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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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mischten sich romanischer und deutscher Aberglaube, und sast jede Technik der
Kunst festzumachen ist aus der Zeit Fronspergs und Schärüins nachzuweisen.
Schon Luther zürnt im Jahre 1527 über den Aberglauben der Kriegsleute.
"Da sich einer S. Georgen, der andere S. Christoffel befiehlt, einer diesem,
der andere dem Heiligen. Etliche können Eisen und Büchsenstein beschworen;
etliche können Roß und Reiter segnen, etliche tragen S. Johannisevangelium,
oder sonst etwas bei sich, daraus sie sich verlassen."*)

Als der augsburger Büchsenmeister Samuel Zimmermann der ältere in
einem Folioband unier dem Titel: Bezaar, wider alle Stich, Straich
und Schuß, voller großen Geheimnussen die Erfahrungen seines Le¬
bens etwa bis 1591 sammelte, war dieser Aberglaube bei den Heeren scho"
ebenso verbreitet, als hundert Jahr später; Zimmermann erwähnt zwar nur die
schützenden Künste, welche er nicht für belialisch hält, es ist aber aus seinem
Manuscript zu sehen, daß ihm auch zahlreiche Teufelskünste bekannt waren, die
er zu verschweigen beabsichtigt. So war im Jahr 1550 ein wohlbekannter
Raufbold zu Augsburg, der oft prahlte, er wolle lieber mit Zweien oder
Dreien fechten, als eine gute Mahlzeit halten, so fest, daß kein Degenstich
in ihn drang. Er wurde zuletzt durch einen Hellcbardenschlag auf den Hinterkopf
getödtet; ein anderer Bekannter Zimmermanns, der gefroren war, erhielt einen
furchtbaren Dolchstich, es war keine Wunde zu sehen, aber er starb doch kurz
daraus an innern Folgen des Stiches. Im Jahr 1558 war ein Schütz im
Regiment des Grasen Lichtenstein, der nach jedem Scharmützel feindliche Ku¬
geln aus seinen Kleidern und vom bloßen Leibe schüttelte; oft hatte er si?
und die durchgebrannten Löcher seiner Kleider gezeigt. Er wurde zuletzt von
Welschen Bauern erschlagen.

Die Italiener und Spanier, welche 1568 in die Niederlande zogen, führ'
ten ganze Packete und Bücher voll Zauberei, Segen und Beschwörungen mit
sich, ohne Erfolg/*) Fast bei allen Todten und Gefangenen der brandenburgl'
sehen Hilfstruppen, welche durch Burggraf Fabian von Dohna den Hugenot¬
ten zu Hilfe geführt waren, fanden die Franzosen Talismane und magische
Zettel um den Hals gebunden.***) Als der Jesuit Georg Scheerer in der Hof'
kapelle zu Wien 1594 vor Erzherzog Matthias und dessen Kriegsobersten
predigte, fand er für nöthig, gegen die angehängten abergläubischen Wund'





*) Luther: Ob Kriegsleut auch im seligen Stande sein können, 1627. Es war eigentlich
Johannes der Täufer, der nach Luc. 3. für den erbarmenden Gönner der Kriegsleute gaU-
Aber beim Beginn der Reformation war der Unterschied zwischen dem Täufer und Evangelist^
wenigen Landsknechten ja nicht allen Geistlichen deutlich.
**) ^. voclinus, ÄL illÄgoi'um äsrnolloracmig.. I. 3.
nark. vslrio visymsit. Älagie. VI. 1. vrssllis 1606. x. 129. Thurneisser versah
die Kriegsleute der Mark mit solchen Amuleten.

mischten sich romanischer und deutscher Aberglaube, und sast jede Technik der
Kunst festzumachen ist aus der Zeit Fronspergs und Schärüins nachzuweisen.
Schon Luther zürnt im Jahre 1527 über den Aberglauben der Kriegsleute.
„Da sich einer S. Georgen, der andere S. Christoffel befiehlt, einer diesem,
der andere dem Heiligen. Etliche können Eisen und Büchsenstein beschworen;
etliche können Roß und Reiter segnen, etliche tragen S. Johannisevangelium,
oder sonst etwas bei sich, daraus sie sich verlassen."*)

Als der augsburger Büchsenmeister Samuel Zimmermann der ältere in
einem Folioband unier dem Titel: Bezaar, wider alle Stich, Straich
und Schuß, voller großen Geheimnussen die Erfahrungen seines Le¬
bens etwa bis 1591 sammelte, war dieser Aberglaube bei den Heeren scho"
ebenso verbreitet, als hundert Jahr später; Zimmermann erwähnt zwar nur die
schützenden Künste, welche er nicht für belialisch hält, es ist aber aus seinem
Manuscript zu sehen, daß ihm auch zahlreiche Teufelskünste bekannt waren, die
er zu verschweigen beabsichtigt. So war im Jahr 1550 ein wohlbekannter
Raufbold zu Augsburg, der oft prahlte, er wolle lieber mit Zweien oder
Dreien fechten, als eine gute Mahlzeit halten, so fest, daß kein Degenstich
in ihn drang. Er wurde zuletzt durch einen Hellcbardenschlag auf den Hinterkopf
getödtet; ein anderer Bekannter Zimmermanns, der gefroren war, erhielt einen
furchtbaren Dolchstich, es war keine Wunde zu sehen, aber er starb doch kurz
daraus an innern Folgen des Stiches. Im Jahr 1558 war ein Schütz im
Regiment des Grasen Lichtenstein, der nach jedem Scharmützel feindliche Ku¬
geln aus seinen Kleidern und vom bloßen Leibe schüttelte; oft hatte er si?
und die durchgebrannten Löcher seiner Kleider gezeigt. Er wurde zuletzt von
Welschen Bauern erschlagen.

