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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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War gute Zeit gewesen, eine Schlacht gewonnen, eine reiche Stadt ge¬
plündert, eine wohlhabende Landschaft in Contribution gesetzt, dann war alles
vollauf, Speisen und Getränke billig; es kam ausnahmsweise noch in den
ätzten Jahren des Krieges vor, daß man im baierischen Heere einmal eine
Kuh um eine Pfeife Tabak kaufen konnte.*) Dann saß in den Marketender-
buden Kopf an Kopf eine gedrängte Schar singender, prahlender, schwätzender
Helden, dann hatten die Handelsleute gute Zeit, der Soldat staffirte sich neu
aus, ^ kaufte theure Federn auf seinen Hut, Scharlachhosen mit goldenen
Gallonen, bunte Röcke und runde Maulesel für seine Dirne, dann prangte er
^ Zobel und Marder. Stallknechte ritten ganz in Sammt gekleidet. Paul
Stockmann, Pfarrer in Lützen, erzählt/*) daß in Tillys Armee vor der lü-
Kener Schlacht ein Reiter sein Pferd mit etlichen Schock goldener Sterne, ein
anderer mit dreihundert silbernen Monden bekleidet hatte, daß Soldatendirnen die
^suster Kirchengewänder und Meßornate trugen, einige Stradioten ritten in
^raubten Priesterröcken zum Jubel ihrer Kameraden. In solcher Zeit tranken
^ Zecher einander theuren Wein aus geraubten Altarkelchen zu, und ließen
"us dem erbeuteten Golde lange Ketten machen, von denen sie nach altem
^eiterbrauch einzelne Glieder ablösten, wenn sie eine Zeche zu bezahlen hatten,
^r je länger der Krieg dauerte, desto seltener wurde solche goldene Zeit.
Häufiger als Ueberfluß war Mangel und Armseligkeit. Die Verwüstung der
Landschaften rächte sich furchtbar an den Heeren selbst, das bleiche Gespenst
Hungers, Vorbote der Pest, schlich durch die Lagergassen und hob die
^öcherne Hand gegen jede Strohhütte. Dann hörte die Zufuhr aus der Um-
^gerd auf, die Preise der Lebensmittel wurden unerschwinglich, der Laib
^od wurde z. B. 1640 bei der schwedischen Armee in der Nähe von Gotha
einem Ducaten bezahlt. Dann wurde der Aufenthalt im Feldlager auch
^ den abgehärteten Soldaten unerträglich. Ueberall hohläugige, bleiche (se¬
ichter, in jeder Hüttenreihe Kranke und Sterbende, Gassen und Umgebung
^ Lagers verpestet durch die verwesenden Leiber der gefallenen Thiere. Dann
^ ringsum eine Wüste von unbebauten Aeckern und geschwärzten Dorf-
^ünunern, und das Lager selbst eine grause Todtenstadt; der Troß des Hee-
^s, Dirnen und Knaben, verlor sich plötzlich in den Todtengruben, nur die
^>Mmigsten Hunde erhielten sich von ekler Nahrung, die andern wurden ge¬
pachtet und verzehrt.***) In solcher Zeit schmolzen die Heere dahin und keine
""se der harten Führer vermochte das Verderben abzuwenden.

Das abenteuerliche Leben des Kriegsmanns, so sehr auf leidenschaftlichen





') Grimmelshausen, Seltzamer Springinsfeld.
) I^s-msotÄtio secuväs, I,ut2eusiura. 1633. 4.
') Fascikel im Pfarrarchiv zu Seebergen bei Gotha.

War gute Zeit gewesen, eine Schlacht gewonnen, eine reiche Stadt ge¬
plündert, eine wohlhabende Landschaft in Contribution gesetzt, dann war alles
vollauf, Speisen und Getränke billig; es kam ausnahmsweise noch in den
ätzten Jahren des Krieges vor, daß man im baierischen Heere einmal eine
Kuh um eine Pfeife Tabak kaufen konnte.*) Dann saß in den Marketender-
buden Kopf an Kopf eine gedrängte Schar singender, prahlender, schwätzender
Helden, dann hatten die Handelsleute gute Zeit, der Soldat staffirte sich neu
aus, ^ kaufte theure Federn auf seinen Hut, Scharlachhosen mit goldenen
Gallonen, bunte Röcke und runde Maulesel für seine Dirne, dann prangte er
^ Zobel und Marder. Stallknechte ritten ganz in Sammt gekleidet. Paul
Stockmann, Pfarrer in Lützen, erzählt/*) daß in Tillys Armee vor der lü-
Kener Schlacht ein Reiter sein Pferd mit etlichen Schock goldener Sterne, ein
anderer mit dreihundert silbernen Monden bekleidet hatte, daß Soldatendirnen die
^suster Kirchengewänder und Meßornate trugen, einige Stradioten ritten in
^raubten Priesterröcken zum Jubel ihrer Kameraden. In solcher Zeit tranken
^ Zecher einander theuren Wein aus geraubten Altarkelchen zu, und ließen
"us dem erbeuteten Golde lange Ketten machen, von denen sie nach altem
^eiterbrauch einzelne Glieder ablösten, wenn sie eine Zeche zu bezahlen hatten,
^r je länger der Krieg dauerte, desto seltener wurde solche goldene Zeit.
Häufiger als Ueberfluß war Mangel und Armseligkeit. Die Verwüstung der
Landschaften rächte sich furchtbar an den Heeren selbst, das bleiche Gespenst
Hungers, Vorbote der Pest, schlich durch die Lagergassen und hob die
^öcherne Hand gegen jede Strohhütte. Dann hörte die Zufuhr aus der Um-
^gerd auf, die Preise der Lebensmittel wurden unerschwinglich, der Laib
^od wurde z. B. 1640 bei der schwedischen Armee in der Nähe von Gotha
einem Ducaten bezahlt. Dann wurde der Aufenthalt im Feldlager auch
^ den abgehärteten Soldaten unerträglich. Ueberall hohläugige, bleiche (se¬
ichter, in jeder Hüttenreihe Kranke und Sterbende, Gassen und Umgebung
^ Lagers verpestet durch die verwesenden Leiber der gefallenen Thiere. Dann
^ ringsum eine Wüste von unbebauten Aeckern und geschwärzten Dorf-
^ünunern, und das Lager selbst eine grause Todtenstadt; der Troß des Hee-
^s, Dirnen und Knaben, verlor sich plötzlich in den Todtengruben, nur die
^>Mmigsten Hunde erhielten sich von ekler Nahrung, die andern wurden ge¬
pachtet und verzehrt.***) In solcher Zeit schmolzen die Heere dahin und keine
""se der harten Führer vermochte das Verderben abzuwenden.

