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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Zuerst also wird das Schiff, und die Reise betrachtet: das Schiff, ob es alt oder
neu sei, welcher flagge es angehöre, welcher Capitän es fahre, wie es be-
munut sei; die Reise, welcher Cours eingeschlagen werden müsse, welche Gegen¬
den es berühre, zu welcher Jahreszeit es fahre. Zur Controle des Schiffs
dienen nun außer den bekannten Erfahrungen über die Eigenthümlichkeiten
bestmunter Kapitäne und bestimmter im Seeverkehr vorkommender Nationen
große, in allen Häfen verbreitete Register über alle bekannten Schiffe aller
Nationen. Merkwürdigerweise hat sich das Register des englischen Lloyd
durch das der französischen Veritas völlig den Rang ablaufen lassen. Die
Veritas zeichnet sich durch sorgfältige Classificirung jedes einzelnen Schiffs
nach Bauart, Alter. Tragfähigkeit, vorgenommenen Reparaturen, Bestimmungen
für größere oder'kleinere Reise" u. s. w. aus, und bildet daher für jeden
Verhinderer ein fast unentbehrliches Hilfsbuch. Die Kenntniß aller der an¬
geführten Umstände gewinnt die Veritas nach dem Muster des Lloyd durch
Anstellung von Beamten und Korrespondenten in allen größern Hasen der
Erde, namentlich da, wo der Schiffbau besonders slorirt. Jedes Schiff wird
während des Baues und der Reparaturen von diesen Angestellten, meistentheils
erfahrenen Eapitäncn, überwacht und dem Erbauer auf Verlangen ein Zeugniß
darüber ausgestellt. Je nach dem Bericht des Angestellten wird nun das
Schiff classificirt. Die Erbauer dagegen unterwerfen sich gern einer solchen
Controle und den damit verbundenen Kosten, weil sie sonst in die Register
nicht aufgenommen werden, el" llmstand, der Befrachter u"d Verhinderer natür¬
lich gegen das betreffende Schiff mißtranisch machen würde. Die ganze Ein¬
richtung ist eine der interessantesten Veranstaltungen einer ungemein ausge¬
dehnten, ausschließlich auf Privatmitteln beruhenden Controle, deren Aus-
büung eben durch das Herbeiziehen des Privatinteresses möglich wird. Lloyds
Register und das der Veritas erscheinen zu Anfang eines jeden Jahrs.

Für die Berechnung der Gefahren einer Reise dienen die sogenannte"
Tabellen für Assecuranzprämicn, wie sie im Lauf des Jahres öfter an Assecuranz-
plätzen erscheinen. Ohne Dringende Noth darf kein Schiff von der fest¬
gesetzten Reise und dem üblichen Course abweichen, soll es nicht das Anrecht
auf den Schadenersatz durch deu Verhinderer verlieren. Denn selbst wenn ein
Schiff, das freiwillig seinen Cours verlassen, wieder auf denselben zurückkommt,
so könnte durch die veränderte Jahreszeit oder durch andere Umstände die
durch den Verhinderer übernommene Gefahr, unter allen Verhältnissen aber
die Zeitdauer derselben vergrößert werden. Anders natürlich ist es beim Zwang
durch Wetter und Kriegsereignisse.

Nächstdem hat der Verhinderer die Ladung anzusehen, nicht blos nach
ihrem Werth, sondern nach ihrem Einfluß auf das Schiff und die Reise. Es
ist an und für sich keineswegs erforderlich. wie es auch in den "leisten Füllen nicht


Zuerst also wird das Schiff, und die Reise betrachtet: das Schiff, ob es alt oder
neu sei, welcher flagge es angehöre, welcher Capitän es fahre, wie es be-
munut sei; die Reise, welcher Cours eingeschlagen werden müsse, welche Gegen¬
den es berühre, zu welcher Jahreszeit es fahre. Zur Controle des Schiffs
dienen nun außer den bekannten Erfahrungen über die Eigenthümlichkeiten
bestmunter Kapitäne und bestimmter im Seeverkehr vorkommender Nationen
große, in allen Häfen verbreitete Register über alle bekannten Schiffe aller
Nationen. Merkwürdigerweise hat sich das Register des englischen Lloyd
durch das der französischen Veritas völlig den Rang ablaufen lassen. Die
Veritas zeichnet sich durch sorgfältige Classificirung jedes einzelnen Schiffs
nach Bauart, Alter. Tragfähigkeit, vorgenommenen Reparaturen, Bestimmungen
für größere oder'kleinere Reise» u. s. w. aus, und bildet daher für jeden
Verhinderer ein fast unentbehrliches Hilfsbuch. Die Kenntniß aller der an¬
geführten Umstände gewinnt die Veritas nach dem Muster des Lloyd durch
Anstellung von Beamten und Korrespondenten in allen größern Hasen der
Erde, namentlich da, wo der Schiffbau besonders slorirt. Jedes Schiff wird
während des Baues und der Reparaturen von diesen Angestellten, meistentheils
erfahrenen Eapitäncn, überwacht und dem Erbauer auf Verlangen ein Zeugniß
darüber ausgestellt. Je nach dem Bericht des Angestellten wird nun das
Schiff classificirt. Die Erbauer dagegen unterwerfen sich gern einer solchen
Controle und den damit verbundenen Kosten, weil sie sonst in die Register
nicht aufgenommen werden, el» llmstand, der Befrachter u»d Verhinderer natür¬
lich gegen das betreffende Schiff mißtranisch machen würde. Die ganze Ein¬
richtung ist eine der interessantesten Veranstaltungen einer ungemein ausge¬
dehnten, ausschließlich auf Privatmitteln beruhenden Controle, deren Aus-
büung eben durch das Herbeiziehen des Privatinteresses möglich wird. Lloyds
Register und das der Veritas erscheinen zu Anfang eines jeden Jahrs.

