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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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der kleinen und mittleren Dynasten vor der Mediatisinmg, der Verwandtschaft'
lichen und ähnlicher Bande, welche die nordischen, wie die südlichen nicht
immer in d^e natürlichen Richtungen ziehen. Und welche Stellung würden
nun Luxemburg, welche Holstein einnehmen -- Schleswig ist ja schon esca-
motirt --? Luxemburg würde wol mit Preußen gehn, weil Holland durch einen
Angriff der Franzosen auf die Rheingrenze ebenso bedroht ist als Preußen.
Aber Holstein würde der Konig von Dänemark, der durch kein Verhältniß
mehr gebunden wäre, wenn der alte deutsche Bund nicht mehr existirte, wol
in die Tasche stecken wollen. Dann kommen die Schiedsrichter, die Garanten
des deutschen Bundes, der Kaiser der Franzosen und der Kaiser aller Reussen,
welche ja die Deutschen schon durch Gortschakoff und Walewsti so eindringlich
haben belehren lassen: daß Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Sie kommen, um
Ordnung zu stiften und Kaiser Franz Joseph hilft ihnen dabei. Nach dein
Frieden von Villafranca darf man dies für möglich halten.

Das ist ein Fall. Nicht wahr, eine schöne Aussicht? "Lauter Jejend,
wie bei Moabit, keen Berg, keen Boon!"

Ein anderer Fall wäre der, daß zwar eine offene Auflösung des deutsche"
Bundes nicht sogleich erklärt würde, daß sie aber einträte, sobald Napoleon
den Krieg am Rhein begänne, wozu ihm ein Congreß zur definitiven Rege'
lung der italienischen Angelegenheit die bequemsten Vorwünde verschaffen kann,
daß sie dann in demselben Sinne einträte und von den Fremden ausgebeutet
würde, wie wir es eben besprochen haben.

Endlich der dritte Fall! Alles, was deutsch redet, geht jetzt in sich; die
Presse gibt dem Volk und den Regierungen das gute Beispiel. Sie sucht
ihren Ruhm nicht darin, speichelleckerisch einzelne Persönlichkeiten über andere
zu erheben, nicht darin, die Gefahr zu vertuschen und mit hochtrabenden PlM
sen Verachtung vor einem drohenden Feinde zu erwecken, sie sucht ihn darin,
wo es noth thut, ehrenhaft zu sagen, daß sie sich seit sieben Monaten geirrt
hat, darin, zu sagen, daß Deutschland am Rande des Abgrundes steht, we"n
es sich nicht bald einigt. Alle vergessen, was gegen sie gesündigt worden
ist; alle gestehen ohne Hehl ein, daß sie etwas lernen konnten, nicht sa)""
alles wußten, und zeigen, daß sie etwas gelernt haben. Die Regierungen
stützen sich nicht mehr auf alte wackelbeinige Autoritäten, sondern auf die Böl¬
ler; -- dazu gehört nicht, daß sie Parlamente berufen, eine Dictatur 'se
uns viel nöthiger als ein Parlament; -- eine Dictatur mit einem General'
stab, der weder Moltke Zabalkanski, noch Ariovist Göler für die Stützen der
Zukunft hält, sondern sich aus Männern zusammensetzt, die immer Männer
waren, die immer und zu allen Zeiten die Einheit ihres Vaterlandes selbst
über seine innere Freiheit setzten. Oestreich ließe vorläufig Italien Italien
sein, ließe den Pius sein Ehrenpräsidium ausüben oder nicht, je nach seinen'


der kleinen und mittleren Dynasten vor der Mediatisinmg, der Verwandtschaft'
lichen und ähnlicher Bande, welche die nordischen, wie die südlichen nicht
immer in d^e natürlichen Richtungen ziehen. Und welche Stellung würden
nun Luxemburg, welche Holstein einnehmen — Schleswig ist ja schon esca-
motirt —? Luxemburg würde wol mit Preußen gehn, weil Holland durch einen
Angriff der Franzosen auf die Rheingrenze ebenso bedroht ist als Preußen.
Aber Holstein würde der Konig von Dänemark, der durch kein Verhältniß
mehr gebunden wäre, wenn der alte deutsche Bund nicht mehr existirte, wol
in die Tasche stecken wollen. Dann kommen die Schiedsrichter, die Garanten
des deutschen Bundes, der Kaiser der Franzosen und der Kaiser aller Reussen,
welche ja die Deutschen schon durch Gortschakoff und Walewsti so eindringlich
haben belehren lassen: daß Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Sie kommen, um
Ordnung zu stiften und Kaiser Franz Joseph hilft ihnen dabei. Nach dein
Frieden von Villafranca darf man dies für möglich halten.

Das ist ein Fall. Nicht wahr, eine schöne Aussicht? „Lauter Jejend,
wie bei Moabit, keen Berg, keen Boon!"

Ein anderer Fall wäre der, daß zwar eine offene Auflösung des deutsche»
Bundes nicht sogleich erklärt würde, daß sie aber einträte, sobald Napoleon
den Krieg am Rhein begänne, wozu ihm ein Congreß zur definitiven Rege'
lung der italienischen Angelegenheit die bequemsten Vorwünde verschaffen kann,
daß sie dann in demselben Sinne einträte und von den Fremden ausgebeutet
würde, wie wir es eben besprochen haben.

