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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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bis das Fähnlein abgerissen war, so hörte auch diese Rücksicht auf. höchstens
begab man sich an eine entlegene Stelle außerhalb des Lagers und Quartiers.
Der Herausforderer warf nach altem Brauch seinen Handschuh hin. nach dem
Zweikampf wurde derselbe von dem Geforderten oder dessen Helfern zurück'
gegeben, zum Zeichen, daß der Handel abgemacht sei. Die Duellanten fochten
allein, oder mit zwei oder drei Secundärem. auch ein Unparteiischer ward ge¬
wählt; vor dem Kampf gelobten einander die Parteien mit Hand und Mund
nicht vor. nicht in. nicht nach dem Kampf den fechtenden Kameraden zu hel¬
fen, noch sie zu rächen, die Duellanten gaben einander die Hände, und ver¬
ziehen im voraus jeder dem andern seinen Tod. Man focht zu Pferde oder
zu Fuß. mit Feuerwehr. Pistole oder Degen, beim Gefecht galt auch Ringe"
oder Niederwerfen, der Stich in den Rücken war von zweifelhafter Anständig¬
keit. Wer Händel suchte, hatte die Ausgabe, vorher geschickt den Gegner zu
schrauben.")

Dem Feind gegenüber herrschte milder Kriegsbrauch und einige Courtoisie.
Da es so gewöhnlich war, die Partei zu wechseln, bildete sich bei den Soldaten
ein Corporationsgefühl aus, welches auch den Feind umfaßte. Die Heere
kannten einander ziemlich genau, nicht nur Charakter der Oberofsiziere. auch
ältere Soldaten waren den Truppen am Rhein und Lech bekannt, wie den
Lagern an der Elbe und Oder; jeden Tag konnte man erwarten, in den feind¬
lichen Reihen einen alten Kameraden zu sehen oder zum Zeltgenossen einen ftü-
Hern Gegner zu erhalten. In der Regel wurde der verlangte Pardon, das
Quartier, gegeben, oft angeboten. Nur wer gegen Kriegsbrauch gerümpft
hatte, oder im Verdacht stand. Teufelskünste zu brauchen, mußte, auch wenn
er bat. erschlagen werden. Zwischen dem honetten Sieger und Besiegten ward
Kartell geschlossen, der Sieger versprach zu schützen, der Gefangene nicht zu
fliehen. Dem Besiegten ward die Waffe. Feldbinde und Hutfeder abgenom¬
men; alles, was er in den Kleidern barg, gehörte dem Sieger, doch wer
"holländisches Quartier" bekam, der behielt alles, was sein Gürtel umschloß'
der anständige Gefangene präsentirte selbst, was er in den Taschen hatte. Der
Verzweifelte konnte das Quartier aufkündigen, dann wurde er getödtet,
wenn er nicht schnell zu entfliehen wußte. Beim Transport wurden ge¬
meine Gefangene je zwei mit einem Arm zusammengebunden und die Nestel"
ans den Hosen genommen, daß sie mit der freien Hand die Beinkleider hal¬
ten mußten. Die Gefangenen konnten gegen Nanzion ausgelöst werden, und
dies Lösegeld wurde durch einen Tarif bei den einzelnen Heeren festgesetzt-
In der letzten Hälfte des Krieges, wo die Soldaten seltener wurden, steckt
man die gemeinen Gefangenen summarisch in das Regiment, oft ohne ihne"
Wahl^zu lassei,. Solche Soldaten galten natürlich für unsicher, sie benutzten


') Simplicisstmus I, g, 9. und Philander von Sittewaldt, Soldatenleben.

bis das Fähnlein abgerissen war, so hörte auch diese Rücksicht auf. höchstens
begab man sich an eine entlegene Stelle außerhalb des Lagers und Quartiers.
Der Herausforderer warf nach altem Brauch seinen Handschuh hin. nach dem
Zweikampf wurde derselbe von dem Geforderten oder dessen Helfern zurück'
gegeben, zum Zeichen, daß der Handel abgemacht sei. Die Duellanten fochten
allein, oder mit zwei oder drei Secundärem. auch ein Unparteiischer ward ge¬
wählt; vor dem Kampf gelobten einander die Parteien mit Hand und Mund
nicht vor. nicht in. nicht nach dem Kampf den fechtenden Kameraden zu hel¬
fen, noch sie zu rächen, die Duellanten gaben einander die Hände, und ver¬
ziehen im voraus jeder dem andern seinen Tod. Man focht zu Pferde oder
zu Fuß. mit Feuerwehr. Pistole oder Degen, beim Gefecht galt auch Ringe"
oder Niederwerfen, der Stich in den Rücken war von zweifelhafter Anständig¬
keit. Wer Händel suchte, hatte die Ausgabe, vorher geschickt den Gegner zu
schrauben.")

