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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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segen für Hauen und Stechen. Schießen und Brennen zu eifern.*) Wenige
^ahre darauf zürnt Jodocus Lorichius demselben Aberglauben.**) Auch er
kennt einen Segen, der vor Verwundung schützt, und geschriebene Segenzettel
der Waldschützen und anderer, der ihnen hilft zu treffen, was sie wollen.

Es ist deshalb unrichtig, wenn spätere Schriftsteller erzählen, daß die
Kunst festzumachen im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zu Passau von
einem Studenten (fahrenden Schüler), wie Gnmmelshausen angibt, oder
Wie andere wollen, von Caspar Neithardt von Hersbruck, dem Nachrichter,
'u die deutschen Heere gebracht worden sei. Denn als Erzherzog Leopold.
Bischof zu Passau, die ruchlosen und schlecht disciplinirten Banden werben
^eß, welche durch ihre Grausamkeit im Elsaß und Böhmen Schrecken ver¬
breiteten, nahmen seine Söldner nur die alten Traditionen auf. die im deut¬
schen Heidenthum wurzeln und durch das ganze Mittelalter fortgeschleppt
worden waren. Ja sogar der Name: "Passauer Kunst", welcher seit jener
3eit gewöhnlich wird, mag aus einem Mißverständniß des Volkes beruhen,
denn im sechzehnten Jahrhundert hießen alle, welche einen Zauber bei sich trugen,
Um unverwundbar zu sein, bei den gelehrten Soldaten Pessulanten, oder
^barakteristiker, und wer die Kunst verstand, solchen Zauber zu lösen, ein
^vivant. Es ist möglich, daß die erste Bezeichnung vom Volk in "Passauer"
verwandelt worden ist.***)

Schon im ersten Jahre des dreißigjährigen Krieges wird die Kunst fest¬
zumachen lebhast besprochen. Eine Nachricht darüber ist bereits früher in d.
Bl- erwähnt worden, sie steht in: "Wahrhafter Bericht von der Belagerung
^ud mit gestürmter Hand Eroberung der Stadt Pilsen inn Besen. 4. (1619).

Zahlreich waren die Mittel, sich und andere fest, oder gefroren zu machen,
^und bei diesem Aberglauben waltete tyrannisch die Mode. Der älteste Brauch
war, die Waffen selbst zu feien. Es gab Nothschwertcr und später Nothbüchsen;
^lebe Schwerter wurden aus verschiedenen Metallen geschmiedet, und wie
^use Zauberrunen, so wurden jetzt an Klinge und Rohr fremdartige Charak-
Ziffern, Kreuze, fremde Wörter und Buchstaben aufgeätzt.1-) Kaum weni-
6^ alt sind die Nothhemden, Siegs- und Se. Georghemden.-j-j-) Sie wurden
^ die Landsknechte auf verschiedene Weise gefertigt. In der Christnacht soll-
nach älterer Sitte unzweifelhafte Jungfrauen das leinene Garn im Na-







>, ") Er gab die drei Predigten heraus unter dem Titel: Ein bewerte Kunst und Wund-
'°S°n, Ingolstadt 1595. 4°.
"
) ^Vdsrglaud, as." ist von inkwonsrlsv LoZen, ^.rei-nsvöu ste. Oölln 1690. 8°.
" , Zimmermann, Goth. Mön. am Ende in einem interessanten Verzeichnis? von mili-
Aschen Kunstausdrücken.
r) Dionysius Klein von Eßlingen: Kriegsinstitution Is98. 8. S. 57.
, 7r) Für die Heidenzeit und das Mittelalter vergl. man bei diesen und andern Bräuchen
^"uns Mythologie.
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segen für Hauen und Stechen. Schießen und Brennen zu eifern.*) Wenige
^ahre darauf zürnt Jodocus Lorichius demselben Aberglauben.**) Auch er
kennt einen Segen, der vor Verwundung schützt, und geschriebene Segenzettel
der Waldschützen und anderer, der ihnen hilft zu treffen, was sie wollen.

Es ist deshalb unrichtig, wenn spätere Schriftsteller erzählen, daß die
Kunst festzumachen im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zu Passau von
einem Studenten (fahrenden Schüler), wie Gnmmelshausen angibt, oder
Wie andere wollen, von Caspar Neithardt von Hersbruck, dem Nachrichter,
'u die deutschen Heere gebracht worden sei. Denn als Erzherzog Leopold.
Bischof zu Passau, die ruchlosen und schlecht disciplinirten Banden werben
^eß, welche durch ihre Grausamkeit im Elsaß und Böhmen Schrecken ver¬
breiteten, nahmen seine Söldner nur die alten Traditionen auf. die im deut¬
schen Heidenthum wurzeln und durch das ganze Mittelalter fortgeschleppt
worden waren. Ja sogar der Name: „Passauer Kunst", welcher seit jener
3eit gewöhnlich wird, mag aus einem Mißverständniß des Volkes beruhen,
denn im sechzehnten Jahrhundert hießen alle, welche einen Zauber bei sich trugen,
Um unverwundbar zu sein, bei den gelehrten Soldaten Pessulanten, oder
^barakteristiker, und wer die Kunst verstand, solchen Zauber zu lösen, ein
^vivant. Es ist möglich, daß die erste Bezeichnung vom Volk in „Passauer"
verwandelt worden ist.***)

Schon im ersten Jahre des dreißigjährigen Krieges wird die Kunst fest¬
zumachen lebhast besprochen. Eine Nachricht darüber ist bereits früher in d.
Bl- erwähnt worden, sie steht in: „Wahrhafter Bericht von der Belagerung
^ud mit gestürmter Hand Eroberung der Stadt Pilsen inn Besen. 4. (1619).