Endlich der dritte Fall! Alles, was deutsch redet, geht jetzt in sich; die
Presse gibt dem Volk und den Regierungen das gute Beispiel. Sie sucht
ihren Ruhm nicht darin, speichelleckerisch einzelne Persönlichkeiten über andere
zu erheben, nicht darin, die Gefahr zu vertuschen und mit hochtrabenden PlM
sen Verachtung vor einem drohenden Feinde zu erwecken, sie sucht ihn darin,
wo es noth thut, ehrenhaft zu sagen, daß sie sich seit sieben Monaten geirrt
hat, darin, zu sagen, daß Deutschland am Rande des Abgrundes steht, we»n
es sich nicht bald einigt. Alle vergessen, was gegen sie gesündigt worden
ist; alle gestehen ohne Hehl ein, daß sie etwas lernen konnten, nicht sa)""
alles wußten, und zeigen, daß sie etwas gelernt haben. Die Regierungen
stützen sich nicht mehr auf alte wackelbeinige Autoritäten, sondern auf die Böl¬
ler; — dazu gehört nicht, daß sie Parlamente berufen, eine Dictatur 'se
uns viel nöthiger als ein Parlament; — eine Dictatur mit einem General'
stab, der weder Moltke Zabalkanski, noch Ariovist Göler für die Stützen der
Zukunft hält, sondern sich aus Männern zusammensetzt, die immer Männer
waren, die immer und zu allen Zeiten die Einheit ihres Vaterlandes selbst
über seine innere Freiheit setzten. Oestreich ließe vorläufig Italien Italien
sein, ließe den Pius sein Ehrenpräsidium ausüben oder nicht, je nach seinen'


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[0238] der kleinen und mittleren Dynasten vor der Mediatisinmg, der Verwandtschaft' lichen und ähnlicher Bande, welche die nordischen, wie die südlichen nicht immer in d^e natürlichen Richtungen ziehen. Und welche Stellung würden nun Luxemburg, welche Holstein einnehmen — Schleswig ist ja schon esca- motirt —? Luxemburg würde wol mit Preußen gehn, weil Holland durch einen Angriff der Franzosen auf die Rheingrenze ebenso bedroht ist als Preußen. Aber Holstein würde der Konig von Dänemark, der durch kein Verhältniß mehr gebunden wäre, wenn der alte deutsche Bund nicht mehr existirte, wol in die Tasche stecken wollen. Dann kommen die Schiedsrichter, die Garanten des deutschen Bundes, der Kaiser der Franzosen und der Kaiser aller Reussen, welche ja die Deutschen schon durch Gortschakoff und Walewsti so eindringlich haben belehren lassen: daß Ruhe die erste Bürgerpflicht ist. Sie kommen, um Ordnung zu stiften und Kaiser Franz Joseph hilft ihnen dabei. Nach dein Frieden von Villafranca darf man dies für möglich halten. Das ist ein Fall. Nicht wahr, eine schöne Aussicht? „Lauter Jejend, wie bei Moabit, keen Berg, keen Boon!" Ein anderer Fall wäre der, daß zwar eine offene Auflösung des deutsche» Bundes nicht sogleich erklärt würde, daß sie aber einträte, sobald Napoleon den Krieg am Rhein begänne, wozu ihm ein Congreß zur definitiven Rege' lung der italienischen Angelegenheit die bequemsten Vorwünde verschaffen kann, daß sie dann in demselben Sinne einträte und von den Fremden ausgebeutet würde, wie wir es eben besprochen haben. Endlich der dritte Fall! Alles, was deutsch redet, geht jetzt in sich; die Presse gibt dem Volk und den Regierungen das gute Beispiel. Sie sucht ihren Ruhm nicht darin, speichelleckerisch einzelne Persönlichkeiten über andere zu erheben, nicht darin, die Gefahr zu vertuschen und mit hochtrabenden PlM sen Verachtung vor einem drohenden Feinde zu erwecken, sie sucht ihn darin, wo es noth thut, ehrenhaft zu sagen, daß sie sich seit sieben Monaten geirrt hat, darin, zu sagen, daß Deutschland am Rande des Abgrundes steht, we»n es sich nicht bald einigt. Alle vergessen, was gegen sie gesündigt worden ist; alle gestehen ohne Hehl ein, daß sie etwas lernen konnten, nicht sa)"" alles wußten, und zeigen, daß sie etwas gelernt haben. Die Regierungen stützen sich nicht mehr auf alte wackelbeinige Autoritäten, sondern auf die Böl¬ ler; — dazu gehört nicht, daß sie Parlamente berufen, eine Dictatur 'se uns viel nöthiger als ein Parlament; — eine Dictatur mit einem General' stab, der weder Moltke Zabalkanski, noch Ariovist Göler für die Stützen der Zukunft hält, sondern sich aus Männern zusammensetzt, die immer Männer waren, die immer und zu allen Zeiten die Einheit ihres Vaterlandes selbst über seine innere Freiheit setzten. Oestreich ließe vorläufig Italien Italien sein, ließe den Pius sein Ehrenpräsidium ausüben oder nicht, je nach seinen'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/238>, abgerufen am 11.05.2024.