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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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waren, Niederländer, die man schleifend rollen mußte. Oberländer, welche
"aus der bairischen Höhe" geworfen werden mußten, wenn sie gut fallen soll¬
ten. Und oft wurde die lautlose Arbeit durch Flüche. Gezänk und blitzende
Rappiere unterbrochen. Und zwischen den aufgeregten Gesellen schlichen lauernde
Handelsleute, oft Juden, bereit, die gesetzten Ketten. Ringe und Beutestücke
zu schätzen und auszulaufen.*)

Hinter den Zelten der Oberoffiziere und des Negimentsprofoß. durch eine
breite Straße von ihnen getrennt, standen die Buden und Hütten der Marke-
tender in parallelen Querreihen. Marketender. Metzger und gemeine Garköche
bildeten eine wichtige Gemeinschaft. Der Preis ihrer Waaren, der Speisen
oder Getränke ward vom Profoß gegen eine Abgabe in Geld oder eine Na-
turallieferung -- er erhielt z. B. von jedem Stück Rindvieh die Zunge --
bestimmt. Auf jedes Faß. welches ausgezapft wurde, schrieb er mit Kreide
den Preis, um den ausgeschenkt werden mußte. Diese Verbindung und die
durch Gefälligkeiten zu erkaufende Gunst des Gewaltigen erhielt die Lieferan¬
ten des Heeres in verhältnißmüßig sicherer Stellung und half ihnen zu im¬
merhin unregelmäßiger Bezahlung ihrer langen Kerbhölzer, die sie für Ossi'
ziere wie Gemeine zurechtschnitten. Oft hielt der Marketender lustige Dirnen
für Offiziere und Soldaten. In guten Zeiten kamen von weither Kaufleute
mit theuren Stoffen. Juwelen, Gold- und Silberarbeiten und Delicatessen in
das Lager. Namentlich beim Beginn des Krieges war der Luxus und der
Troß der Offiziere zum bösen Beispiel für das Heer ausschweifend; jeder
Hauptmann wollte einen französischen Koch halten und die theuersten Weine
wurden von ihnen massenhaft verbraucht.

Die militärischen Zeichen des Lagers gab beim Fußvolk der Trommel¬
schläger, bei der Cavalene der Trompeter, die Trommel war sehr groß, die
Schläger oft halbwüchsige Buben, zuweilen die Narren der Compagnie") ^
Aber beim Beginn des' Krieges hatten die deutschen Heere wunderlicherweise
für alle Fälle denselben einförmigen Schlag, und jeder Befehl, welchen der
Feldherr dem Lager zu geben hatte, mußte noch durch einen Herold, der hin¬
ter dem Trompeter durch das Lager ritt, ausgerufen werden. Der Herold
trug bei solchen Gelegenheiten über seinem Kleide einen "Levitenrock" von
bunter Seide, vorn und hinten mit dem Wappen des Kriegsherrn bestickt-
Dies Ausrufen, welches den Abend vorher dem ganzen Lager die Arbeit des
nächsten Tages verkündete, war schnellen und geheimen Operationen sehr tM'
tertias. es verschlechterte auch die Disciplin, denn es sicherte den Lungerern
und Räubern des Lagers die Nacht, wenn sie auf Beute hinausschlichen.




Simplicissimus I, 22,
") Närrische Trommelschläger wünscht das Fähnlein zu haben Wallhausen,Kriegskuns
zu Fuß. S, 2S. ^ > '

waren, Niederländer, die man schleifend rollen mußte. Oberländer, welche
„aus der bairischen Höhe" geworfen werden mußten, wenn sie gut fallen soll¬
ten. Und oft wurde die lautlose Arbeit durch Flüche. Gezänk und blitzende
Rappiere unterbrochen. Und zwischen den aufgeregten Gesellen schlichen lauernde
Handelsleute, oft Juden, bereit, die gesetzten Ketten. Ringe und Beutestücke
zu schätzen und auszulaufen.*)

Hinter den Zelten der Oberoffiziere und des Negimentsprofoß. durch eine
breite Straße von ihnen getrennt, standen die Buden und Hütten der Marke-
tender in parallelen Querreihen. Marketender. Metzger und gemeine Garköche
bildeten eine wichtige Gemeinschaft. Der Preis ihrer Waaren, der Speisen
oder Getränke ward vom Profoß gegen eine Abgabe in Geld oder eine Na-
turallieferung — er erhielt z. B. von jedem Stück Rindvieh die Zunge —
bestimmt. Auf jedes Faß. welches ausgezapft wurde, schrieb er mit Kreide
den Preis, um den ausgeschenkt werden mußte. Diese Verbindung und die
durch Gefälligkeiten zu erkaufende Gunst des Gewaltigen erhielt die Lieferan¬
ten des Heeres in verhältnißmüßig sicherer Stellung und half ihnen zu im¬
merhin unregelmäßiger Bezahlung ihrer langen Kerbhölzer, die sie für Ossi'
ziere wie Gemeine zurechtschnitten. Oft hielt der Marketender lustige Dirnen
für Offiziere und Soldaten. In guten Zeiten kamen von weither Kaufleute
mit theuren Stoffen. Juwelen, Gold- und Silberarbeiten und Delicatessen in
das Lager. Namentlich beim Beginn des Krieges war der Luxus und der
Troß der Offiziere zum bösen Beispiel für das Heer ausschweifend; jeder
Hauptmann wollte einen französischen Koch halten und die theuersten Weine
wurden von ihnen massenhaft verbraucht.