Zahlreich waren die Mittel, sich und andere fest, oder gefroren zu machen,
^und bei diesem Aberglauben waltete tyrannisch die Mode. Der älteste Brauch
war, die Waffen selbst zu feien. Es gab Nothschwertcr und später Nothbüchsen;
^lebe Schwerter wurden aus verschiedenen Metallen geschmiedet, und wie
^use Zauberrunen, so wurden jetzt an Klinge und Rohr fremdartige Charak-
Ziffern, Kreuze, fremde Wörter und Buchstaben aufgeätzt.1-) Kaum weni-
6^ alt sind die Nothhemden, Siegs- und Se. Georghemden.-j-j-) Sie wurden
^ die Landsknechte auf verschiedene Weise gefertigt. In der Christnacht soll-
nach älterer Sitte unzweifelhafte Jungfrauen das leinene Garn im Na-







>, ") Er gab die drei Predigten heraus unter dem Titel: Ein bewerte Kunst und Wund-
'°S°n, Ingolstadt 1595. 4°.
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) ^Vdsrglaud, as.» ist von inkwonsrlsv LoZen, ^.rei-nsvöu ste. Oölln 1690. 8°.
„ , Zimmermann, Goth. Mön. am Ende in einem interessanten Verzeichnis? von mili-
Aschen Kunstausdrücken.
r) Dionysius Klein von Eßlingen: Kriegsinstitution Is98. 8. S. 57.
, 7r) Für die Heidenzeit und das Mittelalter vergl. man bei diesen und andern Bräuchen
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[0241] segen für Hauen und Stechen. Schießen und Brennen zu eifern.*) Wenige ^ahre darauf zürnt Jodocus Lorichius demselben Aberglauben.**) Auch er kennt einen Segen, der vor Verwundung schützt, und geschriebene Segenzettel der Waldschützen und anderer, der ihnen hilft zu treffen, was sie wollen. Es ist deshalb unrichtig, wenn spätere Schriftsteller erzählen, daß die Kunst festzumachen im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zu Passau von einem Studenten (fahrenden Schüler), wie Gnmmelshausen angibt, oder Wie andere wollen, von Caspar Neithardt von Hersbruck, dem Nachrichter, 'u die deutschen Heere gebracht worden sei. Denn als Erzherzog Leopold. Bischof zu Passau, die ruchlosen und schlecht disciplinirten Banden werben ^eß, welche durch ihre Grausamkeit im Elsaß und Böhmen Schrecken ver¬ breiteten, nahmen seine Söldner nur die alten Traditionen auf. die im deut¬ schen Heidenthum wurzeln und durch das ganze Mittelalter fortgeschleppt worden waren. Ja sogar der Name: „Passauer Kunst", welcher seit jener 3eit gewöhnlich wird, mag aus einem Mißverständniß des Volkes beruhen, denn im sechzehnten Jahrhundert hießen alle, welche einen Zauber bei sich trugen, Um unverwundbar zu sein, bei den gelehrten Soldaten Pessulanten, oder ^barakteristiker, und wer die Kunst verstand, solchen Zauber zu lösen, ein ^vivant. Es ist möglich, daß die erste Bezeichnung vom Volk in „Passauer" verwandelt worden ist.***) Schon im ersten Jahre des dreißigjährigen Krieges wird die Kunst fest¬ zumachen lebhast besprochen. Eine Nachricht darüber ist bereits früher in d. Bl- erwähnt worden, sie steht in: „Wahrhafter Bericht von der Belagerung ^ud mit gestürmter Hand Eroberung der Stadt Pilsen inn Besen. 4. (1619). Zahlreich waren die Mittel, sich und andere fest, oder gefroren zu machen, ^und bei diesem Aberglauben waltete tyrannisch die Mode. Der älteste Brauch war, die Waffen selbst zu feien. Es gab Nothschwertcr und später Nothbüchsen; ^lebe Schwerter wurden aus verschiedenen Metallen geschmiedet, und wie ^use Zauberrunen, so wurden jetzt an Klinge und Rohr fremdartige Charak- Ziffern, Kreuze, fremde Wörter und Buchstaben aufgeätzt.1-) Kaum weni- 6^ alt sind die Nothhemden, Siegs- und Se. Georghemden.-j-j-) Sie wurden ^ die Landsknechte auf verschiedene Weise gefertigt. In der Christnacht soll- nach älterer Sitte unzweifelhafte Jungfrauen das leinene Garn im Na- >, ") Er gab die drei Predigten heraus unter dem Titel: Ein bewerte Kunst und Wund- '°S°n, Ingolstadt 1595. 4°. " ) ^Vdsrglaud, as.» ist von inkwonsrlsv LoZen, ^.rei-nsvöu ste. Oölln 1690. 8°. „ , Zimmermann, Goth. Mön. am Ende in einem interessanten Verzeichnis? von mili- Aschen Kunstausdrücken. r) Dionysius Klein von Eßlingen: Kriegsinstitution Is98. 8. S. 57. , 7r) Für die Heidenzeit und das Mittelalter vergl. man bei diesen und andern Bräuchen ^"uns Mythologie. 29»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/241>, abgerufen am 05.06.2024.