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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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rechnet war, traten Verzögerungen ein; dazu kam die Nachricht vom zweiten
wiener Aufstand und von dem bereits erfolgten Fall Peschieras. Radetzky
kehrte nun um, ging bei Mantua ans linke Mincioufer, bei Legnago ans
linke Etschufer, mcirschirte auf Vicenza, zwang hier am 10. Juni die päpst¬
lichen Truppen unter Durando zur Kapitulation und eilte dann sofort wieder
nach Verona, wo er eben zur rechten Zeit ankam, um einen zweiten Versuch
der Piemontesen, Verona durch Handstreich zu nehmen, zu vereiteln. Weitere
Verstärkungen zogen nun Radetzky ungehindert zu; die Piemontesen dagegen
trafen Anstalten zur Belagerung Mantuas. Die Einschließung dieses Platzt,
welcher viel umfangreicher ist, als Peschiera. auf beiden Usern des Mincio.
bedingte eine größere Zertheilung der Kräfte, auch die Beobachtungsstellung
zwischen Mincio und Etsch gegen Verona mußte nun abgeschwächt werden.
Radetzky benutzte dies zu einem offensiven Vorgehn von Verona gegen den
Mincio. er gewann den Sieg von Custozza, welcher ihn aus der Festungs¬
gruppe heraus und zu dem Siege und dem Waffenstillstand von Mailand
führte.

Es wird klar sein, daß es dem Angriff vor allen Dingen darauf an¬
kommen sollte, eine solche Festungsgruppe zu isoliren.

Denn erstens bezieht der Vertheidiger eine solche Stellung vornämlich nur,
um Verstärkungen abzuwarten; zweitens muß er auf ihrem Gebiete aber auch
leben, so lange er sich aus demselben befindet.

Die Verstärkungen können dem Vertheidiger der Festungsgruppe nicht zu¬
gehen, wenn der Feind sich zwischen die Gruppe und jene stellt; versteht sich
mit überlegenen Kräften. Leben aus einem Gebiete beschränkter Ausdehnung,
dessen Bevölkerung möglicherweise durch den Zuzug einer großen Armee ver¬
doppelt wird, kann man, von allen sonstigen Quellen abgeschnitten, nur eine
bestimmte Zeit.

Es folgt hieraus ohne weiteres, daß eine große Armee in einer solchen
Festungsgruppe weniger Zeit zum kühlen Abwarten hat, als eine kleine, daß
es doppelten, dreifachen Geistes an der Spitze der erstem bedarf. Denn sie
muß jede Gelegenheit zum offensiven Draufgehn kräftig beim Schöpf neh¬
men, weil sie kürzere Zeit auf dem Gebiete leben kann, auf welches sie sich
eingeschränkt hat; sie kann das freilich auch, bei ihrer größeren Stärke findet
sie viel mehr Gelegenheiten; aber ob sie diese benutzt, das hängt doch von
dem Mann ab, der sie befehligt. Traut man einem Giulay. der das Ca-
nap6 an der Sesia so feurig geliebt hat, zu, daß er dergleichen Gelegenheiten
benutzen werde? Wir thun es nicht,-- und mit dem Heß, den man auf alle
mögliche Weise zwischen alle möglichen kaiserlichen, fürstlichen und gräflichen
Stühle zwängt, ist unserer Meinung nach auch nichts gebessert. Ein unum¬
schränkter und tüchtiger Führer, kein Mann, der nur die halbe Verantwort-


rechnet war, traten Verzögerungen ein; dazu kam die Nachricht vom zweiten
wiener Aufstand und von dem bereits erfolgten Fall Peschieras. Radetzky
kehrte nun um, ging bei Mantua ans linke Mincioufer, bei Legnago ans
linke Etschufer, mcirschirte auf Vicenza, zwang hier am 10. Juni die päpst¬
lichen Truppen unter Durando zur Kapitulation und eilte dann sofort wieder
nach Verona, wo er eben zur rechten Zeit ankam, um einen zweiten Versuch
der Piemontesen, Verona durch Handstreich zu nehmen, zu vereiteln. Weitere
Verstärkungen zogen nun Radetzky ungehindert zu; die Piemontesen dagegen
trafen Anstalten zur Belagerung Mantuas. Die Einschließung dieses Platzt,
welcher viel umfangreicher ist, als Peschiera. auf beiden Usern des Mincio.
bedingte eine größere Zertheilung der Kräfte, auch die Beobachtungsstellung
zwischen Mincio und Etsch gegen Verona mußte nun abgeschwächt werden.
Radetzky benutzte dies zu einem offensiven Vorgehn von Verona gegen den
Mincio. er gewann den Sieg von Custozza, welcher ihn aus der Festungs¬
gruppe heraus und zu dem Siege und dem Waffenstillstand von Mailand
führte.

Es wird klar sein, daß es dem Angriff vor allen Dingen darauf an¬
kommen sollte, eine solche Festungsgruppe zu isoliren.

Denn erstens bezieht der Vertheidiger eine solche Stellung vornämlich nur,
um Verstärkungen abzuwarten; zweitens muß er auf ihrem Gebiete aber auch
leben, so lange er sich aus demselben befindet.

Die Verstärkungen können dem Vertheidiger der Festungsgruppe nicht zu¬
gehen, wenn der Feind sich zwischen die Gruppe und jene stellt; versteht sich
mit überlegenen Kräften. Leben aus einem Gebiete beschränkter Ausdehnung,
dessen Bevölkerung möglicherweise durch den Zuzug einer großen Armee ver¬
doppelt wird, kann man, von allen sonstigen Quellen abgeschnitten, nur eine
bestimmte Zeit.

Es folgt hieraus ohne weiteres, daß eine große Armee in einer solchen
Festungsgruppe weniger Zeit zum kühlen Abwarten hat, als eine kleine, daß
es doppelten, dreifachen Geistes an der Spitze der erstem bedarf. Denn sie
muß jede Gelegenheit zum offensiven Draufgehn kräftig beim Schöpf neh¬
men, weil sie kürzere Zeit auf dem Gebiete leben kann, auf welches sie sich
eingeschränkt hat; sie kann das freilich auch, bei ihrer größeren Stärke findet
sie viel mehr Gelegenheiten; aber ob sie diese benutzt, das hängt doch von
dem Mann ab, der sie befehligt. Traut man einem Giulay. der das Ca-
nap6 an der Sesia so feurig geliebt hat, zu, daß er dergleichen Gelegenheiten
benutzen werde? Wir thun es nicht,— und mit dem Heß, den man auf alle
mögliche Weise zwischen alle möglichen kaiserlichen, fürstlichen und gräflichen
Stühle zwängt, ist unserer Meinung nach auch nichts gebessert. Ein unum¬
schränkter und tüchtiger Führer, kein Mann, der nur die halbe Verantwort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/34>, abgerufen am 12.05.2024.