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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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böser Buben aus allerlei Nationen, und seltsames Volk, das Weib und
Kind, Nahrung und alles verläßt und dem Kriege folgt; alles, was Vater
und Mutter nicht folgen will, muß allda dem Kalbfell, so über die Trommel
gespannt ist, folgen, bis man sie in eine Feldschlacht oder Stürmen bringt,
wo etliche Tausende auf der Wahlstatt liegen, erschossen und erstochen; denn
eines Landsknechts Leben hängt an einem Haar und seine Seele sitzet aus
dem Hut oder Aermel. Zudem wächst allezeit bei Kriegshändcln dreierlei
Kraut: das ist scharfes Regiment, fünfzig verbotene Artikel und strenges Ur¬
theil, schleuniges Recht, das bringt manchen Mann um seinen besten Hals,

" Es ist nicht damit gethan, daß ein Kriegsmann stark, gerade, mannhaft,
tyrannisch, blutgierig, gleich einem grimmen Löwen thut. Und sich für einen
Eisenfresser ausgibt, als wollte er den Teufel allein sangen und verzehren,
daß seine Mitgesellen nichts davon bekommen. Solche Hahnenreißer bringen
sich muthwillig durch ihren dummen Verstand um ihr Leben und andere gute
Gesellen dazu. Ein anderer ist ein Schnarcher und Pocher, der da scharrt,
wie ein ungestümer Gaul auf der Streu, und wenn es an ein Fechten geht,
und Kugeln um den Kopf pfeifen, da ist er ein Märtyrer und armer Sünder,
möchte vor Leid die Hosen verunreinigen, läßt auch wol seine eigne Wehr
aus der Hand fallen. Wenn sie vor dem Zapfen sitzen, oder in Marketender-
Hütten oder Wirthshäusern, da haben sie viel gesehen und wollen nichts thun
als balgen, da ärgert sie eine Fliege an der Wand, die hat keinen Frieden
vor ihnen, dann wollen sie mit ihrem großen Fluchen den Feind schlagen.
Solche Bärenstecher werden am häufigsten angetroffen; selten findet man einen,
der nicht lahme Fäuste, lahme Arme, oder einen Wachtelstrich über einern
Backen hat, und ist doch sein Lebtag nie recht vor den Feind gekommen. Vor
solchen Gesellen mag sich ein Hauptmann wol hüten, denn sie sind gemei¬
niglich Aufrührer und Meuterer. Ein verständiger Kriegsmann meidet Hader"
und Balgen, wo er darf, damit er seine Haut ganz unversehrt vor den Feind
bringt. Wird man vom Feinde geschädigt, das ist eine Ehre. Wer aber
muthwillig um seine Gesundheit kommt, der muß Hohn und Spott hören,
und ist keinem Heere etwas nutz. Ein solcher Gast muß sein Lebtag ein Eier-
und Käscbettler sein und bleiben, er läuft das Land auf und nieder, bettelt
das Brod, verkauft es wieder, muß sich ernähren wie ein Wolf, und wenn
der Bäuerin Ratten und Mäuse in der Milch ertrunken sind, erhält er die
Käse, muß der Bauern unnütze Worte auflesen und mit andern armen Bett¬
lern Innung halten bis an sein Ende. Ferner sind auch viele, die wollen
Kriegsleute sein, Muttersöhne und Milchmäuler, wie die jungen Kälber, die
von keinem Leiden wissen, sie kommen aus einer guten Küche her, haben
hinter dem Ofen gesessen, und Aepfel gebraten, und in warmen Betten
legen. Wenn sie dann in fremdes Land geführt werden, und ihnen allerlei


böser Buben aus allerlei Nationen, und seltsames Volk, das Weib und
Kind, Nahrung und alles verläßt und dem Kriege folgt; alles, was Vater
und Mutter nicht folgen will, muß allda dem Kalbfell, so über die Trommel
gespannt ist, folgen, bis man sie in eine Feldschlacht oder Stürmen bringt,
wo etliche Tausende auf der Wahlstatt liegen, erschossen und erstochen; denn
eines Landsknechts Leben hängt an einem Haar und seine Seele sitzet aus
dem Hut oder Aermel. Zudem wächst allezeit bei Kriegshändcln dreierlei
Kraut: das ist scharfes Regiment, fünfzig verbotene Artikel und strenges Ur¬
theil, schleuniges Recht, das bringt manchen Mann um seinen besten Hals,

