Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Armee über den Mincio gekommen bei Peschiera, Monzanbano, Valeggio,
Goito. Bei Rivoltella am Gardasee hatten die Piemontesen ihn gefunden; bei
Castelgoffredo hatte der Marschall Caurobert. der um 2V- Uhr von Mezzane
aufgebrochen, bei Visano über den Chiese gegangen war, östreichische Sava¬
nne angetroffen. Kundschafternachrichten sagten, daß ein starkes östreichisches
Corps von Mantua auf Asoka und Montcchiaro am Chiese bestimmt sei.

Bei einem Zusammenhalten dieser Nachrichten war es nicht schwer, die
Dispositionen der Oestreicher zu durchschauen. Wahrend sie bei Capriana und
Pozzolengo die Front ihres Gegners bekämpften, wollten sie zugleich gegen
Chiese hin ihm in die rechte Flanke und in den Rücken gehn und ihn auf
solche Weise gegen den Gardasee hintreiben, um ihm jeden Rückzug abzu¬
schneiden.

Dieser Plan war strategisch richtig, seine Ausführung begünstigt durch
^le nördliche Lage der Linie, auf welcher die Franzosen und Piemontesen ge-
ben Mincio vorgingen. Aber jeder strategische Erfolg muß durch einen
^lischen, auf dem Schlachtfeld besiegelt werden; an sich ist er nichts.
Taktisch war also noch der ganze Plan der Oestreicher zu vereiteln und darauf
achtete sich nun mit aller Kraft Napoleon. Begünstigt ward er dabei durch
^us, was er sofort zu erkennen vermochte, durch die große Ausdehnung der
östreichischen Linie, welche vom Gardasee über Guidizzolo und Castelgoffredo
zum Chiese über vier deutsche Meilen, ungefähr 42,000 Schritt lang war,
^ne Ausdehnung, viel zu groß, auch wenn wir annehmen, daß die östreichische
Armee 200,000 M. stark war. Die französische Armee in der Mitte des Cir-
^is, welchen die Oestreicher um sie schlössen, war viel concentrirter. In sol¬
chem Falle, sagt die Regel, soll man die feindliche Mitte durchbrechen, die bei¬
den Flügel auseinandersprengen und nun einen von ihnen allein schlagen, um
steh dann gegen den andern zu wenden. Das beschloß nun auch der Kaiser
^npoleon. Er ward dabei noch durch einen andern Umstand begünstigt, von
dern er allerdings im voraus nichts wußte, nämlich durch die Zerlegung der
östreichische Armee in zwei Armeen unter Schul und Wimpffen, welche das
Zentrum doppelt zu einem schwachen und dabei doch entscheidenden Punkte
Machte. Gelang es, den rechten Flügel der Oestreicher über den Haufen zu
werfen, über den Mincio zurückzutreiben, so hatte der linke, isolirt, keinen
Halt mehr und trat wol von selbst seinen Rückzug an; that er dies nicht,
konnte sich dann die ganze Kraft der Franzosen gegen ihn wenden, ihn
dom Mincio ab gegen den Chiese treiben und voller Vernichtung Preis geben.

Bis aber der rechte östreichische Flügel geschlagen war, mußte der linke
Wenigstens beschäftigt werden. Napoleon übertrug dieses Geschäft vorläufig
-vern Marschall Canrobert in der Ebene zwischen Medole und dem Chiese.
^uf dem äußersten linken Flügel erhielt der König Victor Emanuel den Be-


Armee über den Mincio gekommen bei Peschiera, Monzanbano, Valeggio,
Goito. Bei Rivoltella am Gardasee hatten die Piemontesen ihn gefunden; bei
Castelgoffredo hatte der Marschall Caurobert. der um 2V- Uhr von Mezzane
aufgebrochen, bei Visano über den Chiese gegangen war, östreichische Sava¬
nne angetroffen. Kundschafternachrichten sagten, daß ein starkes östreichisches
Corps von Mantua auf Asoka und Montcchiaro am Chiese bestimmt sei.

Bei einem Zusammenhalten dieser Nachrichten war es nicht schwer, die
Dispositionen der Oestreicher zu durchschauen. Wahrend sie bei Capriana und
Pozzolengo die Front ihres Gegners bekämpften, wollten sie zugleich gegen
Chiese hin ihm in die rechte Flanke und in den Rücken gehn und ihn auf
solche Weise gegen den Gardasee hintreiben, um ihm jeden Rückzug abzu¬
schneiden.