Die militärischen Zeichen des Lagers gab beim Fußvolk der Trommel¬
schläger, bei der Cavalene der Trompeter, die Trommel war sehr groß, die
Schläger oft halbwüchsige Buben, zuweilen die Narren der Compagnie") ^
Aber beim Beginn des' Krieges hatten die deutschen Heere wunderlicherweise
für alle Fälle denselben einförmigen Schlag, und jeder Befehl, welchen der
Feldherr dem Lager zu geben hatte, mußte noch durch einen Herold, der hin¬
ter dem Trompeter durch das Lager ritt, ausgerufen werden. Der Herold
trug bei solchen Gelegenheiten über seinem Kleide einen „Levitenrock" von
bunter Seide, vorn und hinten mit dem Wappen des Kriegsherrn bestickt-
Dies Ausrufen, welches den Abend vorher dem ganzen Lager die Arbeit des
nächsten Tages verkündete, war schnellen und geheimen Operationen sehr tM'
tertias. es verschlechterte auch die Disciplin, denn es sicherte den Lungerern
und Räubern des Lagers die Nacht, wenn sie auf Beute hinausschlichen.




Simplicissimus I, 22,
") Närrische Trommelschläger wünscht das Fähnlein zu haben Wallhausen,Kriegskuns
zu Fuß. S, 2S. ^ > '
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[0204] waren, Niederländer, die man schleifend rollen mußte. Oberländer, welche „aus der bairischen Höhe" geworfen werden mußten, wenn sie gut fallen soll¬ ten. Und oft wurde die lautlose Arbeit durch Flüche. Gezänk und blitzende Rappiere unterbrochen. Und zwischen den aufgeregten Gesellen schlichen lauernde Handelsleute, oft Juden, bereit, die gesetzten Ketten. Ringe und Beutestücke zu schätzen und auszulaufen.*) Hinter den Zelten der Oberoffiziere und des Negimentsprofoß. durch eine breite Straße von ihnen getrennt, standen die Buden und Hütten der Marke- tender in parallelen Querreihen. Marketender. Metzger und gemeine Garköche bildeten eine wichtige Gemeinschaft. Der Preis ihrer Waaren, der Speisen oder Getränke ward vom Profoß gegen eine Abgabe in Geld oder eine Na- turallieferung — er erhielt z. B. von jedem Stück Rindvieh die Zunge — bestimmt. Auf jedes Faß. welches ausgezapft wurde, schrieb er mit Kreide den Preis, um den ausgeschenkt werden mußte. Diese Verbindung und die durch Gefälligkeiten zu erkaufende Gunst des Gewaltigen erhielt die Lieferan¬ ten des Heeres in verhältnißmüßig sicherer Stellung und half ihnen zu im¬ merhin unregelmäßiger Bezahlung ihrer langen Kerbhölzer, die sie für Ossi' ziere wie Gemeine zurechtschnitten. Oft hielt der Marketender lustige Dirnen für Offiziere und Soldaten. In guten Zeiten kamen von weither Kaufleute mit theuren Stoffen. Juwelen, Gold- und Silberarbeiten und Delicatessen in das Lager. Namentlich beim Beginn des Krieges war der Luxus und der Troß der Offiziere zum bösen Beispiel für das Heer ausschweifend; jeder Hauptmann wollte einen französischen Koch halten und die theuersten Weine wurden von ihnen massenhaft verbraucht. Die militärischen Zeichen des Lagers gab beim Fußvolk der Trommel¬ schläger, bei der Cavalene der Trompeter, die Trommel war sehr groß, die Schläger oft halbwüchsige Buben, zuweilen die Narren der Compagnie") ^ Aber beim Beginn des' Krieges hatten die deutschen Heere wunderlicherweise für alle Fälle denselben einförmigen Schlag, und jeder Befehl, welchen der Feldherr dem Lager zu geben hatte, mußte noch durch einen Herold, der hin¬ ter dem Trompeter durch das Lager ritt, ausgerufen werden. Der Herold trug bei solchen Gelegenheiten über seinem Kleide einen „Levitenrock" von bunter Seide, vorn und hinten mit dem Wappen des Kriegsherrn bestickt- Dies Ausrufen, welches den Abend vorher dem ganzen Lager die Arbeit des nächsten Tages verkündete, war schnellen und geheimen Operationen sehr tM' tertias. es verschlechterte auch die Disciplin, denn es sicherte den Lungerern und Räubern des Lagers die Nacht, wenn sie auf Beute hinausschlichen. Simplicissimus I, 22, ") Närrische Trommelschläger wünscht das Fähnlein zu haben Wallhausen,Kriegskuns zu Fuß. S, 2S. ^ > '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/204>, abgerufen am 29.05.2024.