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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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hielt, machten ihn in seiner Heimath zu einem großen Mann. Sein
Nachfolger Danilo,.wie es scheint, ein zügelloser und begehrlicher Thor,
hat, wenn dem Gerücht zu trauen ist, seit dem orientalischen Kriege die rus¬
sische Pension verloren und damit den größten Theil seines Einflusses; das
Land wird durch Factionen zerrüttet und die Zustande dort scheinen selbst für
die Montenegriner unerträglich zu werden.

In Bosnien dagegen hat die von der Pforte versprochene Gleichstellung
der Christen mit Muhammedanern, die immer gedrückte und unzufriedene christ¬
liche Bevölkerung heftig aufgeregt, sie haben wieder einmal die Waffen er¬
griffen und den muhammedanischen Gutsherrn, welche von den in Bosnien
ansässigen Türken unterstützt werden, mehre kleine Treffen geliefert. Der
neue böhmische Aufstand, ein türkischer Bundschuh, ist eine demokratische, durch¬
aus nicht unberechtigte Erhebung der Gedruckten und Zahlenden gegen die
privilegirten Classen, zu denen auch die griechischen Geistlichen des Landes zu
gehören scheinen. Bekanntlich hängt der größte Theil der böhmischen Rnjah von
der griechischen Kirche ab und erkennt in dem Patriarchen von Konstantinopel
sein geistliches Haupt. Doch ist die Anzahl der griechisch unirten d. h. ka¬
tholischen Bosniaken nicht unbedeutend und nicht einflußlos und dieser Theil
der Bevölkerung ist vorzugsweise auf die Hilfe Oestreichs angewiesen.

Seit der Regeneration des Kaiserstaates hat die Regierung lange Ver¬
säumtes auch im Südosten nachgeholt und Einfluß auf die Südslavenländer
durchgesetzt. Schon im Sommer 43 waren böhmische Vcgs und Agas über
die save gekommen und hatten dem Ban Jclacic, den sie für einen halben
Landsmann hielten, ihre Handjarö gegen die Ungarn angeboten, im November
desselben Jahres hatte Blaoika Peter II. die Keckheit, wieder durch den Ban
den Oestreichern I0,0"c> Mann Hilfstruppen anzubieten. Beide Vorschläge
wurden abgelehnt, doch war nicht zu verhindern, daß mit dem Serbengene¬
ral Knicanin eine Menge wilden Gesindels aus Bosnien und Montenegro
über die Grenze kam. Es hat damals um Weißenburg nud Titel schändlich
gehaust. Seit der Zeit hat sich Oestreich allmälig die letzte Entscheidung über
die Geschicke Montenegros angeeignet und seine Schutzberrschafl ist factisch an
die Stelle der russischen getreten. In der That ist es zu solcher Rolle viel
besser berechtigt als Rußland, denn es sind seine Unterthanen, die Bocchesen
von Cattaro, welche Jahrhunderte lang durch die Montenegriner beunruhiget
wurden und seine Berglandschaften, welche die Biehezporte aus der Herzego¬
wina nicht entbehren können)

Außerdem hat man in Oestreich erkannt, daß der künftige Besitz der Her¬
zegowina und Bosniens, so wie des strategisch dazu gehörenden Serben¬
landes auch der Theil der orientalischen Erbschaft ist, welcher bei einer künftigen -
Regelung am schwersten verweigert werden kann. Alle Cultur in Bosnien ist


hielt, machten ihn in seiner Heimath zu einem großen Mann. Sein
Nachfolger Danilo,.wie es scheint, ein zügelloser und begehrlicher Thor,
hat, wenn dem Gerücht zu trauen ist, seit dem orientalischen Kriege die rus¬
sische Pension verloren und damit den größten Theil seines Einflusses; das
Land wird durch Factionen zerrüttet und die Zustande dort scheinen selbst für
die Montenegriner unerträglich zu werden.

In Bosnien dagegen hat die von der Pforte versprochene Gleichstellung
der Christen mit Muhammedanern, die immer gedrückte und unzufriedene christ¬
liche Bevölkerung heftig aufgeregt, sie haben wieder einmal die Waffen er¬
griffen und den muhammedanischen Gutsherrn, welche von den in Bosnien
ansässigen Türken unterstützt werden, mehre kleine Treffen geliefert. Der
neue böhmische Aufstand, ein türkischer Bundschuh, ist eine demokratische, durch¬
aus nicht unberechtigte Erhebung der Gedruckten und Zahlenden gegen die
privilegirten Classen, zu denen auch die griechischen Geistlichen des Landes zu
gehören scheinen. Bekanntlich hängt der größte Theil der böhmischen Rnjah von
der griechischen Kirche ab und erkennt in dem Patriarchen von Konstantinopel
sein geistliches Haupt. Doch ist die Anzahl der griechisch unirten d. h. ka¬
tholischen Bosniaken nicht unbedeutend und nicht einflußlos und dieser Theil
der Bevölkerung ist vorzugsweise auf die Hilfe Oestreichs angewiesen.

