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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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sagen, daß es uns gleich sein dürfe, aus welchem Beweggrund jemand für das sei,
was auch wir wollen, wenn er nur mit uns gehe, aber hier zeigt sich, daß eine
Verschiedenheit in den Motiven auch gewöhnlich eine Verschiedenheit des Gewollten
bedingt, der Verfasser will Aufhebung des londoner Protokolls, eine mäßige Ent¬
schädigung 'des Prinzen von Glücksburg, Unabhängigkeit Holsteins und Lauenburgs,
al'er Incorporation Schleswigs, ist also Eiderdänc. Er schildert die allmälige Hcr-
Vorbildung der Idee der skandinavischen Union, die Zeit Margarcthas, die Wieder¬
aufnahme der Konföderation im Jahre 1810, als Friedrich VI. von Dänemark sich um
die schwedische Krone bewarb, die poetischen, literarischen und wissenschaftlichen Ver¬
einigungen, die ihren Höhepunkt in der Demonstration des letzten Sommers in Stock¬
holm fanden. Die Idee einer gegenseitigen Adoption der Dynastien von Baron
Blixcn wird mit Recht als unpraktisch abgewiesen und eine Analyse der
schwedischen Broschüre gegeben, welche dem Baron antwortete. Sie ist von Wich¬
tigkeit, weil es mehrmals wahrscheinlich ist. daß sich unter dem Pseudonym Arliot
Gellina eine dem Throne nahestehende Person verbirgt; auch sie spricht sich für die
Eidcrgrenze aus, aber sie bringt wenigstens Gründe vor, über welche sich streiten
läßt. Es wird behauptet, die Ureinwohner Schleswigs seien keine Sachsen, sondern
Friesen und Angeln gewesen. Was wäre aber damit bewiesen? sind etwa letztere
keine Deutschen, ist Friesland nicht heutzutage noch eine deutsche Provinz und waren
es nicht Angelsachsen, die England eroberten? Daß Karl der Große mit dem
Fürsten Henning von Jütland einen Vertrag schloß, der die Eider zur Grenze an¬
nahm, beweist gar nichts; denn man wird doch nicht die damaligen'Grenzen als
heutige Normen aufstellen wollen; den Franzosen dürfte das am wenigsten passen.
Die Thatsache, auf welche es ankommt, ist, daß im Laufe der Geschichte Schleswig
zum größern Theile deutsch ward, und daß, wie der schwedische Verfasser nicht leugnen
kann, die Union mit Holstein von Christian I. 1460 beschworen ward. Es ist aber
nicht richtig, daß dieselbe 1725 aufgehoben worden ist und die schleswigschen Stunde
dem König von Dänemark als einzigem Herrn^ den Eid geleistet haben, auch be¬
ziehen sich die angeführten englisch-französischen Garantien nur auf die Vereinigung
des großherzoglichen und des königlichen Theiles von Schleswig, und nicht auf die
Schleswigs mit Dänemark. Gcllina kann auch nicht ableugnen, da einmal die
Nationalität in der skandinavischen Frage als entscheidendes Motiv gilt, daß ein
Theil Schleswigs deutsch ist, obwol er die Zahl der Deutschen ungebührlich klein an¬
gibt. Aber auf diesem Standpunkt läßt sich wenigstens verhandeln, die Theilung
Schleswigs nach den Nationalitäten ist die naturgemäße Lösung, und Schweden
wird sicher darauf eingehen, wenn es die skandinavische Krone zu diesem Preise er¬
langen kann. -- Die Beschäftigung mit dieser Frage allein hat uns Veranlassung
gegeben über die nordische Reise des Hr. Edmvnd zu berichten, weil wir daraus
wieder klar sehen, wessen wir uns zu gewärtigen haben, wenn Frankreich das große
Wort sührt. Von dem Buch selbst müssen wir nur wiederholen, daß es schade um
das Velinpapier ist, welches man damit verdrückt hat.




