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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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gern die erste Gelegenheit, zu der frühern Fahne zu desertiren. wo sie Dirne,
Buben, Beute und rückständigen Sold gelassen hatten. Distinguirte Gefangene
wurden zuweilen vom Obersten des Regiments dem gemeinen Soldaten abge¬
kauft; sie wurden im feindlichen Quartier mit Aufmerksamkeit behandelt,
fand doch fast jeder Bekannte oder gar Verwandte darin.

Beutemachen war die Hauptfreude des Soldaten, die Beute der un¬
sichere Gewinn, für den er sein Leben einsetzte, auf sie zu hoffen, die tramige
Poesie, welche ihn in verzweifelter Lage standhaft erhielt. Der Sold war
bescheiden, die Zahlung unsicher, die Beute verhieß Wein, Spiel, eine schmucke
Dirne, ein goldverbrämtes Kleid mit einem Federbusch, ein oder zwei Pferde,
^ Aussicht auf größere Bedeutung in der Compagnie und auf Avancement;
Eitelkeit. Genußsucht und Ehrgeiz entwickelten diese Sehnsucht zu einer gefähr¬
lichen Krankheit der Heere.

Mehr als einmal wurde der Erfolg einer Schlacht dadurch vernichtet, daß
die Soldaten sich zu früh der Plünderung überließen. Zuweilen gelang es
Einzelnen, große Beute zu machen, das Gewonnene wurde fast immer in
düster Schweigern verthan, nach dem Soldatensprichwort -
. "Was mit Trommeln
Robert wird, geht mit Pfeifen verloren." Der Ruf solcher Glücksfälle ging
durch alle Heere. Zuweilen bekam den glücklichen Findern ihr Gewinn schlecht.")
In der Armee des Tilly hatte ein gemeiner Soldat nach der Eroberung von
Magdeburg eine große Beute, man sprach von 30,000 Ducaten, gewonnen und
gleich wieder im Würfelspiel verloren. Tilly ließ ihn henken, nachdem er zu
'den gesagt: "Du hättest mit diesem Geld dein Lebtag wie ein Herr leben
^'unen, da du dir aber selbst nicht zu nützen verstehst, so kann ich nicht ein¬
em, was du meinem Kaiser nützen sollst." Noch am Ende des Krieges hatte
k''ner von Königsmarks Truppe in der Kleinseite von Prag eine ähnliche
^nenne erbeutet und auf einem Sitz wieder verspielt. Königsmark wollte
'du ebenfalls expediren. der Soldat rettete sich durch die unerschrockene Ant¬
wort: es wäre unbillig, wenn Ew. Excellenz mich um dieses Verlustes willen
aufhängen ließen, da ich Hoffnung habe, in der Altstadt noch größere Beute
^ erhalten. Diese Antwort wurde für ein gutes Omen gehalten. Bei der
^irischen Armada wurde im Holtzischen Fußregiment ein Soldat durch gleichen
^ückssall berühmt. Er war längere Zeit Musketier gewesen, kurz vor
Frieden war er zur Pike heruntergekommen und übel bekleidet, das Hemd
^'Ng ihm hinten und vorn zu den zerrissenen Hosen heraus. Dieser Gesell hatte
''u Treffen bei Herbsthausen ein Faß mit französischen Dublonen erbeutet, so groß.
er es kaum forttragen konnte. Darauf entfernte er sich heimlich vom
^girnent. stasfirte sich wie ein Prinz heraus, kaufte eine Kutsche und sechs
Home Pferde, hielt mehre Kutscher. Lakaien. Pagen und einen Kammer-



') Gnmmelshcmscn, Springinsfeld.
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gern die erste Gelegenheit, zu der frühern Fahne zu desertiren. wo sie Dirne,
Buben, Beute und rückständigen Sold gelassen hatten. Distinguirte Gefangene
wurden zuweilen vom Obersten des Regiments dem gemeinen Soldaten abge¬
kauft; sie wurden im feindlichen Quartier mit Aufmerksamkeit behandelt,
fand doch fast jeder Bekannte oder gar Verwandte darin.

Beutemachen war die Hauptfreude des Soldaten, die Beute der un¬
sichere Gewinn, für den er sein Leben einsetzte, auf sie zu hoffen, die tramige
Poesie, welche ihn in verzweifelter Lage standhaft erhielt. Der Sold war
bescheiden, die Zahlung unsicher, die Beute verhieß Wein, Spiel, eine schmucke
Dirne, ein goldverbrämtes Kleid mit einem Federbusch, ein oder zwei Pferde,
^ Aussicht auf größere Bedeutung in der Compagnie und auf Avancement;
Eitelkeit. Genußsucht und Ehrgeiz entwickelten diese Sehnsucht zu einer gefähr¬
lichen Krankheit der Heere.

