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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Landwehr für den Krieg über 550,000 Mann. Dies auf zehn Jahre vertheilt
und den Abgang durch Sterbefälle berechnet, so wie die Cadresmannschasten,
welche freiwillig länger dienen (Offiziere und Unteroffiziere), in Betracht ge-
müßten jährlich 60.000 Mann ins Heer eingestellt werden, welches bei
^'jähriger Präsenz eine Armee von 180,000 Mann beständig auf den Beinen,
^' h. gegen jetzt 50,000 Mann oder fast die Hälfte mehr geben würde. Der
^'litäretat stiege dabei von 33 Millionen Thaler auf mindestens 50 Millionen.
^ Mindestens sagen wir; denn man muß wohl berechnen, daß unter solchen
^Wänden auch die Zahl der Landwehrofsiziere noch mehr als jetzt beschränkt
^rden würde. Die reine Einnahme Preußens belief sich aber 1858 auf
^'/s Millionen Thaler. Statt der 45 Procent der reinen Einnahme, welche
>M herauskommen, würde also dann der Militäretat auf 70 Procent kommen!
^ber dies wäre noch das Wenigste. Man bedenke, daß unter diesen Un¬
bilden in Preußen die ganze Hülste der überhaupt dienstpflichtigen Mann-
'abäst auf drei Jahre in Dienst gestellt und der Friedensarbeit entzogen
^U'de, abgesehen von den Uebungen der beurlaubten Reservemannschaften in
der Präsenzzeit folgenden sieben Jahren. Man bedenke, daß Oestreich dieses
System bei einer Bevölkerung von 33 Millionen -- mehr als das Doppelte der
^ußischm -- handhabt und dabei doch, bei Lichte betrachtet, nicht viel mehr
U'Ppen ins Feld stellt, als Preußen mit dem Landwehrsystem es kann. Zu
"^'z ähnlichen Verhältnissen würde man gelangen, wenn etwa das franzö-
lche System adoptirt werden sollte. Aus dem Cirkel entweder der zu großen
" °stjpieljgkeit des Systems oder der Unzulänglichkeit der Streitkräfte wird man
^chaupt bei keiner Aenderung herauskommen, wenn man sich nicht zu
°Wer beträchtlichen Verminderung der Präsenzzeit entschließen kann.

Ein Mittelweg wäre einzuschlagen, wie man ihn etwa in Holland oder
Sardinien hat, wo die Mannschaft in zwei Classen zerfällt, eine, die eine
Reihe von Jahren bei der Fahne bleibt und den eigentlichen Stamm
Heeres bildet, eine andere, welche nur zu kurzen Uebungen in gewissen
.^träumen einberufen wird (letztere Milizen in Holland, Provinzialen in
Linien genannt). Aber man kann in Preußen schwerlich ein System
^ senden, welches verschiedenen Leuten ganz verschiedenartige Lasten auferlegt.
an könnte in Preußen schwerlich die beiden verschiedenen Classen der Mann¬
est durch ein und dasselbe Mittel, durch die Aushebung nämlich, gewinnen,
würde vielmehr dann hier auch darin den Holländern nachahmen
daß man die Stammclasse aus gewordenen Freiwilligen bildete, was-
"° nur die viel zahlreichere Milizclasse durch die Conscription -- Aushebung
gewonnen würde. Diese Einrichtung möchte nun ziemlich empfehlens-
sein; mir zweifeln nur, aufrichtig gestanden, ob man für den Bedarf
^ Marken preußischen Armee die nothwendigen Freiwilligen ohne einen enor-


Landwehr für den Krieg über 550,000 Mann. Dies auf zehn Jahre vertheilt
und den Abgang durch Sterbefälle berechnet, so wie die Cadresmannschasten,
welche freiwillig länger dienen (Offiziere und Unteroffiziere), in Betracht ge-
müßten jährlich 60.000 Mann ins Heer eingestellt werden, welches bei
^'jähriger Präsenz eine Armee von 180,000 Mann beständig auf den Beinen,
^' h. gegen jetzt 50,000 Mann oder fast die Hälfte mehr geben würde. Der
^'litäretat stiege dabei von 33 Millionen Thaler auf mindestens 50 Millionen.
^ Mindestens sagen wir; denn man muß wohl berechnen, daß unter solchen
^Wänden auch die Zahl der Landwehrofsiziere noch mehr als jetzt beschränkt
^rden würde. Die reine Einnahme Preußens belief sich aber 1858 auf
^'/s Millionen Thaler. Statt der 45 Procent der reinen Einnahme, welche
>M herauskommen, würde also dann der Militäretat auf 70 Procent kommen!
^ber dies wäre noch das Wenigste. Man bedenke, daß unter diesen Un¬
bilden in Preußen die ganze Hülste der überhaupt dienstpflichtigen Mann-
'abäst auf drei Jahre in Dienst gestellt und der Friedensarbeit entzogen
^U'de, abgesehen von den Uebungen der beurlaubten Reservemannschaften in
der Präsenzzeit folgenden sieben Jahren. Man bedenke, daß Oestreich dieses
System bei einer Bevölkerung von 33 Millionen — mehr als das Doppelte der
^ußischm — handhabt und dabei doch, bei Lichte betrachtet, nicht viel mehr
U'Ppen ins Feld stellt, als Preußen mit dem Landwehrsystem es kann. Zu
»^'z ähnlichen Verhältnissen würde man gelangen, wenn etwa das franzö-
lche System adoptirt werden sollte. Aus dem Cirkel entweder der zu großen
„ °stjpieljgkeit des Systems oder der Unzulänglichkeit der Streitkräfte wird man
^chaupt bei keiner Aenderung herauskommen, wenn man sich nicht zu
°Wer beträchtlichen Verminderung der Präsenzzeit entschließen kann.