sagen, daß es uns gleich sein dürfe, aus welchem Beweggrund jemand für das sei,
was auch wir wollen, wenn er nur mit uns gehe, aber hier zeigt sich, daß eine
Verschiedenheit in den Motiven auch gewöhnlich eine Verschiedenheit des Gewollten
bedingt, der Verfasser will Aufhebung des londoner Protokolls, eine mäßige Ent¬
schädigung 'des Prinzen von Glücksburg, Unabhängigkeit Holsteins und Lauenburgs,
al'er Incorporation Schleswigs, ist also Eiderdänc. Er schildert die allmälige Hcr-
Vorbildung der Idee der skandinavischen Union, die Zeit Margarcthas, die Wieder¬
aufnahme der Konföderation im Jahre 1810, als Friedrich VI. von Dänemark sich um
die schwedische Krone bewarb, die poetischen, literarischen und wissenschaftlichen Ver¬
einigungen, die ihren Höhepunkt in der Demonstration des letzten Sommers in Stock¬
holm fanden. Die Idee einer gegenseitigen Adoption der Dynastien von Baron
Blixcn wird mit Recht als unpraktisch abgewiesen und eine Analyse der
schwedischen Broschüre gegeben, welche dem Baron antwortete. Sie ist von Wich¬
tigkeit, weil es mehrmals wahrscheinlich ist. daß sich unter dem Pseudonym Arliot
Gellina eine dem Throne nahestehende Person verbirgt; auch sie spricht sich für die
Eidcrgrenze aus, aber sie bringt wenigstens Gründe vor, über welche sich streiten
läßt. Es wird behauptet, die Ureinwohner Schleswigs seien keine Sachsen, sondern
Friesen und Angeln gewesen. Was wäre aber damit bewiesen? sind etwa letztere
keine Deutschen, ist Friesland nicht heutzutage noch eine deutsche Provinz und waren
es nicht Angelsachsen, die England eroberten? Daß Karl der Große mit dem
Fürsten Henning von Jütland einen Vertrag schloß, der die Eider zur Grenze an¬
nahm, beweist gar nichts; denn man wird doch nicht die damaligen'Grenzen als
heutige Normen aufstellen wollen; den Franzosen dürfte das am wenigsten passen.
Die Thatsache, auf welche es ankommt, ist, daß im Laufe der Geschichte Schleswig
zum größern Theile deutsch ward, und daß, wie der schwedische Verfasser nicht leugnen
kann, die Union mit Holstein von Christian I. 1460 beschworen ward. Es ist aber
nicht richtig, daß dieselbe 1725 aufgehoben worden ist und die schleswigschen Stunde
dem König von Dänemark als einzigem Herrn^ den Eid geleistet haben, auch be¬
ziehen sich die angeführten englisch-französischen Garantien nur auf die Vereinigung
des großherzoglichen und des königlichen Theiles von Schleswig, und nicht auf die
Schleswigs mit Dänemark. Gcllina kann auch nicht ableugnen, da einmal die
Nationalität in der skandinavischen Frage als entscheidendes Motiv gilt, daß ein
Theil Schleswigs deutsch ist, obwol er die Zahl der Deutschen ungebührlich klein an¬
gibt. Aber auf diesem Standpunkt läßt sich wenigstens verhandeln, die Theilung
Schleswigs nach den Nationalitäten ist die naturgemäße Lösung, und Schweden
wird sicher darauf eingehen, wenn es die skandinavische Krone zu diesem Preise er¬
langen kann. — Die Beschäftigung mit dieser Frage allein hat uns Veranlassung
gegeben über die nordische Reise des Hr. Edmvnd zu berichten, weil wir daraus
wieder klar sehen, wessen wir uns zu gewärtigen haben, wenn Frankreich das große
Wort sührt. Von dem Buch selbst müssen wir nur wiederholen, daß es schade um
das Velinpapier ist, welches man damit verdrückt hat.