Für die Berechnung der Gefahren einer Reise dienen die sogenannte»
Tabellen für Assecuranzprämicn, wie sie im Lauf des Jahres öfter an Assecuranz-
plätzen erscheinen. Ohne Dringende Noth darf kein Schiff von der fest¬
gesetzten Reise und dem üblichen Course abweichen, soll es nicht das Anrecht
auf den Schadenersatz durch deu Verhinderer verlieren. Denn selbst wenn ein
Schiff, das freiwillig seinen Cours verlassen, wieder auf denselben zurückkommt,
so könnte durch die veränderte Jahreszeit oder durch andere Umstände die
durch den Verhinderer übernommene Gefahr, unter allen Verhältnissen aber
die Zeitdauer derselben vergrößert werden. Anders natürlich ist es beim Zwang
durch Wetter und Kriegsereignisse.

Nächstdem hat der Verhinderer die Ladung anzusehen, nicht blos nach
ihrem Werth, sondern nach ihrem Einfluß auf das Schiff und die Reise. Es
ist an und für sich keineswegs erforderlich. wie es auch in den »leisten Füllen nicht


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[0386] Zuerst also wird das Schiff, und die Reise betrachtet: das Schiff, ob es alt oder neu sei, welcher flagge es angehöre, welcher Capitän es fahre, wie es be- munut sei; die Reise, welcher Cours eingeschlagen werden müsse, welche Gegen¬ den es berühre, zu welcher Jahreszeit es fahre. Zur Controle des Schiffs dienen nun außer den bekannten Erfahrungen über die Eigenthümlichkeiten bestmunter Kapitäne und bestimmter im Seeverkehr vorkommender Nationen große, in allen Häfen verbreitete Register über alle bekannten Schiffe aller Nationen. Merkwürdigerweise hat sich das Register des englischen Lloyd durch das der französischen Veritas völlig den Rang ablaufen lassen. Die Veritas zeichnet sich durch sorgfältige Classificirung jedes einzelnen Schiffs nach Bauart, Alter. Tragfähigkeit, vorgenommenen Reparaturen, Bestimmungen für größere oder'kleinere Reise» u. s. w. aus, und bildet daher für jeden Verhinderer ein fast unentbehrliches Hilfsbuch. Die Kenntniß aller der an¬ geführten Umstände gewinnt die Veritas nach dem Muster des Lloyd durch Anstellung von Beamten und Korrespondenten in allen größern Hasen der Erde, namentlich da, wo der Schiffbau besonders slorirt. Jedes Schiff wird während des Baues und der Reparaturen von diesen Angestellten, meistentheils erfahrenen Eapitäncn, überwacht und dem Erbauer auf Verlangen ein Zeugniß darüber ausgestellt. Je nach dem Bericht des Angestellten wird nun das Schiff classificirt. Die Erbauer dagegen unterwerfen sich gern einer solchen Controle und den damit verbundenen Kosten, weil sie sonst in die Register nicht aufgenommen werden, el» llmstand, der Befrachter u»d Verhinderer natür¬ lich gegen das betreffende Schiff mißtranisch machen würde. Die ganze Ein¬ richtung ist eine der interessantesten Veranstaltungen einer ungemein ausge¬ dehnten, ausschließlich auf Privatmitteln beruhenden Controle, deren Aus- büung eben durch das Herbeiziehen des Privatinteresses möglich wird. Lloyds Register und das der Veritas erscheinen zu Anfang eines jeden Jahrs. Für die Berechnung der Gefahren einer Reise dienen die sogenannte» Tabellen für Assecuranzprämicn, wie sie im Lauf des Jahres öfter an Assecuranz- plätzen erscheinen. Ohne Dringende Noth darf kein Schiff von der fest¬ gesetzten Reise und dem üblichen Course abweichen, soll es nicht das Anrecht auf den Schadenersatz durch deu Verhinderer verlieren. Denn selbst wenn ein Schiff, das freiwillig seinen Cours verlassen, wieder auf denselben zurückkommt, so könnte durch die veränderte Jahreszeit oder durch andere Umstände die durch den Verhinderer übernommene Gefahr, unter allen Verhältnissen aber die Zeitdauer derselben vergrößert werden. Anders natürlich ist es beim Zwang durch Wetter und Kriegsereignisse. Nächstdem hat der Verhinderer die Ladung anzusehen, nicht blos nach ihrem Werth, sondern nach ihrem Einfluß auf das Schiff und die Reise. Es ist an und für sich keineswegs erforderlich. wie es auch in den »leisten Füllen nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/386>, abgerufen am 29.05.2024.