Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

waren treulos. Sie schützten nicht gegen jedes. Schon das war unbequem,
daß sie nicht vor der Hand des Scharfrichters bewahrten, Zimmermann berich¬
tet mehre Fälle, wo die zu weit gehenden Hoffnungen eines Gefrornem und
seiner Anhänger auf der Richtstätte getäuscht wurden.") Einzelne Theile des
Körpers, der Nacken und der Rücken zwischen den Schultern, die Arenhöhle,
die Kniekehlen galten für nicht hart oder fest. Auch war der Leib nur gefeit
gegen die gewöhnlichen Metalle, Blei, Eisen und Stahl. Den Gefrorenem
tödtete die einfachste Bauernwaffe, die Holzkeule, serner Kugeln von edlem
Metall, zumal ererbtes Silber. So konnte ein östreichischer Gouverneur von Greifs¬
wald, auf den die Schweden mehr als zwanzig Kugeln abgeschossen hatten,
nur durch den geerbten silbernen Knopf. den ein Soldat in der Tasche trug,
^schössen werden.**) So ward eine Hexe in Schleswig, die in einen Wehrwolf
verwandelt war. durch Erbsilber getödtet.^) Auch durch andere Mischungen
beim Kugelgießen, so wie durch geheime Wasserweihe vermochte man den
Zauber zu öffnen. Schon in der Heidenzeit seite man die Waffen, und von
den alten Zaubermitteln mochten sich manche erhalten haben. Die Schärfe
des Stahls ward mit Roggenbrod, das in der Osternacht gesäuert und ge¬
backen war, kreuzweise überstrichen; man verstand Kugeln zu gießen, welche
töteten, ohne die Haut zu verletzen, andere, welche Blut haben mußten, solche,
welche jede Festigkeit öffneten, und präparirte diese durch Beimischung von pulvtti-
sN'ten Weizenkörnern. Spießglanz. Donnerkeilen, durch Ablöschen in Giften. Auch
diese Künste galten für unnatürlich und gefährlich. Daneben suchte man eif¬
rig nach "natürlichen" Kunststücken, welche ein ehrlicher Kriegsmann mit Vor¬
theil gebrauchen könnte. Man glaubte durch Beimischung von gepulvertem
Hundsgebein Büchsenpulver zu verfertigen, welches keinen Knall gab. Man
achtete Pulver zu. womit man das Geschossene nicht beschädigte, aber auf
Stunden betäubte, anderes, das nicht anbrannte, auch wenn man glühenden
Stahl hineinsteckte, durch Beimischung von Borax und Quecksilber wußte man
Sprengpulver zu schaffen, womit man die Stücke des Feindes, die man beim
Ausfall nicht zu vernageln Zeit hatte, zersprengte. Man suchte das Geheim-
'uß. einem Menschen auch ohne Zauberei doppelte Stärke zu geben, u. s. w.

Eine eigenthümliche, ebenfalls sehr alte Art des Zaubers war das Fest¬
bannen der Feinde durch geheimnißvolle Sprüche, die im Augenblick der Noth
recitirt wurden. Der Wissende vermochte ganze Haufen Reiter und Fußvolk
in stellen, d. h. unbeweglich zu machen, ebenso durch andern Spruch den
Zauber wieder aufzulösen, und dieser Aberglaube hat in dem Romanusbüch-
^'n (o. O. u. I.) noch in unserm Jahrhundert seine abgeschmackten Formeln





') Zimmern-an, Goth. Mön. Bl, 81.
"
) Müllenhof, Sagen. S. 231.
""
) Temme, Pommersche Sagen. No, 244.

waren treulos. Sie schützten nicht gegen jedes. Schon das war unbequem,
daß sie nicht vor der Hand des Scharfrichters bewahrten, Zimmermann berich¬
tet mehre Fälle, wo die zu weit gehenden Hoffnungen eines Gefrornem und
seiner Anhänger auf der Richtstätte getäuscht wurden.") Einzelne Theile des
Körpers, der Nacken und der Rücken zwischen den Schultern, die Arenhöhle,
die Kniekehlen galten für nicht hart oder fest. Auch war der Leib nur gefeit
gegen die gewöhnlichen Metalle, Blei, Eisen und Stahl. Den Gefrorenem
tödtete die einfachste Bauernwaffe, die Holzkeule, serner Kugeln von edlem
Metall, zumal ererbtes Silber. So konnte ein östreichischer Gouverneur von Greifs¬
wald, auf den die Schweden mehr als zwanzig Kugeln abgeschossen hatten,
nur durch den geerbten silbernen Knopf. den ein Soldat in der Tasche trug,
^schössen werden.**) So ward eine Hexe in Schleswig, die in einen Wehrwolf
verwandelt war. durch Erbsilber getödtet.^) Auch durch andere Mischungen
beim Kugelgießen, so wie durch geheime Wasserweihe vermochte man den
Zauber zu öffnen. Schon in der Heidenzeit seite man die Waffen, und von
den alten Zaubermitteln mochten sich manche erhalten haben. Die Schärfe
des Stahls ward mit Roggenbrod, das in der Osternacht gesäuert und ge¬
backen war, kreuzweise überstrichen; man verstand Kugeln zu gießen, welche
töteten, ohne die Haut zu verletzen, andere, welche Blut haben mußten, solche,
welche jede Festigkeit öffneten, und präparirte diese durch Beimischung von pulvtti-
sN'ten Weizenkörnern. Spießglanz. Donnerkeilen, durch Ablöschen in Giften. Auch
diese Künste galten für unnatürlich und gefährlich. Daneben suchte man eif¬
rig nach „natürlichen" Kunststücken, welche ein ehrlicher Kriegsmann mit Vor¬
theil gebrauchen könnte. Man glaubte durch Beimischung von gepulvertem
Hundsgebein Büchsenpulver zu verfertigen, welches keinen Knall gab. Man
achtete Pulver zu. womit man das Geschossene nicht beschädigte, aber auf
Stunden betäubte, anderes, das nicht anbrannte, auch wenn man glühenden
Stahl hineinsteckte, durch Beimischung von Borax und Quecksilber wußte man
Sprengpulver zu schaffen, womit man die Stücke des Feindes, die man beim
Ausfall nicht zu vernageln Zeit hatte, zersprengte. Man suchte das Geheim-
'uß. einem Menschen auch ohne Zauberei doppelte Stärke zu geben, u. s. w.