Das abenteuerliche Leben des Kriegsmanns, so sehr auf leidenschaftlichen





') Grimmelshausen, Seltzamer Springinsfeld.
) I^s-msotÄtio secuväs, I,ut2eusiura. 1633. 4.
') Fascikel im Pfarrarchiv zu Seebergen bei Gotha.
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[0205] War gute Zeit gewesen, eine Schlacht gewonnen, eine reiche Stadt ge¬ plündert, eine wohlhabende Landschaft in Contribution gesetzt, dann war alles vollauf, Speisen und Getränke billig; es kam ausnahmsweise noch in den ätzten Jahren des Krieges vor, daß man im baierischen Heere einmal eine Kuh um eine Pfeife Tabak kaufen konnte.*) Dann saß in den Marketender- buden Kopf an Kopf eine gedrängte Schar singender, prahlender, schwätzender Helden, dann hatten die Handelsleute gute Zeit, der Soldat staffirte sich neu aus, ^ kaufte theure Federn auf seinen Hut, Scharlachhosen mit goldenen Gallonen, bunte Röcke und runde Maulesel für seine Dirne, dann prangte er ^ Zobel und Marder. Stallknechte ritten ganz in Sammt gekleidet. Paul Stockmann, Pfarrer in Lützen, erzählt/*) daß in Tillys Armee vor der lü- Kener Schlacht ein Reiter sein Pferd mit etlichen Schock goldener Sterne, ein anderer mit dreihundert silbernen Monden bekleidet hatte, daß Soldatendirnen die ^suster Kirchengewänder und Meßornate trugen, einige Stradioten ritten in ^raubten Priesterröcken zum Jubel ihrer Kameraden. In solcher Zeit tranken ^ Zecher einander theuren Wein aus geraubten Altarkelchen zu, und ließen "us dem erbeuteten Golde lange Ketten machen, von denen sie nach altem ^eiterbrauch einzelne Glieder ablösten, wenn sie eine Zeche zu bezahlen hatten, ^r je länger der Krieg dauerte, desto seltener wurde solche goldene Zeit. Häufiger als Ueberfluß war Mangel und Armseligkeit. Die Verwüstung der Landschaften rächte sich furchtbar an den Heeren selbst, das bleiche Gespenst Hungers, Vorbote der Pest, schlich durch die Lagergassen und hob die ^öcherne Hand gegen jede Strohhütte. Dann hörte die Zufuhr aus der Um- ^gerd auf, die Preise der Lebensmittel wurden unerschwinglich, der Laib ^od wurde z. B. 1640 bei der schwedischen Armee in der Nähe von Gotha einem Ducaten bezahlt. Dann wurde der Aufenthalt im Feldlager auch ^ den abgehärteten Soldaten unerträglich. Ueberall hohläugige, bleiche (se¬ ichter, in jeder Hüttenreihe Kranke und Sterbende, Gassen und Umgebung ^ Lagers verpestet durch die verwesenden Leiber der gefallenen Thiere. Dann ^ ringsum eine Wüste von unbebauten Aeckern und geschwärzten Dorf- ^ünunern, und das Lager selbst eine grause Todtenstadt; der Troß des Hee- ^s, Dirnen und Knaben, verlor sich plötzlich in den Todtengruben, nur die ^>Mmigsten Hunde erhielten sich von ekler Nahrung, die andern wurden ge¬ pachtet und verzehrt.***) In solcher Zeit schmolzen die Heere dahin und keine ""se der harten Führer vermochte das Verderben abzuwenden. Das abenteuerliche Leben des Kriegsmanns, so sehr auf leidenschaftlichen ') Grimmelshausen, Seltzamer Springinsfeld. ) I^s-msotÄtio secuväs, I,ut2eusiura. 1633. 4. ') Fascikel im Pfarrarchiv zu Seebergen bei Gotha.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/205>, abgerufen am 30.05.2024.