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[0527] sagen, daß es uns gleich sein dürfe, aus welchem Beweggrund jemand für das sei, was auch wir wollen, wenn er nur mit uns gehe, aber hier zeigt sich, daß eine Verschiedenheit in den Motiven auch gewöhnlich eine Verschiedenheit des Gewollten bedingt, der Verfasser will Aufhebung des londoner Protokolls, eine mäßige Ent¬ schädigung 'des Prinzen von Glücksburg, Unabhängigkeit Holsteins und Lauenburgs, al'er Incorporation Schleswigs, ist also Eiderdänc. Er schildert die allmälige Hcr- Vorbildung der Idee der skandinavischen Union, die Zeit Margarcthas, die Wieder¬ aufnahme der Konföderation im Jahre 1810, als Friedrich VI. von Dänemark sich um die schwedische Krone bewarb, die poetischen, literarischen und wissenschaftlichen Ver¬ einigungen, die ihren Höhepunkt in der Demonstration des letzten Sommers in Stock¬ holm fanden. Die Idee einer gegenseitigen Adoption der Dynastien von Baron Blixcn wird mit Recht als unpraktisch abgewiesen und eine Analyse der schwedischen Broschüre gegeben, welche dem Baron antwortete. Sie ist von Wich¬ tigkeit, weil es mehrmals wahrscheinlich ist. daß sich unter dem Pseudonym Arliot Gellina eine dem Throne nahestehende Person verbirgt; auch sie spricht sich für die Eidcrgrenze aus, aber sie bringt wenigstens Gründe vor, über welche sich streiten läßt. Es wird behauptet, die Ureinwohner Schleswigs seien keine Sachsen, sondern Friesen und Angeln gewesen. Was wäre aber damit bewiesen? sind etwa letztere keine Deutschen, ist Friesland nicht heutzutage noch eine deutsche Provinz und waren es nicht Angelsachsen, die England eroberten? Daß Karl der Große mit dem Fürsten Henning von Jütland einen Vertrag schloß, der die Eider zur Grenze an¬ nahm, beweist gar nichts; denn man wird doch nicht die damaligen'Grenzen als heutige Normen aufstellen wollen; den Franzosen dürfte das am wenigsten passen. Die Thatsache, auf welche es ankommt, ist, daß im Laufe der Geschichte Schleswig zum größern Theile deutsch ward, und daß, wie der schwedische Verfasser nicht leugnen kann, die Union mit Holstein von Christian I. 1460 beschworen ward. Es ist aber nicht richtig, daß dieselbe 1725 aufgehoben worden ist und die schleswigschen Stunde dem König von Dänemark als einzigem Herrn^ den Eid geleistet haben, auch be¬ ziehen sich die angeführten englisch-französischen Garantien nur auf die Vereinigung des großherzoglichen und des königlichen Theiles von Schleswig, und nicht auf die Schleswigs mit Dänemark. Gcllina kann auch nicht ableugnen, da einmal die Nationalität in der skandinavischen Frage als entscheidendes Motiv gilt, daß ein Theil Schleswigs deutsch ist, obwol er die Zahl der Deutschen ungebührlich klein an¬ gibt. Aber auf diesem Standpunkt läßt sich wenigstens verhandeln, die Theilung Schleswigs nach den Nationalitäten ist die naturgemäße Lösung, und Schweden wird sicher darauf eingehen, wenn es die skandinavische Krone zu diesem Preise er¬ langen kann. — Die Beschäftigung mit dieser Frage allein hat uns Veranlassung gegeben über die nordische Reise des Hr. Edmvnd zu berichten, weil wir daraus wieder klar sehen, wessen wir uns zu gewärtigen haben, wenn Frankreich das große Wort sührt. Von dem Buch selbst müssen wir nur wiederholen, daß es schade um das Velinpapier ist, welches man damit verdrückt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/527>, abgerufen am 26.05.2024.