Dem Feind gegenüber herrschte milder Kriegsbrauch und einige Courtoisie.
Da es so gewöhnlich war, die Partei zu wechseln, bildete sich bei den Soldaten
ein Corporationsgefühl aus, welches auch den Feind umfaßte. Die Heere
kannten einander ziemlich genau, nicht nur Charakter der Oberofsiziere. auch
ältere Soldaten waren den Truppen am Rhein und Lech bekannt, wie den
Lagern an der Elbe und Oder; jeden Tag konnte man erwarten, in den feind¬
lichen Reihen einen alten Kameraden zu sehen oder zum Zeltgenossen einen ftü-
Hern Gegner zu erhalten. In der Regel wurde der verlangte Pardon, das
Quartier, gegeben, oft angeboten. Nur wer gegen Kriegsbrauch gerümpft
hatte, oder im Verdacht stand. Teufelskünste zu brauchen, mußte, auch wenn
er bat. erschlagen werden. Zwischen dem honetten Sieger und Besiegten ward
Kartell geschlossen, der Sieger versprach zu schützen, der Gefangene nicht zu
fliehen. Dem Besiegten ward die Waffe. Feldbinde und Hutfeder abgenom¬
men; alles, was er in den Kleidern barg, gehörte dem Sieger, doch wer
„holländisches Quartier" bekam, der behielt alles, was sein Gürtel umschloß'
der anständige Gefangene präsentirte selbst, was er in den Taschen hatte. Der
Verzweifelte konnte das Quartier aufkündigen, dann wurde er getödtet,
wenn er nicht schnell zu entfliehen wußte. Beim Transport wurden ge¬
meine Gefangene je zwei mit einem Arm zusammengebunden und die Nestel"
ans den Hosen genommen, daß sie mit der freien Hand die Beinkleider hal¬
ten mußten. Die Gefangenen konnten gegen Nanzion ausgelöst werden, und
dies Lösegeld wurde durch einen Tarif bei den einzelnen Heeren festgesetzt-
In der letzten Hälfte des Krieges, wo die Soldaten seltener wurden, steckt
man die gemeinen Gefangenen summarisch in das Regiment, oft ohne ihne"
Wahl^zu lassei,. Solche Soldaten galten natürlich für unsicher, sie benutzten


') Simplicisstmus I, g, 9. und Philander von Sittewaldt, Soldatenleben.
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[0208] bis das Fähnlein abgerissen war, so hörte auch diese Rücksicht auf. höchstens begab man sich an eine entlegene Stelle außerhalb des Lagers und Quartiers. Der Herausforderer warf nach altem Brauch seinen Handschuh hin. nach dem Zweikampf wurde derselbe von dem Geforderten oder dessen Helfern zurück' gegeben, zum Zeichen, daß der Handel abgemacht sei. Die Duellanten fochten allein, oder mit zwei oder drei Secundärem. auch ein Unparteiischer ward ge¬ wählt; vor dem Kampf gelobten einander die Parteien mit Hand und Mund nicht vor. nicht in. nicht nach dem Kampf den fechtenden Kameraden zu hel¬ fen, noch sie zu rächen, die Duellanten gaben einander die Hände, und ver¬ ziehen im voraus jeder dem andern seinen Tod. Man focht zu Pferde oder zu Fuß. mit Feuerwehr. Pistole oder Degen, beim Gefecht galt auch Ringe" oder Niederwerfen, der Stich in den Rücken war von zweifelhafter Anständig¬ keit. Wer Händel suchte, hatte die Ausgabe, vorher geschickt den Gegner zu schrauben.") Dem Feind gegenüber herrschte milder Kriegsbrauch und einige Courtoisie. Da es so gewöhnlich war, die Partei zu wechseln, bildete sich bei den Soldaten ein Corporationsgefühl aus, welches auch den Feind umfaßte. Die Heere kannten einander ziemlich genau, nicht nur Charakter der Oberofsiziere. auch ältere Soldaten waren den Truppen am Rhein und Lech bekannt, wie den Lagern an der Elbe und Oder; jeden Tag konnte man erwarten, in den feind¬ lichen Reihen einen alten Kameraden zu sehen oder zum Zeltgenossen einen ftü- Hern Gegner zu erhalten. In der Regel wurde der verlangte Pardon, das Quartier, gegeben, oft angeboten. Nur wer gegen Kriegsbrauch gerümpft hatte, oder im Verdacht stand. Teufelskünste zu brauchen, mußte, auch wenn er bat. erschlagen werden. Zwischen dem honetten Sieger und Besiegten ward Kartell geschlossen, der Sieger versprach zu schützen, der Gefangene nicht zu fliehen. Dem Besiegten ward die Waffe. Feldbinde und Hutfeder abgenom¬ men; alles, was er in den Kleidern barg, gehörte dem Sieger, doch wer „holländisches Quartier" bekam, der behielt alles, was sein Gürtel umschloß' der anständige Gefangene präsentirte selbst, was er in den Taschen hatte. Der Verzweifelte konnte das Quartier aufkündigen, dann wurde er getödtet, wenn er nicht schnell zu entfliehen wußte. Beim Transport wurden ge¬ meine Gefangene je zwei mit einem Arm zusammengebunden und die Nestel" ans den Hosen genommen, daß sie mit der freien Hand die Beinkleider hal¬ ten mußten. Die Gefangenen konnten gegen Nanzion ausgelöst werden, und dies Lösegeld wurde durch einen Tarif bei den einzelnen Heeren festgesetzt- In der letzten Hälfte des Krieges, wo die Soldaten seltener wurden, steckt man die gemeinen Gefangenen summarisch in das Regiment, oft ohne ihne" Wahl^zu lassei,. Solche Soldaten galten natürlich für unsicher, sie benutzten ') Simplicisstmus I, g, 9. und Philander von Sittewaldt, Soldatenleben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/208>, abgerufen am 29.05.2024.