Eine eigenthümliche, ebenfalls sehr alte Art des Zaubers war das Fest¬
bannen der Feinde durch geheimnißvolle Sprüche, die im Augenblick der Noth
recitirt wurden. Der Wissende vermochte ganze Haufen Reiter und Fußvolk
in stellen, d. h. unbeweglich zu machen, ebenso durch andern Spruch den
Zauber wieder aufzulösen, und dieser Aberglaube hat in dem Romanusbüch-
^'n (o. O. u. I.) noch in unserm Jahrhundert seine abgeschmackten Formeln





') Zimmern-an, Goth. Mön. Bl, 81.
"
) Müllenhof, Sagen. S. 231.
""
) Temme, Pommersche Sagen. No, 244.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107831"/>
              <p xml:id="ID_796" prev="#ID_795"> waren treulos. Sie schützten nicht gegen jedes. Schon das war unbequem,<lb/>
daß sie nicht vor der Hand des Scharfrichters bewahrten, Zimmermann berich¬<lb/>
tet mehre Fälle, wo die zu weit gehenden Hoffnungen eines Gefrornem und<lb/>
seiner Anhänger auf der Richtstätte getäuscht wurden.") Einzelne Theile des<lb/>
Körpers, der Nacken und der Rücken zwischen den Schultern, die Arenhöhle,<lb/>
die Kniekehlen galten für nicht hart oder fest. Auch war der Leib nur gefeit<lb/>
gegen die gewöhnlichen Metalle, Blei, Eisen und Stahl. Den Gefrorenem<lb/>
tödtete die einfachste Bauernwaffe, die Holzkeule, serner Kugeln von edlem<lb/>
Metall, zumal ererbtes Silber. So konnte ein östreichischer Gouverneur von Greifs¬<lb/>
wald, auf den die Schweden mehr als zwanzig Kugeln abgeschossen hatten,<lb/>
nur durch den geerbten silbernen Knopf. den ein Soldat in der Tasche trug,<lb/>
^schössen werden.**) So ward eine Hexe in Schleswig, die in einen Wehrwolf<lb/>
verwandelt war. durch Erbsilber getödtet.^) Auch durch andere Mischungen<lb/>
beim Kugelgießen, so wie durch geheime Wasserweihe vermochte man den<lb/>
Zauber zu öffnen. Schon in der Heidenzeit seite man die Waffen, und von<lb/>
den alten Zaubermitteln mochten sich manche erhalten haben. Die Schärfe<lb/>
des Stahls ward mit Roggenbrod, das in der Osternacht gesäuert und ge¬<lb/>
backen war, kreuzweise überstrichen; man verstand Kugeln zu gießen, welche<lb/>
töteten, ohne die Haut zu verletzen, andere, welche Blut haben mußten, solche,<lb/>
welche jede Festigkeit öffneten, und präparirte diese durch Beimischung von pulvtti-<lb/>
sN'ten Weizenkörnern. Spießglanz. Donnerkeilen, durch Ablöschen in Giften. Auch<lb/>
diese Künste galten für unnatürlich und gefährlich. Daneben suchte man eif¬<lb/>
rig nach &#x201E;natürlichen" Kunststücken, welche ein ehrlicher Kriegsmann mit Vor¬<lb/>
theil gebrauchen könnte. Man glaubte durch Beimischung von gepulvertem<lb/>
Hundsgebein Büchsenpulver zu verfertigen, welches keinen Knall gab. Man<lb/>
achtete Pulver zu. womit man das Geschossene nicht beschädigte, aber auf<lb/>
Stunden betäubte, anderes, das nicht anbrannte, auch wenn man glühenden<lb/>
Stahl hineinsteckte, durch Beimischung von Borax und Quecksilber wußte man<lb/>
Sprengpulver zu schaffen, womit man die Stücke des Feindes, die man beim<lb/>
Ausfall nicht zu vernageln Zeit hatte, zersprengte. Man suchte das Geheim-<lb/>
'uß. einem Menschen auch ohne Zauberei doppelte Stärke zu geben, u. s. w.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_797" next="#ID_798"> Eine eigenthümliche, ebenfalls sehr alte Art des Zaubers war das Fest¬<lb/>
bannen der Feinde durch geheimnißvolle Sprüche, die im Augenblick der Noth<lb/>
recitirt wurden. Der Wissende vermochte ganze Haufen Reiter und Fußvolk<lb/>
in stellen, d. h. unbeweglich zu machen, ebenso durch andern Spruch den<lb/>
