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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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sich bald durch rasche, energische, wohl vorbereitete Schläge fühlbar. Josephus
ward in die durch Natur und Kunst außerordentlich starke Festung Jotapata
eingeschlossen. An der Spitze einer zum Aeußersten entschlossenen Besatzung
konnte er weder an Uebergabe noch an Desertion denken, er sah sich gezwungen,
die heroische Vertheidigung zu leiten. Er that es mit großer Energie. Um¬
sicht und Kühnheit. Zoll für Zoll sieben Wochen lang vertheidigt, fiel die
Festung endlich. Vierzigtausend Juden kamen bei der Belagerung und im Sturm
ums Leben; Gefangene machten die Römer nur zwölfhundert, Weiber und
unmündige Kinder. Josephus war es "unter göttlichem Beistande" gelungen,
durch einen unterirdischen Gang mit 40 angesehenen Männern in eine tiefe
Cisterne zu entschlüpfen. Sie hatten Lebensmittel auf mehre Tage, aber
die Römer hatten alle Ausgänge besetzt und Flucht war unmöglich. Vespasian
ließ Josephus mit dem Versprechen ihn zu schonen, zur Uebergehung auffor¬
dern. Ohne Zweifel bedürfte Josephus zu. dem Entschluß, sich auf Kosten sei¬
ner Gefährten zu retten, keiner Ueberlegung. doch versichert er durch die Erinne¬
rung an gewisse vorbedeutcnde Träume dazu bewogen worden zu sein, und in
einem Gebet Jehovah zum Zeugen angerufen zu haben, daß er diesen Schritt nicht
als Verräther, sondern als sein Diener thue! Die vierzig, sobald sie seine Ab¬
sicht argwöhnten, drohten ihm den Tod. Aber auch aus dieser verzweifelten
Lage rettete ihn seine Geistesgegenwart und die Rücksichtslosigkeit in der
Wahl seiner Mittel, wo es sich um sein eigenes Heil handelte. Die schauder¬
volle Scene, deren Schauplatz jetzt die düstere unterirdische Höhle ward, wollen
wir in seiner eigenen Erzählung geben.

"Auch in dieser verzweifelten Lage verließ den Josephus seine Besonnen¬
heit nicht, sondern er setzte im Vertrauen auf Gottes Fürsorge sein Leben aufs
Spiel. Er sprach: .."da der Entschluß zu sterben feststeht, so wollen wir dem
Loose überlassen, wer jedesmal den andern niederstoßen soll; der durch das
Loos Bezeichnete falle durch die Hand des nach ihm Getroffenen; so wird das
Todesloos alle der Reihe nach treffen, ohne daß der Einzelne auf seine eigne
Faust angewiesen ist. und es wäre doch Unrecht, wenn, nachdem die andern
dahinsind, einer es sich reuen ließe und sein Leben rettete."" (!) Durch diesen
Vorschlag gewann er sich wieder das Zutrauen, und nachdem er die andern
überredet, koofte auch er mjt. Jeder durch das Loos Getroffene ließ sich
willig von seinem Nachfolger hinschlachten, da ja gleich darauf auch der Feld¬
herr sterben sollte, denn der Tod mit Josephus däuchte ihnen besser als das
Leben. Uebrig blieb aber Josephus. sage man nun durch glückliches Ungefähr
oder durch göttliche Vorsehung (!) mit noch einem andern, und da er weder
vom Loose getroffen werden, noch wenn er als der letzte übrig geblieben
wäre, seine Hand mit dem Blute eines Landsmanns beflecken wollte, über¬
redete er auch jenen sich den Römern zu ergeben, und sich das Leben zu erhalten."


sich bald durch rasche, energische, wohl vorbereitete Schläge fühlbar. Josephus
ward in die durch Natur und Kunst außerordentlich starke Festung Jotapata
eingeschlossen. An der Spitze einer zum Aeußersten entschlossenen Besatzung
konnte er weder an Uebergabe noch an Desertion denken, er sah sich gezwungen,
die heroische Vertheidigung zu leiten. Er that es mit großer Energie. Um¬
sicht und Kühnheit. Zoll für Zoll sieben Wochen lang vertheidigt, fiel die
Festung endlich. Vierzigtausend Juden kamen bei der Belagerung und im Sturm
ums Leben; Gefangene machten die Römer nur zwölfhundert, Weiber und
unmündige Kinder. Josephus war es „unter göttlichem Beistande" gelungen,
durch einen unterirdischen Gang mit 40 angesehenen Männern in eine tiefe
Cisterne zu entschlüpfen. Sie hatten Lebensmittel auf mehre Tage, aber
die Römer hatten alle Ausgänge besetzt und Flucht war unmöglich. Vespasian
ließ Josephus mit dem Versprechen ihn zu schonen, zur Uebergehung auffor¬
dern. Ohne Zweifel bedürfte Josephus zu. dem Entschluß, sich auf Kosten sei¬
ner Gefährten zu retten, keiner Ueberlegung. doch versichert er durch die Erinne¬
rung an gewisse vorbedeutcnde Träume dazu bewogen worden zu sein, und in
einem Gebet Jehovah zum Zeugen angerufen zu haben, daß er diesen Schritt nicht
als Verräther, sondern als sein Diener thue! Die vierzig, sobald sie seine Ab¬
sicht argwöhnten, drohten ihm den Tod. Aber auch aus dieser verzweifelten
Lage rettete ihn seine Geistesgegenwart und die Rücksichtslosigkeit in der
Wahl seiner Mittel, wo es sich um sein eigenes Heil handelte. Die schauder¬
volle Scene, deren Schauplatz jetzt die düstere unterirdische Höhle ward, wollen
wir in seiner eigenen Erzählung geben.

