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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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umzuspringen. Und welche Lust wird, nach seiner Notifikation vom 15. Juli
Zu schlichen, der alte Papst Pius wol bezeigen. Bundespräsident von Italien
ZU werden? Welche Fähigkeit wird dieser graue, beschränkte Priester, verhaßt
W>e wenige in Italien, wol haben, eine solche Stellung würdig einzunehmen,
wenn er selbst Lust dazu Hütte. Man sieht, daß der Friede von Villafranca
schwanger mit Krieg ist. Und die allgemeine Amnestie bessert daran nichts;
un Gegentheil. Nur darin scheinen uns die liberalen Italiener zu irren, daß
ste glauben, Napoleon habe sie nun ganz verlassen, weil er sie gegenwärtig,
andern Studien und andern Arbeiten zu Liebe sich selbst überläßt. Er wird
wenn er Leben und Gesundheit behält, gewiß wieder und sehr gründlich
Mit seiner Gegenwart und Hilfe beglücken, mehr als ihnen lieb ist.

Für uns ist dieser Blick auf die Verhältnisse Italiens insbesondere inso¬
fern von Wichtigkeit, als er uns zeigt, daß Oestreich Anlaß haben kann, sich
bier ^it wieder zu beschäftigen, ja daß für diese Macht der Zwang entstehen
^Nu, sich wieder dort zu beschäftigen.

Für Deutschland ist die nächste Folge des Friedens von Villafranca Zer-
Mll des deutschen Bundes, mag derselbe offen ausgesprochen werden, oder
uicht. In den Unterhandlungen am Bundestag zu Frankfurt über die Mobil¬
machung und Aufstellung des Bundesheeres, den Anträgen und Gegenanträgen
^eußcns und Oestreichs, den Erklärungen Preußens, daß es sich den Bundeö-
besetzen nicht fügen könne, in dem unwilligen Seitenblick, den Kaiser Franz
Joseph in seinem Manifest auf die Bundesgenossen wirft, die ihn verlassen
haben, spricht sich die Trennung, der Zerfall so deutlich aus, daß eine officielle
Klärung desselben eigentlich überflüssig ist.

Man nehme aber, damit die Dinge ganz klar werden, einmal an, daß
Auslosung des Bundes öffentlich erklärt würde. Es läge dann nahe, daß
jede der beiden deutschen Großmächte eine Aufforderung an die übrigen deut¬
schen Staaten erließe, sich ihr zu einem neuen Bunde anzuschließen. In diesem
Mit wäre das Natürlichste, daß die Süddeutschen sich mit Oestreich, die Nord-
Putschen mit Preußen vereinigten. Für die Süddeutschen fließt das nicht blos
M>s der natürlichen Lage, sondern noch aus etwas Anderem her. Wenn man-
^) Oestreich vorerst gut Freund mit Frankreich wäre und sich sern von einem
Kampfe halten wollte, den Napoleons Angriff auf die Nheingrenze, d. h. in
^ster Linie auf Preußen herbeiführt, so wäre für die Süddeutschen durch ihren
'Uschluß an Oestreich zunächst die Neutralität gesichert, welche sie sich nach
^et unverkennbaren Einschüchterung durch die Napoleonischen Erfolge in Ita-
^u wol. wenn auch kurzsichtigerweise, wünschen mögen. Für einen französischen
Zugriff auf Preußen ist in diesem Fall der Weg so gebahnt, wie nur denkbar.

Aber so glatt, wie hier vorausgesetzt, würde es mit dem Anschluß an
^ beiden Großmächte durchaus nicht einmal gehen. Man gedenke der Furcht


umzuspringen. Und welche Lust wird, nach seiner Notifikation vom 15. Juli
Zu schlichen, der alte Papst Pius wol bezeigen. Bundespräsident von Italien
ZU werden? Welche Fähigkeit wird dieser graue, beschränkte Priester, verhaßt
W>e wenige in Italien, wol haben, eine solche Stellung würdig einzunehmen,
wenn er selbst Lust dazu Hütte. Man sieht, daß der Friede von Villafranca
schwanger mit Krieg ist. Und die allgemeine Amnestie bessert daran nichts;
un Gegentheil. Nur darin scheinen uns die liberalen Italiener zu irren, daß
ste glauben, Napoleon habe sie nun ganz verlassen, weil er sie gegenwärtig,
andern Studien und andern Arbeiten zu Liebe sich selbst überläßt. Er wird
wenn er Leben und Gesundheit behält, gewiß wieder und sehr gründlich
Mit seiner Gegenwart und Hilfe beglücken, mehr als ihnen lieb ist.

Für uns ist dieser Blick auf die Verhältnisse Italiens insbesondere inso¬
fern von Wichtigkeit, als er uns zeigt, daß Oestreich Anlaß haben kann, sich
bier ^it wieder zu beschäftigen, ja daß für diese Macht der Zwang entstehen
^Nu, sich wieder dort zu beschäftigen.

Für Deutschland ist die nächste Folge des Friedens von Villafranca Zer-
Mll des deutschen Bundes, mag derselbe offen ausgesprochen werden, oder
uicht. In den Unterhandlungen am Bundestag zu Frankfurt über die Mobil¬
machung und Aufstellung des Bundesheeres, den Anträgen und Gegenanträgen
^eußcns und Oestreichs, den Erklärungen Preußens, daß es sich den Bundeö-
besetzen nicht fügen könne, in dem unwilligen Seitenblick, den Kaiser Franz
Joseph in seinem Manifest auf die Bundesgenossen wirft, die ihn verlassen
haben, spricht sich die Trennung, der Zerfall so deutlich aus, daß eine officielle
Klärung desselben eigentlich überflüssig ist.

