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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Heere befehligt, und stand als entschlossener, vielerfcihrner Feldhauptmann in
allgemeinem Ansehn. Zu Götz ist er ein interessantes Gegenbild. Jener
der adlige Reiter, dieser der bürgerliche Landsknechtsührer, Götz der gemüth¬
liche Speergesell, Schärtlin der praktische Geschäftsmann. Beide haben ein
Leben voll von Abenteuern und nicht frei von unverantwortlichen Thaten ge¬
führt, beide sind im hohen Greisenalter gestorben, aber Götz versplitterte Zeit
und Gut in Raubzügen und Neiterhändein, Schärtlin half die Geschicke
Deutschlands entscheiden. Götz verstand so wenig seine Zeit und seinen
Vortheil, daß er, der Aristokrat, sich zum Strohmann der demokratischen
Bauern gebrauchen ließ, Schärtlin verstand seine Zeit so gut, daß er selbst
nach dem unglückliche" schmalkaldischen Kriege als reicher Mann in die
Schweiz abzog und wenige Jahre darauf siegreich wieder in alle Ehren ein¬
gesetzt wurde. Götz hatte sein Lebelang ein starkes Gelüst nach Kaufmanns
gold und hat doch aus allen seinen kecken Ranbzügen schwerlich viel in
seiner Truhe erhalten, Schärtlin machte sich Geld in allen Campagnen, kaufte
ein Gut nach dem andern und wußte seine Dienste so hoch als möglich zu
verwerthen. Beide erwiesen Charakter und Parteitreue, Heide waren Kriegs¬
leute von Ehre, und beide hatten sür unser Urtheil ein weites Rcitergewissen.
aber Götz, über dessen Mangel an Urtheil wir zuweilen lächeln, ist vorzugs¬
weise gutherzig und in seiner Art peinlich gewissenhaft, Schärtlin überall der
kluge, ja großartige Egoist. Alle guten Eigenschaften des absterbenden Ritter-
thums sind in der einfachen Seele des Besitzers von Homburg vereint, der Herr
von Burtenbach dagegen ist in seinem Wesen durchaus Sohn der neuen Zeit,
bald Politiker, bald Händler, bald Diplomat. Beide waren im Jahr 1544
bei dem kaiserlichen Heere, welches in Frankreich einfiel, Schärtlin in voller Mannes¬
kraft, als einer der Feldhauptleute, Götz als grauer Reiter mit einem kleinen
Haufen gesammelter Knechte; Schärtlin wurde noch in demselben Jahre kaiser¬
licher Großmarschall und Gcneralcapitän und machte sich 700" Gulden. Göp
ritt allein, krank an der Ruhr, hinter den Heereshaufen nach seinem Schlosse
zurück. Beide haben uns mit fester Kriegerhand ihr Leben geschrieben, am
wenigsten geschickt und geordnet Götz, und doch wird man seine Biographie mit
größerem Interesse lesen, als die des Schärtlin; denn G'ötzcns Freude ist. seine
Neiterabenteuer zu erzählen, wie man beim Glase Wein, unter guien Ge¬
sellen Erinnerungen ans alter Zeit lebendig macht, Schärtlin berichtet ver¬
ständig in chronologischer Ordnung, und gönnt dem Leser manchen trockenen,
aber lehrreichen Bericht über große politische Actionen, aber von seinen per¬
sönlichen Verhältnissen erzählt er. am liebsten den Betrag seiner Beute, und
ärgerliche Händel mit seinen Gutsnachbarn.

Diese Händel nun, wie einförmig sie verlaufen, dürfen hier das größte
Interesse beanspruchen. Denn grade an ihnen wird deutlich, wie sehr sich


Heere befehligt, und stand als entschlossener, vielerfcihrner Feldhauptmann in
allgemeinem Ansehn. Zu Götz ist er ein interessantes Gegenbild. Jener
der adlige Reiter, dieser der bürgerliche Landsknechtsührer, Götz der gemüth¬
liche Speergesell, Schärtlin der praktische Geschäftsmann. Beide haben ein
Leben voll von Abenteuern und nicht frei von unverantwortlichen Thaten ge¬
führt, beide sind im hohen Greisenalter gestorben, aber Götz versplitterte Zeit
und Gut in Raubzügen und Neiterhändein, Schärtlin half die Geschicke
Deutschlands entscheiden. Götz verstand so wenig seine Zeit und seinen
Vortheil, daß er, der Aristokrat, sich zum Strohmann der demokratischen
Bauern gebrauchen ließ, Schärtlin verstand seine Zeit so gut, daß er selbst
nach dem unglückliche» schmalkaldischen Kriege als reicher Mann in die
Schweiz abzog und wenige Jahre darauf siegreich wieder in alle Ehren ein¬
gesetzt wurde. Götz hatte sein Lebelang ein starkes Gelüst nach Kaufmanns
gold und hat doch aus allen seinen kecken Ranbzügen schwerlich viel in
seiner Truhe erhalten, Schärtlin machte sich Geld in allen Campagnen, kaufte
ein Gut nach dem andern und wußte seine Dienste so hoch als möglich zu
verwerthen. Beide erwiesen Charakter und Parteitreue, Heide waren Kriegs¬
leute von Ehre, und beide hatten sür unser Urtheil ein weites Rcitergewissen.
aber Götz, über dessen Mangel an Urtheil wir zuweilen lächeln, ist vorzugs¬
weise gutherzig und in seiner Art peinlich gewissenhaft, Schärtlin überall der
kluge, ja großartige Egoist. Alle guten Eigenschaften des absterbenden Ritter-
thums sind in der einfachen Seele des Besitzers von Homburg vereint, der Herr
von Burtenbach dagegen ist in seinem Wesen durchaus Sohn der neuen Zeit,
bald Politiker, bald Händler, bald Diplomat. Beide waren im Jahr 1544
bei dem kaiserlichen Heere, welches in Frankreich einfiel, Schärtlin in voller Mannes¬
kraft, als einer der Feldhauptleute, Götz als grauer Reiter mit einem kleinen
Haufen gesammelter Knechte; Schärtlin wurde noch in demselben Jahre kaiser¬
licher Großmarschall und Gcneralcapitän und machte sich 700« Gulden. Göp
ritt allein, krank an der Ruhr, hinter den Heereshaufen nach seinem Schlosse
zurück. Beide haben uns mit fester Kriegerhand ihr Leben geschrieben, am
wenigsten geschickt und geordnet Götz, und doch wird man seine Biographie mit
größerem Interesse lesen, als die des Schärtlin; denn G'ötzcns Freude ist. seine
Neiterabenteuer zu erzählen, wie man beim Glase Wein, unter guien Ge¬
sellen Erinnerungen ans alter Zeit lebendig macht, Schärtlin berichtet ver¬
ständig in chronologischer Ordnung, und gönnt dem Leser manchen trockenen,
aber lehrreichen Bericht über große politische Actionen, aber von seinen per¬
sönlichen Verhältnissen erzählt er. am liebsten den Betrag seiner Beute, und
ärgerliche Händel mit seinen Gutsnachbarn.