Seit der Regeneration des Kaiserstaates hat die Regierung lange Ver¬
säumtes auch im Südosten nachgeholt und Einfluß auf die Südslavenländer
durchgesetzt. Schon im Sommer 43 waren böhmische Vcgs und Agas über
die save gekommen und hatten dem Ban Jclacic, den sie für einen halben
Landsmann hielten, ihre Handjarö gegen die Ungarn angeboten, im November
desselben Jahres hatte Blaoika Peter II. die Keckheit, wieder durch den Ban
den Oestreichern I0,0»c> Mann Hilfstruppen anzubieten. Beide Vorschläge
wurden abgelehnt, doch war nicht zu verhindern, daß mit dem Serbengene¬
ral Knicanin eine Menge wilden Gesindels aus Bosnien und Montenegro
über die Grenze kam. Es hat damals um Weißenburg nud Titel schändlich
gehaust. Seit der Zeit hat sich Oestreich allmälig die letzte Entscheidung über
die Geschicke Montenegros angeeignet und seine Schutzberrschafl ist factisch an
die Stelle der russischen getreten. In der That ist es zu solcher Rolle viel
besser berechtigt als Rußland, denn es sind seine Unterthanen, die Bocchesen
von Cattaro, welche Jahrhunderte lang durch die Montenegriner beunruhiget
wurden und seine Berglandschaften, welche die Biehezporte aus der Herzego¬
wina nicht entbehren können)

Außerdem hat man in Oestreich erkannt, daß der künftige Besitz der Her¬
zegowina und Bosniens, so wie des strategisch dazu gehörenden Serben¬
landes auch der Theil der orientalischen Erbschaft ist, welcher bei einer künftigen -
Regelung am schwersten verweigert werden kann. Alle Cultur in Bosnien ist


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[0431] hielt, machten ihn in seiner Heimath zu einem großen Mann. Sein Nachfolger Danilo,.wie es scheint, ein zügelloser und begehrlicher Thor, hat, wenn dem Gerücht zu trauen ist, seit dem orientalischen Kriege die rus¬ sische Pension verloren und damit den größten Theil seines Einflusses; das Land wird durch Factionen zerrüttet und die Zustande dort scheinen selbst für die Montenegriner unerträglich zu werden. In Bosnien dagegen hat die von der Pforte versprochene Gleichstellung der Christen mit Muhammedanern, die immer gedrückte und unzufriedene christ¬ liche Bevölkerung heftig aufgeregt, sie haben wieder einmal die Waffen er¬ griffen und den muhammedanischen Gutsherrn, welche von den in Bosnien ansässigen Türken unterstützt werden, mehre kleine Treffen geliefert. Der neue böhmische Aufstand, ein türkischer Bundschuh, ist eine demokratische, durch¬ aus nicht unberechtigte Erhebung der Gedruckten und Zahlenden gegen die privilegirten Classen, zu denen auch die griechischen Geistlichen des Landes zu gehören scheinen. Bekanntlich hängt der größte Theil der böhmischen Rnjah von der griechischen Kirche ab und erkennt in dem Patriarchen von Konstantinopel sein geistliches Haupt. Doch ist die Anzahl der griechisch unirten d. h. ka¬ tholischen Bosniaken nicht unbedeutend und nicht einflußlos und dieser Theil der Bevölkerung ist vorzugsweise auf die Hilfe Oestreichs angewiesen. Seit der Regeneration des Kaiserstaates hat die Regierung lange Ver¬ säumtes auch im Südosten nachgeholt und Einfluß auf die Südslavenländer durchgesetzt. Schon im Sommer 43 waren böhmische Vcgs und Agas über die save gekommen und hatten dem Ban Jclacic, den sie für einen halben Landsmann hielten, ihre Handjarö gegen die Ungarn angeboten, im November desselben Jahres hatte Blaoika Peter II. die Keckheit, wieder durch den Ban den Oestreichern I0,0»c> Mann Hilfstruppen anzubieten. Beide Vorschläge wurden abgelehnt, doch war nicht zu verhindern, daß mit dem Serbengene¬ ral Knicanin eine Menge wilden Gesindels aus Bosnien und Montenegro über die Grenze kam. Es hat damals um Weißenburg nud Titel schändlich gehaust. Seit der Zeit hat sich Oestreich allmälig die letzte Entscheidung über die Geschicke Montenegros angeeignet und seine Schutzberrschafl ist factisch an die Stelle der russischen getreten. In der That ist es zu solcher Rolle viel besser berechtigt als Rußland, denn es sind seine Unterthanen, die Bocchesen von Cattaro, welche Jahrhunderte lang durch die Montenegriner beunruhiget wurden und seine Berglandschaften, welche die Biehezporte aus der Herzego¬ wina nicht entbehren können) Außerdem hat man in Oestreich erkannt, daß der künftige Besitz der Her¬ zegowina und Bosniens, so wie des strategisch dazu gehörenden Serben¬ landes auch der Theil der orientalischen Erbschaft ist, welcher bei einer künftigen - Regelung am schwersten verweigert werden kann. Alle Cultur in Bosnien ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/431>, abgerufen am 28.05.2024.