Dieser Plan war strategisch richtig, seine Ausführung begünstigt durch
^le nördliche Lage der Linie, auf welcher die Franzosen und Piemontesen ge-
ben Mincio vorgingen. Aber jeder strategische Erfolg muß durch einen
^lischen, auf dem Schlachtfeld besiegelt werden; an sich ist er nichts.
Taktisch war also noch der ganze Plan der Oestreicher zu vereiteln und darauf
achtete sich nun mit aller Kraft Napoleon. Begünstigt ward er dabei durch
^us, was er sofort zu erkennen vermochte, durch die große Ausdehnung der
östreichischen Linie, welche vom Gardasee über Guidizzolo und Castelgoffredo
zum Chiese über vier deutsche Meilen, ungefähr 42,000 Schritt lang war,
^ne Ausdehnung, viel zu groß, auch wenn wir annehmen, daß die östreichische
Armee 200,000 M. stark war. Die französische Armee in der Mitte des Cir-
^is, welchen die Oestreicher um sie schlössen, war viel concentrirter. In sol¬
chem Falle, sagt die Regel, soll man die feindliche Mitte durchbrechen, die bei¬
den Flügel auseinandersprengen und nun einen von ihnen allein schlagen, um
steh dann gegen den andern zu wenden. Das beschloß nun auch der Kaiser
^npoleon. Er ward dabei noch durch einen andern Umstand begünstigt, von
dern er allerdings im voraus nichts wußte, nämlich durch die Zerlegung der
östreichische Armee in zwei Armeen unter Schul und Wimpffen, welche das
Zentrum doppelt zu einem schwachen und dabei doch entscheidenden Punkte
Machte. Gelang es, den rechten Flügel der Oestreicher über den Haufen zu
werfen, über den Mincio zurückzutreiben, so hatte der linke, isolirt, keinen
Halt mehr und trat wol von selbst seinen Rückzug an; that er dies nicht,
konnte sich dann die ganze Kraft der Franzosen gegen ihn wenden, ihn
dom Mincio ab gegen den Chiese treiben und voller Vernichtung Preis geben.

