses Wesen aufrecht zu erhalten, aber zu Hause, in¬
mitten der Personen seines Stabs, entwickelte er große Ungezwungenheit und
eine Bonhomie, die bis zur gemüthlichen Familiarität ging. Er liebte zu
scherzen und seine Scherze hatten nie etwas Bitteres, sie waren gutmüthig
und von gutem Geschmack. Es geschah oft, daß er sich in unsere Spiele
mischte, und sein Beispiel hat mehr als einmal die ernsten östreichischen Be¬
vollmächtigten mit ins Spiel gerissen. Bonaparte arbeitete leicht, seine Senn-"
den waren nicht geregelt; er war immer zugänglich mitten in der Ruhe:


im Haß gegen den gemeinschaftlichen Gegner der Liberalismus mit dein Bo-
napartismus verband, daß die Freunde der Freiheit, ja selbst die Republi¬
kaner, sich mit der Popularität des Namens Napoleon deckten, der doch wahr¬
lich nicht als das Sinnbild ihrer Sache gelten konnte. Man vergaß die
Unterdrückung, in welcher Frankreich während des Kaiserreichs geschmachtet
hatte, und feierte in Napoleon den Helden der Nation. Schon damals wurde
Marmont wegen seines Verhaltens während der hundert Tage als Verräther
gebrandmarkt, und der Kaiser sorgte noch von Se. Helena aus dafür, daß
diese Auffassung sich bei seinen Getreuen immer fester stellte. Nun folgte die
Julirevolution, und Marmont. der die Vertheidigung der Hauptstadt zu leiten
hatte, verllZr, man kann es nicht, leugnen, ebenso den Kopf wie die gesammte
Restauration. Bei den Franzosen verhaßt, weil er das Blut des Volks ver¬
gossen hatte, von den Bourbons nicht geachtet, weil er auch diesmal unglück¬
lich gewesen war, folgte er ihnen zum zweiten Mal ins Exil, aus dem er
nicht wieder zurückkehren sollte. Noch bis an seinen Tod 1352 eure schöne,
stattliche Erscheinung, ein heiterer, lebensfroher Greis, entbehrte er doch, wie
alle Franzosen in der Fremde, mit tiefem Unmuth das Vaterland, und der
schlimme Ruf, der ihm auch in die Verbannung folgte, trug nicht dazu bei,
die Stimmung gegen seinen früheren Herrn versöhnlicher zu machen. So ist
in seiner Darstellung Napoleons eine gewisse Bitterkeit nicht abzuleugnen.
aber man thut ihm schreiendes Unrecht, wenn man ihn der Verleumdung
zeiht. Obgleich wiederholt schwer von ihm gekränkt, hebt er doch die glän¬
zenden Seiten seines Wesens sehr anschaulich hervor, und wenn er ebenso
stark darauf hinweist, daß er selber die Ursache seines Falls war. so wird
ihm die unbefangene Geschichte Recht geben. Folgen wir ihm znerst in das
Gemälde der italienischen Feldzüge.

Vom Augenblick an. wo Bonaparte an die Spitze der- Armee trat, hatte
er in seiner Person eine Autorität, die aller Welt imponirte. Obgleich ihm
eine gewisse natürliche Würde abging (Marmont ist gechorner Edelmann) und
er selbst linkisch war in Haltung und Geberden, lag doch der Gebieter in
seiner- Attitüde, in seinem Blick, in seiner Art zu sprechen, und jeder fühlte
das und fand sich bewogen, ihm zu gehorchen. Im Oeffentlichen vernach¬
lässigte er nichts, um dieses Wesen aufrecht zu erhalten, aber zu Hause, in¬
mitten der Personen seines Stabs, entwickelte er große Ungezwungenheit und
eine Bonhomie, die bis zur gemüthlichen Familiarität ging. Er liebte zu
scherzen und seine Scherze hatten nie etwas Bitteres, sie waren gutmüthig
und von gutem Geschmack. Es geschah oft, daß er sich in unsere Spiele
mischte, und sein Beispiel hat mehr als einmal die ernsten östreichischen Be¬
vollmächtigten mit ins Spiel gerissen. Bonaparte arbeitete leicht, seine Senn-»
den waren nicht geregelt; er war immer zugänglich mitten in der Ruhe:


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[0330] im Haß gegen den gemeinschaftlichen Gegner der Liberalismus mit dein Bo- napartismus verband, daß die Freunde der Freiheit, ja selbst die Republi¬ kaner, sich mit der Popularität des Namens Napoleon deckten, der doch wahr¬ lich nicht als das Sinnbild ihrer Sache gelten konnte. Man vergaß die Unterdrückung, in welcher Frankreich während des Kaiserreichs geschmachtet hatte, und feierte in Napoleon den Helden der Nation. Schon damals wurde Marmont wegen seines Verhaltens während der hundert Tage als Verräther gebrandmarkt, und der Kaiser sorgte noch von Se. Helena aus dafür, daß diese Auffassung sich bei seinen Getreuen immer fester stellte. Nun folgte die Julirevolution, und Marmont. der die Vertheidigung der Hauptstadt zu leiten hatte, verllZr, man kann es nicht, leugnen, ebenso den Kopf wie die gesammte Restauration. Bei den Franzosen verhaßt, weil er das Blut des Volks ver¬ gossen hatte, von den Bourbons nicht geachtet, weil er auch diesmal unglück¬ lich gewesen war, folgte er ihnen zum zweiten Mal ins Exil, aus dem er nicht wieder zurückkehren sollte. Noch bis an seinen Tod 1352 eure schöne, stattliche Erscheinung, ein heiterer, lebensfroher Greis, entbehrte er doch, wie alle Franzosen in der Fremde, mit tiefem Unmuth das Vaterland, und der schlimme Ruf, der ihm auch in die Verbannung folgte, trug nicht dazu bei, die Stimmung gegen seinen früheren Herrn versöhnlicher zu machen. So ist in seiner Darstellung Napoleons eine gewisse Bitterkeit nicht abzuleugnen. aber man thut ihm schreiendes Unrecht, wenn man ihn der Verleumdung zeiht. Obgleich wiederholt schwer von ihm gekränkt, hebt er doch die glän¬ zenden Seiten seines Wesens sehr anschaulich hervor, und wenn er ebenso stark darauf hinweist, daß er selber die Ursache seines Falls war. so wird ihm die unbefangene Geschichte Recht geben. Folgen wir ihm znerst in das Gemälde der italienischen Feldzüge. Vom Augenblick an. wo Bonaparte an die Spitze der- Armee trat, hatte er in seiner Person eine Autorität, die aller Welt imponirte. Obgleich ihm eine gewisse natürliche Würde abging (Marmont ist gechorner Edelmann) und er selbst linkisch war in Haltung und Geberden, lag doch der Gebieter in seiner- Attitüde, in seinem Blick, in seiner Art zu sprechen, und jeder fühlte das und fand sich bewogen, ihm zu gehorchen. Im Oeffentlichen vernach¬ lässigte er nichts, um dieses Wesen aufrecht zu erhalten, aber zu Hause, in¬ mitten der Personen seines Stabs, entwickelte er große Ungezwungenheit und eine Bonhomie, die bis zur gemüthlichen Familiarität ging. Er liebte zu scherzen und seine Scherze hatten nie etwas Bitteres, sie waren gutmüthig und von gutem Geschmack. Es geschah oft, daß er sich in unsere Spiele mischte, und sein Beispiel hat mehr als einmal die ernsten östreichischen Be¬ vollmächtigten mit ins Spiel gerissen. Bonaparte arbeitete leicht, seine Senn-» den waren nicht geregelt; er war immer zugänglich mitten in der Ruhe:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/330>, abgerufen am 14.05.2024.