" Es ist nicht damit gethan, daß ein Kriegsmann stark, gerade, mannhaft,
tyrannisch, blutgierig, gleich einem grimmen Löwen thut. Und sich für einen
Eisenfresser ausgibt, als wollte er den Teufel allein sangen und verzehren,
daß seine Mitgesellen nichts davon bekommen. Solche Hahnenreißer bringen
sich muthwillig durch ihren dummen Verstand um ihr Leben und andere gute
Gesellen dazu. Ein anderer ist ein Schnarcher und Pocher, der da scharrt,
wie ein ungestümer Gaul auf der Streu, und wenn es an ein Fechten geht,
und Kugeln um den Kopf pfeifen, da ist er ein Märtyrer und armer Sünder,
möchte vor Leid die Hosen verunreinigen, läßt auch wol seine eigne Wehr
aus der Hand fallen. Wenn sie vor dem Zapfen sitzen, oder in Marketender-
Hütten oder Wirthshäusern, da haben sie viel gesehen und wollen nichts thun
als balgen, da ärgert sie eine Fliege an der Wand, die hat keinen Frieden
vor ihnen, dann wollen sie mit ihrem großen Fluchen den Feind schlagen.
Solche Bärenstecher werden am häufigsten angetroffen; selten findet man einen,
der nicht lahme Fäuste, lahme Arme, oder einen Wachtelstrich über einern
Backen hat, und ist doch sein Lebtag nie recht vor den Feind gekommen. Vor
solchen Gesellen mag sich ein Hauptmann wol hüten, denn sie sind gemei¬
niglich Aufrührer und Meuterer. Ein verständiger Kriegsmann meidet Hader»
und Balgen, wo er darf, damit er seine Haut ganz unversehrt vor den Feind
bringt. Wird man vom Feinde geschädigt, das ist eine Ehre. Wer aber
muthwillig um seine Gesundheit kommt, der muß Hohn und Spott hören,
und ist keinem Heere etwas nutz. Ein solcher Gast muß sein Lebtag ein Eier-
und Käscbettler sein und bleiben, er läuft das Land auf und nieder, bettelt
das Brod, verkauft es wieder, muß sich ernähren wie ein Wolf, und wenn
der Bäuerin Ratten und Mäuse in der Milch ertrunken sind, erhält er die
Käse, muß der Bauern unnütze Worte auflesen und mit andern armen Bett¬
lern Innung halten bis an sein Ende. Ferner sind auch viele, die wollen
Kriegsleute sein, Muttersöhne und Milchmäuler, wie die jungen Kälber, die
von keinem Leiden wissen, sie kommen aus einer guten Küche her, haben
hinter dem Ofen gesessen, und Aepfel gebraten, und in warmen Betten
legen. Wenn sie dann in fremdes Land geführt werden, und ihnen allerlei


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[0154] böser Buben aus allerlei Nationen, und seltsames Volk, das Weib und Kind, Nahrung und alles verläßt und dem Kriege folgt; alles, was Vater und Mutter nicht folgen will, muß allda dem Kalbfell, so über die Trommel gespannt ist, folgen, bis man sie in eine Feldschlacht oder Stürmen bringt, wo etliche Tausende auf der Wahlstatt liegen, erschossen und erstochen; denn eines Landsknechts Leben hängt an einem Haar und seine Seele sitzet aus dem Hut oder Aermel. Zudem wächst allezeit bei Kriegshändcln dreierlei Kraut: das ist scharfes Regiment, fünfzig verbotene Artikel und strenges Ur¬ theil, schleuniges Recht, das bringt manchen Mann um seinen besten Hals, " Es ist nicht damit gethan, daß ein Kriegsmann stark, gerade, mannhaft, tyrannisch, blutgierig, gleich einem grimmen Löwen thut. Und sich für einen Eisenfresser ausgibt, als wollte er den Teufel allein sangen und verzehren, daß seine Mitgesellen nichts davon bekommen. Solche Hahnenreißer bringen sich muthwillig durch ihren dummen Verstand um ihr Leben und andere gute Gesellen dazu. Ein anderer ist ein Schnarcher und Pocher, der da scharrt, wie ein ungestümer Gaul auf der Streu, und wenn es an ein Fechten geht, und Kugeln um den Kopf pfeifen, da ist er ein Märtyrer und armer Sünder, möchte vor Leid die Hosen verunreinigen, läßt auch wol seine eigne Wehr aus der Hand fallen. Wenn sie vor dem Zapfen sitzen, oder in Marketender- Hütten oder Wirthshäusern, da haben sie viel gesehen und wollen nichts thun als balgen, da ärgert sie eine Fliege an der Wand, die hat keinen Frieden vor ihnen, dann wollen sie mit ihrem großen Fluchen den Feind schlagen. Solche Bärenstecher werden am häufigsten angetroffen; selten findet man einen, der nicht lahme Fäuste, lahme Arme, oder einen Wachtelstrich über einern Backen hat, und ist doch sein Lebtag nie recht vor den Feind gekommen. Vor solchen Gesellen mag sich ein Hauptmann wol hüten, denn sie sind gemei¬ niglich Aufrührer und Meuterer. Ein verständiger Kriegsmann meidet Hader» und Balgen, wo er darf, damit er seine Haut ganz unversehrt vor den Feind bringt. Wird man vom Feinde geschädigt, das ist eine Ehre. Wer aber muthwillig um seine Gesundheit kommt, der muß Hohn und Spott hören, und ist keinem Heere etwas nutz. Ein solcher Gast muß sein Lebtag ein Eier- und Käscbettler sein und bleiben, er läuft das Land auf und nieder, bettelt das Brod, verkauft es wieder, muß sich ernähren wie ein Wolf, und wenn der Bäuerin Ratten und Mäuse in der Milch ertrunken sind, erhält er die Käse, muß der Bauern unnütze Worte auflesen und mit andern armen Bett¬ lern Innung halten bis an sein Ende. Ferner sind auch viele, die wollen Kriegsleute sein, Muttersöhne und Milchmäuler, wie die jungen Kälber, die von keinem Leiden wissen, sie kommen aus einer guten Küche her, haben hinter dem Ofen gesessen, und Aepfel gebraten, und in warmen Betten legen. Wenn sie dann in fremdes Land geführt werden, und ihnen allerlei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/154>, abgerufen am 09.06.2024.