Bis aber der rechte östreichische Flügel geschlagen war, mußte der linke
Wenigstens beschäftigt werden. Napoleon übertrug dieses Geschäft vorläufig
-vern Marschall Canrobert in der Ebene zwischen Medole und dem Chiese.
^uf dem äußersten linken Flügel erhielt der König Victor Emanuel den Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107711"/>
            <p xml:id="ID_394" prev="#ID_393"> Armee über den Mincio gekommen bei Peschiera, Monzanbano, Valeggio,<lb/>
Goito. Bei Rivoltella am Gardasee hatten die Piemontesen ihn gefunden; bei<lb/>
Castelgoffredo hatte der Marschall Caurobert. der um 2V- Uhr von Mezzane<lb/>
aufgebrochen, bei Visano über den Chiese gegangen war, östreichische Sava¬<lb/>
nne angetroffen. Kundschafternachrichten sagten, daß ein starkes östreichisches<lb/>
Corps von Mantua auf Asoka und Montcchiaro am Chiese bestimmt sei.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_395"> Bei einem Zusammenhalten dieser Nachrichten war es nicht schwer, die<lb/>
Dispositionen der Oestreicher zu durchschauen. Wahrend sie bei Capriana und<lb/>
Pozzolengo die Front ihres Gegners bekämpften, wollten sie zugleich gegen<lb/>
Chiese hin ihm in die rechte Flanke und in den Rücken gehn und ihn auf<lb/>
solche Weise gegen den Gardasee hintreiben, um ihm jeden Rückzug abzu¬<lb/>
schneiden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_396"> Dieser Plan war strategisch richtig, seine Ausführung begünstigt durch<lb/>
^le nördliche Lage der Linie, auf welcher die Franzosen und Piemontesen ge-<lb/>
ben Mincio vorgingen. Aber jeder strategische Erfolg muß durch einen<lb/>
^lischen, auf dem Schlachtfeld besiegelt werden; an sich ist er nichts.<lb/>
Taktisch war also noch der ganze Plan der Oestreicher zu vereiteln und darauf<lb/>
achtete sich nun mit aller Kraft Napoleon. Begünstigt ward er dabei durch<lb/>
^us, was er sofort zu erkennen vermochte, durch die große Ausdehnung der<lb/>
östreichischen Linie, welche vom Gardasee über Guidizzolo und Castelgoffredo<lb/>
zum Chiese über vier deutsche Meilen, ungefähr 42,000 Schritt lang war,<lb/>
^ne Ausdehnung, viel zu groß, auch wenn wir annehmen, daß die östreichische<lb/>
Armee 200,000 M. stark war. Die französische Armee in der Mitte des Cir-<lb/>
^is, welchen die Oestreicher um sie schlössen, war viel concentrirter. In sol¬<lb/>
chem Falle, sagt die Regel, soll man die feindliche Mitte durchbrechen, die bei¬<lb/>
den Flügel auseinandersprengen und nun einen von ihnen allein schlagen, um<lb/>
steh dann gegen den andern zu wenden. Das beschloß nun auch der Kaiser<lb/>
^npoleon. Er ward dabei noch durch einen andern Umstand begünstigt, von<lb/>
dern er allerdings im voraus nichts wußte, nämlich durch die Zerlegung der<lb/>
östreichische Armee in zwei Armeen unter Schul und Wimpffen, welche das<lb/>
Zentrum doppelt zu einem schwachen und dabei doch entscheidenden Punkte<lb/>
Machte. Gelang es, den rechten Flügel der Oestreicher über den Haufen zu<lb/>
werfen, über den Mincio zurückzutreiben, so hatte der linke, isolirt, keinen<lb/>
Halt mehr und trat wol von selbst seinen Rückzug an; that er dies nicht,<lb/>
konnte sich dann die ganze Kraft der Franzosen gegen ihn wenden, ihn<lb/>
dom Mincio ab gegen den Chiese treiben und voller Vernichtung Preis geben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_397" next="#ID_398"> Bis aber der rechte östreichische Flügel geschlagen war, mußte der linke<lb/>
Wenigstens beschäftigt werden. Napoleon übertrug dieses Geschäft vorläufig<lb/>
-vern Marschall Canrobert in der Ebene zwischen Medole und dem Chiese.<lb/>
^uf dem äußersten linken Flügel erhielt der König Victor Emanuel den Be-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Armee über den Mincio gekommen bei Peschiera, Monzanbano, Valeggio, Goito. Bei Rivoltella am Gardasee hatten die Piemontesen ihn gefunden; bei Castelgoffredo hatte der Marschall Caurobert. der um 2V- Uhr von Mezzane aufgebrochen, bei Visano über den Chiese gegangen war, östreichische Sava¬ nne angetroffen. Kundschafternachrichten sagten, daß ein starkes östreichisches Corps von Mantua auf Asoka und Montcchiaro am Chiese bestimmt sei. Bei einem Zusammenhalten dieser Nachrichten war es nicht schwer, die Dispositionen der Oestreicher zu durchschauen. Wahrend sie bei Capriana und Pozzolengo die Front ihres Gegners bekämpften, wollten sie zugleich gegen Chiese hin ihm in die rechte Flanke und in den Rücken gehn und ihn auf solche Weise gegen den Gardasee hintreiben, um ihm jeden Rückzug abzu¬ schneiden. Dieser Plan war strategisch richtig, seine Ausführung begünstigt durch ^le nördliche Lage der Linie, auf welcher die Franzosen und Piemontesen ge- ben Mincio vorgingen. Aber jeder strategische Erfolg muß durch einen ^lischen, auf dem Schlachtfeld besiegelt werden; an sich ist er nichts. Taktisch war also noch der ganze Plan der Oestreicher zu vereiteln und darauf achtete sich nun mit aller Kraft Napoleon. Begünstigt ward er dabei durch ^us, was er sofort zu erkennen vermochte, durch die große Ausdehnung der östreichischen Linie, welche vom Gardasee über Guidizzolo und Castelgoffredo zum Chiese über vier deutsche Meilen, ungefähr 42,000 Schritt lang war, ^ne Ausdehnung, viel zu groß, auch wenn wir annehmen, daß die östreichische Armee 200,000 M. stark war. Die französische Armee in der Mitte des Cir- ^is, welchen die Oestreicher um sie schlössen, war viel concentrirter. In sol¬ chem Falle, sagt die Regel, soll man die feindliche Mitte durchbrechen, die bei¬ den Flügel auseinandersprengen und nun einen von ihnen allein schlagen, um steh dann gegen den andern zu wenden. Das beschloß nun auch der Kaiser ^npoleon. Er ward dabei noch durch einen andern Umstand begünstigt, von dern er allerdings im voraus nichts wußte, nämlich durch die Zerlegung der östreichische Armee in zwei Armeen unter Schul und Wimpffen, welche das Zentrum doppelt zu einem schwachen und dabei doch entscheidenden Punkte Machte. Gelang es, den rechten Flügel der Oestreicher über den Haufen zu werfen, über den Mincio zurückzutreiben, so hatte der linke, isolirt, keinen Halt mehr und trat wol von selbst seinen Rückzug an; that er dies nicht, konnte sich dann die ganze Kraft der Franzosen gegen ihn wenden, ihn dom Mincio ab gegen den Chiese treiben und voller Vernichtung Preis geben. Bis aber der rechte östreichische Flügel geschlagen war, mußte der linke Wenigstens beschäftigt werden. Napoleon übertrug dieses Geschäft vorläufig -vern Marschall Canrobert in der Ebene zwischen Medole und dem Chiese. ^uf dem äußersten linken Flügel erhielt der König Victor Emanuel den Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/125>, abgerufen am 28.05.2024.