Mehr als einmal wurde der Erfolg einer Schlacht dadurch vernichtet, daß
die Soldaten sich zu früh der Plünderung überließen. Zuweilen gelang es
Einzelnen, große Beute zu machen, das Gewonnene wurde fast immer in
düster Schweigern verthan, nach dem Soldatensprichwort -
. „Was mit Trommeln
Robert wird, geht mit Pfeifen verloren." Der Ruf solcher Glücksfälle ging
durch alle Heere. Zuweilen bekam den glücklichen Findern ihr Gewinn schlecht.")
In der Armee des Tilly hatte ein gemeiner Soldat nach der Eroberung von
Magdeburg eine große Beute, man sprach von 30,000 Ducaten, gewonnen und
gleich wieder im Würfelspiel verloren. Tilly ließ ihn henken, nachdem er zu
'den gesagt: „Du hättest mit diesem Geld dein Lebtag wie ein Herr leben
^'unen, da du dir aber selbst nicht zu nützen verstehst, so kann ich nicht ein¬
em, was du meinem Kaiser nützen sollst." Noch am Ende des Krieges hatte
k''ner von Königsmarks Truppe in der Kleinseite von Prag eine ähnliche
^nenne erbeutet und auf einem Sitz wieder verspielt. Königsmark wollte
'du ebenfalls expediren. der Soldat rettete sich durch die unerschrockene Ant¬
wort: es wäre unbillig, wenn Ew. Excellenz mich um dieses Verlustes willen
aufhängen ließen, da ich Hoffnung habe, in der Altstadt noch größere Beute
^ erhalten. Diese Antwort wurde für ein gutes Omen gehalten. Bei der
^irischen Armada wurde im Holtzischen Fußregiment ein Soldat durch gleichen
^ückssall berühmt. Er war längere Zeit Musketier gewesen, kurz vor
Frieden war er zur Pike heruntergekommen und übel bekleidet, das Hemd
^'Ng ihm hinten und vorn zu den zerrissenen Hosen heraus. Dieser Gesell hatte
''u Treffen bei Herbsthausen ein Faß mit französischen Dublonen erbeutet, so groß.
er es kaum forttragen konnte. Darauf entfernte er sich heimlich vom
^girnent. stasfirte sich wie ein Prinz heraus, kaufte eine Kutsche und sechs
Home Pferde, hielt mehre Kutscher. Lakaien. Pagen und einen Kammer-



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[0209] gern die erste Gelegenheit, zu der frühern Fahne zu desertiren. wo sie Dirne, Buben, Beute und rückständigen Sold gelassen hatten. Distinguirte Gefangene wurden zuweilen vom Obersten des Regiments dem gemeinen Soldaten abge¬ kauft; sie wurden im feindlichen Quartier mit Aufmerksamkeit behandelt, fand doch fast jeder Bekannte oder gar Verwandte darin. Beutemachen war die Hauptfreude des Soldaten, die Beute der un¬ sichere Gewinn, für den er sein Leben einsetzte, auf sie zu hoffen, die tramige Poesie, welche ihn in verzweifelter Lage standhaft erhielt. Der Sold war bescheiden, die Zahlung unsicher, die Beute verhieß Wein, Spiel, eine schmucke Dirne, ein goldverbrämtes Kleid mit einem Federbusch, ein oder zwei Pferde, ^ Aussicht auf größere Bedeutung in der Compagnie und auf Avancement; Eitelkeit. Genußsucht und Ehrgeiz entwickelten diese Sehnsucht zu einer gefähr¬ lichen Krankheit der Heere. Mehr als einmal wurde der Erfolg einer Schlacht dadurch vernichtet, daß die Soldaten sich zu früh der Plünderung überließen. Zuweilen gelang es Einzelnen, große Beute zu machen, das Gewonnene wurde fast immer in düster Schweigern verthan, nach dem Soldatensprichwort - . „Was mit Trommeln Robert wird, geht mit Pfeifen verloren." Der Ruf solcher Glücksfälle ging durch alle Heere. Zuweilen bekam den glücklichen Findern ihr Gewinn schlecht.") In der Armee des Tilly hatte ein gemeiner Soldat nach der Eroberung von Magdeburg eine große Beute, man sprach von 30,000 Ducaten, gewonnen und gleich wieder im Würfelspiel verloren. Tilly ließ ihn henken, nachdem er zu 'den gesagt: „Du hättest mit diesem Geld dein Lebtag wie ein Herr leben ^'unen, da du dir aber selbst nicht zu nützen verstehst, so kann ich nicht ein¬ em, was du meinem Kaiser nützen sollst." Noch am Ende des Krieges hatte k''ner von Königsmarks Truppe in der Kleinseite von Prag eine ähnliche ^nenne erbeutet und auf einem Sitz wieder verspielt. Königsmark wollte 'du ebenfalls expediren. der Soldat rettete sich durch die unerschrockene Ant¬ wort: es wäre unbillig, wenn Ew. Excellenz mich um dieses Verlustes willen aufhängen ließen, da ich Hoffnung habe, in der Altstadt noch größere Beute ^ erhalten. Diese Antwort wurde für ein gutes Omen gehalten. Bei der ^irischen Armada wurde im Holtzischen Fußregiment ein Soldat durch gleichen ^ückssall berühmt. Er war längere Zeit Musketier gewesen, kurz vor Frieden war er zur Pike heruntergekommen und übel bekleidet, das Hemd ^'Ng ihm hinten und vorn zu den zerrissenen Hosen heraus. Dieser Gesell hatte ''u Treffen bei Herbsthausen ein Faß mit französischen Dublonen erbeutet, so groß. er es kaum forttragen konnte. Darauf entfernte er sich heimlich vom ^girnent. stasfirte sich wie ein Prinz heraus, kaufte eine Kutsche und sechs Home Pferde, hielt mehre Kutscher. Lakaien. Pagen und einen Kammer- ') Gnmmelshcmscn, Springinsfeld. 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/209>, abgerufen am 08.06.2024.