Die Italiener und Spanier, welche 1568 in die Niederlande zogen, führ'
ten ganze Packete und Bücher voll Zauberei, Segen und Beschwörungen mit
sich, ohne Erfolg/*) Fast bei allen Todten und Gefangenen der brandenburgl'
sehen Hilfstruppen, welche durch Burggraf Fabian von Dohna den Hugenot¬
ten zu Hilfe geführt waren, fanden die Franzosen Talismane und magische
Zettel um den Hals gebunden.***) Als der Jesuit Georg Scheerer in der Hof'
kapelle zu Wien 1594 vor Erzherzog Matthias und dessen Kriegsobersten
predigte, fand er für nöthig, gegen die angehängten abergläubischen Wund'





*) Luther: Ob Kriegsleut auch im seligen Stande sein können, 1627. Es war eigentlich
Johannes der Täufer, der nach Luc. 3. für den erbarmenden Gönner der Kriegsleute gaU-
Aber beim Beginn der Reformation war der Unterschied zwischen dem Täufer und Evangelist^
wenigen Landsknechten ja nicht allen Geistlichen deutlich.
**) ^. voclinus, ÄL illÄgoi'um äsrnolloracmig.. I. 3.
nark. vslrio visymsit. Älagie. VI. 1. vrssllis 1606. x. 129. Thurneisser versah
die Kriegsleute der Mark mit solchen Amuleten.
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[0240] mischten sich romanischer und deutscher Aberglaube, und sast jede Technik der Kunst festzumachen ist aus der Zeit Fronspergs und Schärüins nachzuweisen. Schon Luther zürnt im Jahre 1527 über den Aberglauben der Kriegsleute. „Da sich einer S. Georgen, der andere S. Christoffel befiehlt, einer diesem, der andere dem Heiligen. Etliche können Eisen und Büchsenstein beschworen; etliche können Roß und Reiter segnen, etliche tragen S. Johannisevangelium, oder sonst etwas bei sich, daraus sie sich verlassen."*) Als der augsburger Büchsenmeister Samuel Zimmermann der ältere in einem Folioband unier dem Titel: Bezaar, wider alle Stich, Straich und Schuß, voller großen Geheimnussen die Erfahrungen seines Le¬ bens etwa bis 1591 sammelte, war dieser Aberglaube bei den Heeren scho" ebenso verbreitet, als hundert Jahr später; Zimmermann erwähnt zwar nur die schützenden Künste, welche er nicht für belialisch hält, es ist aber aus seinem Manuscript zu sehen, daß ihm auch zahlreiche Teufelskünste bekannt waren, die er zu verschweigen beabsichtigt. So war im Jahr 1550 ein wohlbekannter Raufbold zu Augsburg, der oft prahlte, er wolle lieber mit Zweien oder Dreien fechten, als eine gute Mahlzeit halten, so fest, daß kein Degenstich in ihn drang. Er wurde zuletzt durch einen Hellcbardenschlag auf den Hinterkopf getödtet; ein anderer Bekannter Zimmermanns, der gefroren war, erhielt einen furchtbaren Dolchstich, es war keine Wunde zu sehen, aber er starb doch kurz daraus an innern Folgen des Stiches. Im Jahr 1558 war ein Schütz im Regiment des Grasen Lichtenstein, der nach jedem Scharmützel feindliche Ku¬ geln aus seinen Kleidern und vom bloßen Leibe schüttelte; oft hatte er si? und die durchgebrannten Löcher seiner Kleider gezeigt. Er wurde zuletzt von Welschen Bauern erschlagen. Die Italiener und Spanier, welche 1568 in die Niederlande zogen, führ' ten ganze Packete und Bücher voll Zauberei, Segen und Beschwörungen mit sich, ohne Erfolg/*) Fast bei allen Todten und Gefangenen der brandenburgl' sehen Hilfstruppen, welche durch Burggraf Fabian von Dohna den Hugenot¬ ten zu Hilfe geführt waren, fanden die Franzosen Talismane und magische Zettel um den Hals gebunden.***) Als der Jesuit Georg Scheerer in der Hof' kapelle zu Wien 1594 vor Erzherzog Matthias und dessen Kriegsobersten predigte, fand er für nöthig, gegen die angehängten abergläubischen Wund' *) Luther: Ob Kriegsleut auch im seligen Stande sein können, 1627. Es war eigentlich Johannes der Täufer, der nach Luc. 3. für den erbarmenden Gönner der Kriegsleute gaU- Aber beim Beginn der Reformation war der Unterschied zwischen dem Täufer und Evangelist^ wenigen Landsknechten ja nicht allen Geistlichen deutlich. **) ^. voclinus, ÄL illÄgoi'um äsrnolloracmig.. I. 3. nark. vslrio visymsit. Älagie. VI. 1. vrssllis 1606. x. 129. Thurneisser versah die Kriegsleute der Mark mit solchen Amuleten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/240>, abgerufen am 12.05.2024.