Ein Mittelweg wäre einzuschlagen, wie man ihn etwa in Holland oder
Sardinien hat, wo die Mannschaft in zwei Classen zerfällt, eine, die eine
Reihe von Jahren bei der Fahne bleibt und den eigentlichen Stamm
Heeres bildet, eine andere, welche nur zu kurzen Uebungen in gewissen
.^träumen einberufen wird (letztere Milizen in Holland, Provinzialen in
Linien genannt). Aber man kann in Preußen schwerlich ein System
^ senden, welches verschiedenen Leuten ganz verschiedenartige Lasten auferlegt.
an könnte in Preußen schwerlich die beiden verschiedenen Classen der Mann¬
est durch ein und dasselbe Mittel, durch die Aushebung nämlich, gewinnen,
würde vielmehr dann hier auch darin den Holländern nachahmen
daß man die Stammclasse aus gewordenen Freiwilligen bildete, was-
"° nur die viel zahlreichere Milizclasse durch die Conscription — Aushebung
gewonnen würde. Diese Einrichtung möchte nun ziemlich empfehlens-
sein; mir zweifeln nur, aufrichtig gestanden, ob man für den Bedarf
^ Marken preußischen Armee die nothwendigen Freiwilligen ohne einen enor-


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[0365] Landwehr für den Krieg über 550,000 Mann. Dies auf zehn Jahre vertheilt und den Abgang durch Sterbefälle berechnet, so wie die Cadresmannschasten, welche freiwillig länger dienen (Offiziere und Unteroffiziere), in Betracht ge- müßten jährlich 60.000 Mann ins Heer eingestellt werden, welches bei ^'jähriger Präsenz eine Armee von 180,000 Mann beständig auf den Beinen, ^' h. gegen jetzt 50,000 Mann oder fast die Hälfte mehr geben würde. Der ^'litäretat stiege dabei von 33 Millionen Thaler auf mindestens 50 Millionen. ^ Mindestens sagen wir; denn man muß wohl berechnen, daß unter solchen ^Wänden auch die Zahl der Landwehrofsiziere noch mehr als jetzt beschränkt ^rden würde. Die reine Einnahme Preußens belief sich aber 1858 auf ^'/s Millionen Thaler. Statt der 45 Procent der reinen Einnahme, welche >M herauskommen, würde also dann der Militäretat auf 70 Procent kommen! ^ber dies wäre noch das Wenigste. Man bedenke, daß unter diesen Un¬ bilden in Preußen die ganze Hülste der überhaupt dienstpflichtigen Mann- 'abäst auf drei Jahre in Dienst gestellt und der Friedensarbeit entzogen ^U'de, abgesehen von den Uebungen der beurlaubten Reservemannschaften in der Präsenzzeit folgenden sieben Jahren. Man bedenke, daß Oestreich dieses System bei einer Bevölkerung von 33 Millionen — mehr als das Doppelte der ^ußischm — handhabt und dabei doch, bei Lichte betrachtet, nicht viel mehr U'Ppen ins Feld stellt, als Preußen mit dem Landwehrsystem es kann. Zu »^'z ähnlichen Verhältnissen würde man gelangen, wenn etwa das franzö- lche System adoptirt werden sollte. Aus dem Cirkel entweder der zu großen „ °stjpieljgkeit des Systems oder der Unzulänglichkeit der Streitkräfte wird man ^chaupt bei keiner Aenderung herauskommen, wenn man sich nicht zu °Wer beträchtlichen Verminderung der Präsenzzeit entschließen kann. Ein Mittelweg wäre einzuschlagen, wie man ihn etwa in Holland oder Sardinien hat, wo die Mannschaft in zwei Classen zerfällt, eine, die eine Reihe von Jahren bei der Fahne bleibt und den eigentlichen Stamm Heeres bildet, eine andere, welche nur zu kurzen Uebungen in gewissen .^träumen einberufen wird (letztere Milizen in Holland, Provinzialen in Linien genannt). Aber man kann in Preußen schwerlich ein System ^ senden, welches verschiedenen Leuten ganz verschiedenartige Lasten auferlegt. an könnte in Preußen schwerlich die beiden verschiedenen Classen der Mann¬ est durch ein und dasselbe Mittel, durch die Aushebung nämlich, gewinnen, würde vielmehr dann hier auch darin den Holländern nachahmen daß man die Stammclasse aus gewordenen Freiwilligen bildete, was- "° nur die viel zahlreichere Milizclasse durch die Conscription — Aushebung gewonnen würde. Diese Einrichtung möchte nun ziemlich empfehlens- sein; mir zweifeln nur, aufrichtig gestanden, ob man für den Bedarf ^ Marken preußischen Armee die nothwendigen Freiwilligen ohne einen enor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/365>, abgerufen am 16.06.2024.