Zauber wieder aufzulösen, und dieser Aberglaube hat in dem Romanusbüch-<lb/>
^'n (o. O. u. I.) noch in unserm Jahrhundert seine abgeschmackten Formeln</p><lb/>
              <note xml:id="FID_71" place="foot"> ') Zimmern-an, Goth. Mön. Bl, 81.<lb/>
"</note><lb/>
              <note xml:id="FID_72" place="foot"> ) Müllenhof, Sagen. S. 231.<lb/>
""</note><lb/>
              <note xml:id="FID_73" place="foot"> ) Temme, Pommersche Sagen. No, 244.</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0245] waren treulos. Sie schützten nicht gegen jedes. Schon das war unbequem, daß sie nicht vor der Hand des Scharfrichters bewahrten, Zimmermann berich¬ tet mehre Fälle, wo die zu weit gehenden Hoffnungen eines Gefrornem und seiner Anhänger auf der Richtstätte getäuscht wurden.") Einzelne Theile des Körpers, der Nacken und der Rücken zwischen den Schultern, die Arenhöhle, die Kniekehlen galten für nicht hart oder fest. Auch war der Leib nur gefeit gegen die gewöhnlichen Metalle, Blei, Eisen und Stahl. Den Gefrorenem tödtete die einfachste Bauernwaffe, die Holzkeule, serner Kugeln von edlem Metall, zumal ererbtes Silber. So konnte ein östreichischer Gouverneur von Greifs¬ wald, auf den die Schweden mehr als zwanzig Kugeln abgeschossen hatten, nur durch den geerbten silbernen Knopf. den ein Soldat in der Tasche trug, ^schössen werden.**) So ward eine Hexe in Schleswig, die in einen Wehrwolf verwandelt war. durch Erbsilber getödtet.^) Auch durch andere Mischungen beim Kugelgießen, so wie durch geheime Wasserweihe vermochte man den Zauber zu öffnen. Schon in der Heidenzeit seite man die Waffen, und von den alten Zaubermitteln mochten sich manche erhalten haben. Die Schärfe des Stahls ward mit Roggenbrod, das in der Osternacht gesäuert und ge¬ backen war, kreuzweise überstrichen; man verstand Kugeln zu gießen, welche töteten, ohne die Haut zu verletzen, andere, welche Blut haben mußten, solche, welche jede Festigkeit öffneten, und präparirte diese durch Beimischung von pulvtti- sN'ten Weizenkörnern. Spießglanz. Donnerkeilen, durch Ablöschen in Giften. Auch diese Künste galten für unnatürlich und gefährlich. Daneben suchte man eif¬ rig nach „natürlichen" Kunststücken, welche ein ehrlicher Kriegsmann mit Vor¬ theil gebrauchen könnte. Man glaubte durch Beimischung von gepulvertem Hundsgebein Büchsenpulver zu verfertigen, welches keinen Knall gab. Man achtete Pulver zu. womit man das Geschossene nicht beschädigte, aber auf Stunden betäubte, anderes, das nicht anbrannte, auch wenn man glühenden Stahl hineinsteckte, durch Beimischung von Borax und Quecksilber wußte man Sprengpulver zu schaffen, womit man die Stücke des Feindes, die man beim Ausfall nicht zu vernageln Zeit hatte, zersprengte. Man suchte das Geheim- 'uß. einem Menschen auch ohne Zauberei doppelte Stärke zu geben, u. s. w. Eine eigenthümliche, ebenfalls sehr alte Art des Zaubers war das Fest¬ bannen der Feinde durch geheimnißvolle Sprüche, die im Augenblick der Noth recitirt wurden. Der Wissende vermochte ganze Haufen Reiter und Fußvolk in stellen, d. h. unbeweglich zu machen, ebenso durch andern Spruch den Zauber wieder aufzulösen, und dieser Aberglaube hat in dem Romanusbüch- ^'n (o. O. u. I.) noch in unserm Jahrhundert seine abgeschmackten Formeln ') Zimmern-an, Goth. Mön. Bl, 81. " ) Müllenhof, Sagen. S. 231. "" ) Temme, Pommersche Sagen. No, 244.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/245
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/245>, abgerufen am 28.05.2024.