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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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als wäre es weiches Holz; durch Dampf getriebene Maschinen bohren, hobeln,
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^im. poliren und rändeln mit solcher Genauigkeit und Schönheit, daß kein
Schlvssermeisterstück ihre Arbeit übertrifft. Eine riesige Drechselmaschine dreht
?n Umkreis eines zwanzig Fuß im Durchmesser haltenden Eisenrades mit
vollkommner Genauigkeit ab; eine Hobelmaschine glättet auf einer vierzig Fuß
"ugen Bahn eine ebenso lange Eisenplatte so leicht und genau, wie der Tisch¬
ler ein Tcmnenbret behobelt. Die Schleifsteine der Schleifsäle sprühen wahre
Feuerwerke. Den bedeutendsten Eindruck macht der große Maschinensaal, mit
>^nen Emporen voll feilender Schlosser und mit seinen bewundernswerthen
Mechanismen, welche die Handhabung der massigsten Arbeitsstücke, die hier
zusammengebaut werden, möglich machen.

R. Hartmann ist ein Mann, der, als schlichter Schmiedegesell beginnend,
un eigentlichsten Sinne des Wortes seines Glückes eigner Schmied geworden
'se- Er repräsentirt in derselben Weise wie der gestorbene Borsig in Berlin
^e deutsche bürgerliche Arbeit und deren Segen. Und er ist hier in Chemnitz
Alast der Einzige, von dem dies zu rühmen ist. Man deutete dem Verfasser
'^'hre ansehnliche Fabriken an, deren Besitzer als arme Spinner oder Weber
""singen. Wie jeder Soldat Napoleons einen Marschallsstab im Tornister
^Ug. so trägt jeder Arbeiter der hiesigen Fabriken die Berechtigung in sich,
"Ares ausdauernde Strebsamkeit -und frischen Unternehmungsgeist, Geschick
und Verstand wohlhabend zu werden, und es herrscht infolge dessen unter
^u chemnitzer Gewerbsleuten ein Eifer und Bildungstrieb, der zu den schön¬
en Hoffnungen berechtigt. Die industriellen Lehranstalten sind stark besucht,
an den Sonntagen sieht man Scharen junger Leute mit Büchern und Reiß-
^tern der Fortbildungsschule zuströmen, und der Gewerbverein entwickelt
^ne Thätigkeit, die alle Anerkennung verdient.

Eine von solchem Streben erfüllte Bevölkerung ist eben nicht in Verfü¬
gung, dem Uebermaß jener Gemüthlichkeit zu verfallen, welches die Obererz-
öebirger gelassen, ja halb zufrieden im Elend sitzen bleiben, sie oft nicht ein-
"'ni die Hand ausstrecken läßt, wenn ihnen Hilfe geboten wird. Wol aber
^ sie sich zu hüten, daß sie nicht aus die Dauer das Schöne über dem
'Utzlichen vergißt. Chemnitz, eine Stadt von vierzigtausend Einwohnern,
)ut. obwol sie unter ihren Bürgern viele wohlhabende und manche reiche
öMt. bis jetzt sür die Kunst und für höhern Lebensgenuß so gut wie nichts
whan. Vergebens sieht man sich in der Umgebung nach schönen Land-
huusern und Gärten um. Weder Architektur noch Bildhauerei, weder Theater.
^°es Musik, noch Malerei wirken in Chemnitz der Art. daß dem Geiste, dem
^ Geschäftsleben doch nie volle Befriedigung gewähren kann, ein höherer
Aufschwung gegeben würde.

In dieser Hinsicht wird Chemnitz von dem sonst so prosaischen Manchester,


Grenzboten III. 1859. 2"

als wäre es weiches Holz; durch Dampf getriebene Maschinen bohren, hobeln,
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^im. poliren und rändeln mit solcher Genauigkeit und Schönheit, daß kein
Schlvssermeisterstück ihre Arbeit übertrifft. Eine riesige Drechselmaschine dreht
?n Umkreis eines zwanzig Fuß im Durchmesser haltenden Eisenrades mit
vollkommner Genauigkeit ab; eine Hobelmaschine glättet auf einer vierzig Fuß
"ugen Bahn eine ebenso lange Eisenplatte so leicht und genau, wie der Tisch¬
ler ein Tcmnenbret behobelt. Die Schleifsteine der Schleifsäle sprühen wahre
Feuerwerke. Den bedeutendsten Eindruck macht der große Maschinensaal, mit
>^nen Emporen voll feilender Schlosser und mit seinen bewundernswerthen
Mechanismen, welche die Handhabung der massigsten Arbeitsstücke, die hier
zusammengebaut werden, möglich machen.

R. Hartmann ist ein Mann, der, als schlichter Schmiedegesell beginnend,
un eigentlichsten Sinne des Wortes seines Glückes eigner Schmied geworden
'se- Er repräsentirt in derselben Weise wie der gestorbene Borsig in Berlin
^e deutsche bürgerliche Arbeit und deren Segen. Und er ist hier in Chemnitz
Alast der Einzige, von dem dies zu rühmen ist. Man deutete dem Verfasser
'^'hre ansehnliche Fabriken an, deren Besitzer als arme Spinner oder Weber
""singen. Wie jeder Soldat Napoleons einen Marschallsstab im Tornister
^Ug. so trägt jeder Arbeiter der hiesigen Fabriken die Berechtigung in sich,
"Ares ausdauernde Strebsamkeit -und frischen Unternehmungsgeist, Geschick
und Verstand wohlhabend zu werden, und es herrscht infolge dessen unter
^u chemnitzer Gewerbsleuten ein Eifer und Bildungstrieb, der zu den schön¬
en Hoffnungen berechtigt. Die industriellen Lehranstalten sind stark besucht,
an den Sonntagen sieht man Scharen junger Leute mit Büchern und Reiß-
^tern der Fortbildungsschule zuströmen, und der Gewerbverein entwickelt
^ne Thätigkeit, die alle Anerkennung verdient.

Eine von solchem Streben erfüllte Bevölkerung ist eben nicht in Verfü¬
gung, dem Uebermaß jener Gemüthlichkeit zu verfallen, welches die Obererz-
öebirger gelassen, ja halb zufrieden im Elend sitzen bleiben, sie oft nicht ein-
"'ni die Hand ausstrecken läßt, wenn ihnen Hilfe geboten wird. Wol aber
^ sie sich zu hüten, daß sie nicht aus die Dauer das Schöne über dem
'Utzlichen vergißt. Chemnitz, eine Stadt von vierzigtausend Einwohnern,
)ut. obwol sie unter ihren Bürgern viele wohlhabende und manche reiche
öMt. bis jetzt sür die Kunst und für höhern Lebensgenuß so gut wie nichts
whan. Vergebens sieht man sich in der Umgebung nach schönen Land-
huusern und Gärten um. Weder Architektur noch Bildhauerei, weder Theater.
^°es Musik, noch Malerei wirken in Chemnitz der Art. daß dem Geiste, dem
^ Geschäftsleben doch nie volle Befriedigung gewähren kann, ein höherer
Aufschwung gegeben würde.

In dieser Hinsicht wird Chemnitz von dem sonst so prosaischen Manchester,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/191>, abgerufen am 29.05.2024.