„Auch in dieser verzweifelten Lage verließ den Josephus seine Besonnen¬
heit nicht, sondern er setzte im Vertrauen auf Gottes Fürsorge sein Leben aufs
Spiel. Er sprach: ..„da der Entschluß zu sterben feststeht, so wollen wir dem
Loose überlassen, wer jedesmal den andern niederstoßen soll; der durch das
Loos Bezeichnete falle durch die Hand des nach ihm Getroffenen; so wird das
Todesloos alle der Reihe nach treffen, ohne daß der Einzelne auf seine eigne
Faust angewiesen ist. und es wäre doch Unrecht, wenn, nachdem die andern
dahinsind, einer es sich reuen ließe und sein Leben rettete."" (!) Durch diesen
Vorschlag gewann er sich wieder das Zutrauen, und nachdem er die andern
überredet, koofte auch er mjt. Jeder durch das Loos Getroffene ließ sich
willig von seinem Nachfolger hinschlachten, da ja gleich darauf auch der Feld¬
herr sterben sollte, denn der Tod mit Josephus däuchte ihnen besser als das
Leben. Uebrig blieb aber Josephus. sage man nun durch glückliches Ungefähr
oder durch göttliche Vorsehung (!) mit noch einem andern, und da er weder
vom Loose getroffen werden, noch wenn er als der letzte übrig geblieben
wäre, seine Hand mit dem Blute eines Landsmanns beflecken wollte, über¬
redete er auch jenen sich den Römern zu ergeben, und sich das Leben zu erhalten."


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[0344] sich bald durch rasche, energische, wohl vorbereitete Schläge fühlbar. Josephus ward in die durch Natur und Kunst außerordentlich starke Festung Jotapata eingeschlossen. An der Spitze einer zum Aeußersten entschlossenen Besatzung konnte er weder an Uebergabe noch an Desertion denken, er sah sich gezwungen, die heroische Vertheidigung zu leiten. Er that es mit großer Energie. Um¬ sicht und Kühnheit. Zoll für Zoll sieben Wochen lang vertheidigt, fiel die Festung endlich. Vierzigtausend Juden kamen bei der Belagerung und im Sturm ums Leben; Gefangene machten die Römer nur zwölfhundert, Weiber und unmündige Kinder. Josephus war es „unter göttlichem Beistande" gelungen, durch einen unterirdischen Gang mit 40 angesehenen Männern in eine tiefe Cisterne zu entschlüpfen. Sie hatten Lebensmittel auf mehre Tage, aber die Römer hatten alle Ausgänge besetzt und Flucht war unmöglich. Vespasian ließ Josephus mit dem Versprechen ihn zu schonen, zur Uebergehung auffor¬ dern. Ohne Zweifel bedürfte Josephus zu. dem Entschluß, sich auf Kosten sei¬ ner Gefährten zu retten, keiner Ueberlegung. doch versichert er durch die Erinne¬ rung an gewisse vorbedeutcnde Träume dazu bewogen worden zu sein, und in einem Gebet Jehovah zum Zeugen angerufen zu haben, daß er diesen Schritt nicht als Verräther, sondern als sein Diener thue! Die vierzig, sobald sie seine Ab¬ sicht argwöhnten, drohten ihm den Tod. Aber auch aus dieser verzweifelten Lage rettete ihn seine Geistesgegenwart und die Rücksichtslosigkeit in der Wahl seiner Mittel, wo es sich um sein eigenes Heil handelte. Die schauder¬ volle Scene, deren Schauplatz jetzt die düstere unterirdische Höhle ward, wollen wir in seiner eigenen Erzählung geben. „Auch in dieser verzweifelten Lage verließ den Josephus seine Besonnen¬ heit nicht, sondern er setzte im Vertrauen auf Gottes Fürsorge sein Leben aufs Spiel. Er sprach: ..„da der Entschluß zu sterben feststeht, so wollen wir dem Loose überlassen, wer jedesmal den andern niederstoßen soll; der durch das Loos Bezeichnete falle durch die Hand des nach ihm Getroffenen; so wird das Todesloos alle der Reihe nach treffen, ohne daß der Einzelne auf seine eigne Faust angewiesen ist. und es wäre doch Unrecht, wenn, nachdem die andern dahinsind, einer es sich reuen ließe und sein Leben rettete."" (!) Durch diesen Vorschlag gewann er sich wieder das Zutrauen, und nachdem er die andern überredet, koofte auch er mjt. Jeder durch das Loos Getroffene ließ sich willig von seinem Nachfolger hinschlachten, da ja gleich darauf auch der Feld¬ herr sterben sollte, denn der Tod mit Josephus däuchte ihnen besser als das Leben. Uebrig blieb aber Josephus. sage man nun durch glückliches Ungefähr oder durch göttliche Vorsehung (!) mit noch einem andern, und da er weder vom Loose getroffen werden, noch wenn er als der letzte übrig geblieben wäre, seine Hand mit dem Blute eines Landsmanns beflecken wollte, über¬ redete er auch jenen sich den Römern zu ergeben, und sich das Leben zu erhalten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/344>, abgerufen am 29.05.2024.