Diese Händel nun, wie einförmig sie verlaufen, dürfen hier das größte
Interesse beanspruchen. Denn grade an ihnen wird deutlich, wie sehr sich


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[0399] Heere befehligt, und stand als entschlossener, vielerfcihrner Feldhauptmann in allgemeinem Ansehn. Zu Götz ist er ein interessantes Gegenbild. Jener der adlige Reiter, dieser der bürgerliche Landsknechtsührer, Götz der gemüth¬ liche Speergesell, Schärtlin der praktische Geschäftsmann. Beide haben ein Leben voll von Abenteuern und nicht frei von unverantwortlichen Thaten ge¬ führt, beide sind im hohen Greisenalter gestorben, aber Götz versplitterte Zeit und Gut in Raubzügen und Neiterhändein, Schärtlin half die Geschicke Deutschlands entscheiden. Götz verstand so wenig seine Zeit und seinen Vortheil, daß er, der Aristokrat, sich zum Strohmann der demokratischen Bauern gebrauchen ließ, Schärtlin verstand seine Zeit so gut, daß er selbst nach dem unglückliche» schmalkaldischen Kriege als reicher Mann in die Schweiz abzog und wenige Jahre darauf siegreich wieder in alle Ehren ein¬ gesetzt wurde. Götz hatte sein Lebelang ein starkes Gelüst nach Kaufmanns gold und hat doch aus allen seinen kecken Ranbzügen schwerlich viel in seiner Truhe erhalten, Schärtlin machte sich Geld in allen Campagnen, kaufte ein Gut nach dem andern und wußte seine Dienste so hoch als möglich zu verwerthen. Beide erwiesen Charakter und Parteitreue, Heide waren Kriegs¬ leute von Ehre, und beide hatten sür unser Urtheil ein weites Rcitergewissen. aber Götz, über dessen Mangel an Urtheil wir zuweilen lächeln, ist vorzugs¬ weise gutherzig und in seiner Art peinlich gewissenhaft, Schärtlin überall der kluge, ja großartige Egoist. Alle guten Eigenschaften des absterbenden Ritter- thums sind in der einfachen Seele des Besitzers von Homburg vereint, der Herr von Burtenbach dagegen ist in seinem Wesen durchaus Sohn der neuen Zeit, bald Politiker, bald Händler, bald Diplomat. Beide waren im Jahr 1544 bei dem kaiserlichen Heere, welches in Frankreich einfiel, Schärtlin in voller Mannes¬ kraft, als einer der Feldhauptleute, Götz als grauer Reiter mit einem kleinen Haufen gesammelter Knechte; Schärtlin wurde noch in demselben Jahre kaiser¬ licher Großmarschall und Gcneralcapitän und machte sich 700« Gulden. Göp ritt allein, krank an der Ruhr, hinter den Heereshaufen nach seinem Schlosse zurück. Beide haben uns mit fester Kriegerhand ihr Leben geschrieben, am wenigsten geschickt und geordnet Götz, und doch wird man seine Biographie mit größerem Interesse lesen, als die des Schärtlin; denn G'ötzcns Freude ist. seine Neiterabenteuer zu erzählen, wie man beim Glase Wein, unter guien Ge¬ sellen Erinnerungen ans alter Zeit lebendig macht, Schärtlin berichtet ver¬ ständig in chronologischer Ordnung, und gönnt dem Leser manchen trockenen, aber lehrreichen Bericht über große politische Actionen, aber von seinen per¬ sönlichen Verhältnissen erzählt er. am liebsten den Betrag seiner Beute, und ärgerliche Händel mit seinen Gutsnachbarn. Diese Händel nun, wie einförmig sie verlaufen, dürfen hier das größte Interesse beanspruchen. Denn grade an ihnen wird deutlich, wie sehr sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/399>, abgerufen am 14.05.2024.