Man nehme aber, damit die Dinge ganz klar werden, einmal an, daß
Auslosung des Bundes öffentlich erklärt würde. Es läge dann nahe, daß
jede der beiden deutschen Großmächte eine Aufforderung an die übrigen deut¬
schen Staaten erließe, sich ihr zu einem neuen Bunde anzuschließen. In diesem
Mit wäre das Natürlichste, daß die Süddeutschen sich mit Oestreich, die Nord-
Putschen mit Preußen vereinigten. Für die Süddeutschen fließt das nicht blos
M>s der natürlichen Lage, sondern noch aus etwas Anderem her. Wenn man-
^) Oestreich vorerst gut Freund mit Frankreich wäre und sich sern von einem
Kampfe halten wollte, den Napoleons Angriff auf die Nheingrenze, d. h. in
^ster Linie auf Preußen herbeiführt, so wäre für die Süddeutschen durch ihren
'Uschluß an Oestreich zunächst die Neutralität gesichert, welche sie sich nach
^et unverkennbaren Einschüchterung durch die Napoleonischen Erfolge in Ita-
^u wol. wenn auch kurzsichtigerweise, wünschen mögen. Für einen französischen
Zugriff auf Preußen ist in diesem Fall der Weg so gebahnt, wie nur denkbar.

Aber so glatt, wie hier vorausgesetzt, würde es mit dem Anschluß an
^ beiden Großmächte durchaus nicht einmal gehen. Man gedenke der Furcht


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[0237] umzuspringen. Und welche Lust wird, nach seiner Notifikation vom 15. Juli Zu schlichen, der alte Papst Pius wol bezeigen. Bundespräsident von Italien ZU werden? Welche Fähigkeit wird dieser graue, beschränkte Priester, verhaßt W>e wenige in Italien, wol haben, eine solche Stellung würdig einzunehmen, wenn er selbst Lust dazu Hütte. Man sieht, daß der Friede von Villafranca schwanger mit Krieg ist. Und die allgemeine Amnestie bessert daran nichts; un Gegentheil. Nur darin scheinen uns die liberalen Italiener zu irren, daß ste glauben, Napoleon habe sie nun ganz verlassen, weil er sie gegenwärtig, andern Studien und andern Arbeiten zu Liebe sich selbst überläßt. Er wird wenn er Leben und Gesundheit behält, gewiß wieder und sehr gründlich Mit seiner Gegenwart und Hilfe beglücken, mehr als ihnen lieb ist. Für uns ist dieser Blick auf die Verhältnisse Italiens insbesondere inso¬ fern von Wichtigkeit, als er uns zeigt, daß Oestreich Anlaß haben kann, sich bier ^it wieder zu beschäftigen, ja daß für diese Macht der Zwang entstehen ^Nu, sich wieder dort zu beschäftigen. Für Deutschland ist die nächste Folge des Friedens von Villafranca Zer- Mll des deutschen Bundes, mag derselbe offen ausgesprochen werden, oder uicht. In den Unterhandlungen am Bundestag zu Frankfurt über die Mobil¬ machung und Aufstellung des Bundesheeres, den Anträgen und Gegenanträgen ^eußcns und Oestreichs, den Erklärungen Preußens, daß es sich den Bundeö- besetzen nicht fügen könne, in dem unwilligen Seitenblick, den Kaiser Franz Joseph in seinem Manifest auf die Bundesgenossen wirft, die ihn verlassen haben, spricht sich die Trennung, der Zerfall so deutlich aus, daß eine officielle Klärung desselben eigentlich überflüssig ist. Man nehme aber, damit die Dinge ganz klar werden, einmal an, daß Auslosung des Bundes öffentlich erklärt würde. Es läge dann nahe, daß jede der beiden deutschen Großmächte eine Aufforderung an die übrigen deut¬ schen Staaten erließe, sich ihr zu einem neuen Bunde anzuschließen. In diesem Mit wäre das Natürlichste, daß die Süddeutschen sich mit Oestreich, die Nord- Putschen mit Preußen vereinigten. Für die Süddeutschen fließt das nicht blos M>s der natürlichen Lage, sondern noch aus etwas Anderem her. Wenn man- ^) Oestreich vorerst gut Freund mit Frankreich wäre und sich sern von einem Kampfe halten wollte, den Napoleons Angriff auf die Nheingrenze, d. h. in ^ster Linie auf Preußen herbeiführt, so wäre für die Süddeutschen durch ihren 'Uschluß an Oestreich zunächst die Neutralität gesichert, welche sie sich nach ^et unverkennbaren Einschüchterung durch die Napoleonischen Erfolge in Ita- ^u wol. wenn auch kurzsichtigerweise, wünschen mögen. Für einen französischen Zugriff auf Preußen ist in diesem Fall der Weg so gebahnt, wie nur denkbar. Aber so glatt, wie hier vorausgesetzt, würde es mit dem Anschluß an ^ beiden Großmächte durchaus nicht einmal gehen. Man gedenke der Furcht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/237>, abgerufen am 24.05.2024.