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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Ein gewissenhafter Eigenthümer, der sein Haus conserviren und vor Verun¬
reinigung bewahren will, hängt ein Madonnenbild über der Eingangsthür
oder an einem scharf hervorspringenden Eckpfeiler auf, und schreibt mit großen
Buchstaben die schützenden Worte: rispettv Mg, ^äonria! darunter. Reinlich¬
keit kommt nächst Gottesfurcht, sagen auch die Engländer. Wozu sonst keine
Gewalt der Erde den Römer zwingen kann, sich irgendwie in seinen Verhält¬
nissen einen Zwang anzuthun. das vermag noch die unsichtbare Gewalt des
Himmels. Vor den sichtbaren Dienern der Kirche ist wenig risMW vor¬
handen, die unsichtbaren Heiligen aber und das ganze Heer der Schutzpatrone
stehen Koch immer in sehr höher Achtung. Der Barbier stellt sein Geschästs-
local unter den Schutz des heiligen Ludwig und sein Schild ist mit den Li¬
lien M blau und weißen Viereck geschmückt. Barbiere und Coiffeure haben
immer eine besondere Zuneigung zu Frankreich. während im alten Rom die
Barbiere größtenteils aus Sicilien stammten und, wie Plinius berichtet.
Scipio Africanus der erste Römer war. der sich täglich rasiren ließ. --
Der Lohndiener übertheuert die Fremden, betet aber vorher zum heiligen
Alexis. und der Restaurateur setzt uns einen geheimnißvollen Braten vor. wenn
nur der heilige Joseph, der Patron der Küche, nichts dagegen hat. Nirgend
werden dre Thiere so gemißhandelt wie in Rom. und die Pferde unbarm¬
herzig geschunden. Ein italienisches Sprichwort sagt: "Rom ist das Pma-
dies für die Priester und die Hölle für die Pferde". und doch wird der heilige
Antonius, der Schutzpatron der Pferde, Esel und Rinder, am 17. Januar
im festlichen Aufzug verehrt und die unglücklichen Thiere werden von einem
Kirchendiener ebenso stark mit Weihwasser besprengt wie ihre Tyrannen, die
Kutscher. Der Italiener führt immer eine doppelte italienische Buchhaltung,
er begeht eine Sullde und belastet seinen Heiligen dafür, und das unglück¬
liche Zugvieh, das den Segen empfangen hat. erhält weit mehr Schlage als
die vierbeinigen nicht eingesegneten Ketzer in andern Ländern.

Diese ideale Schutzmacht, dieses Protectorat der Heiligen, dem das rö¬
mische Volk mit Freuden cttthängt. da jeder Heilige einen Festtag hat. schadet
dem Ansehen der irdischen Obrigkeit. Wenn auch der heilige Trofimus. der
vrvwttors per ig. xoäaßra, den wir schon neulich erwähnten, nicht die am
Zivverlein Leidenden zum offenen Kampfe gegen die Obrigkeit anstacheln wird,
so verleihen doch die Schutzpatrone den Gesunden eine gewisse Stärke und
Kraft. durch die so mancher sich für schußfest hält und dem Arme der Ge¬
setze trotzt. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß dieser Arm höchst schwächlich
ist und keine Muskeln aufzuweisen hat. aber er wird hier noch mehr gelähmt,
da er gegen zwei Feinde, gegen den Missethäter und seinen Schutzpatron, zu
kämpfen hat. Wie wundert sich hier der Berliner, welcher den Gensdarm in
der Brust trägt, wenn er eine Scene mit ansieht, wie wir sie erlebten. In


Grenzboten III. 1859.

Ein gewissenhafter Eigenthümer, der sein Haus conserviren und vor Verun¬
reinigung bewahren will, hängt ein Madonnenbild über der Eingangsthür
oder an einem scharf hervorspringenden Eckpfeiler auf, und schreibt mit großen
Buchstaben die schützenden Worte: rispettv Mg, ^äonria! darunter. Reinlich¬
keit kommt nächst Gottesfurcht, sagen auch die Engländer. Wozu sonst keine
Gewalt der Erde den Römer zwingen kann, sich irgendwie in seinen Verhält¬
nissen einen Zwang anzuthun. das vermag noch die unsichtbare Gewalt des
Himmels. Vor den sichtbaren Dienern der Kirche ist wenig risMW vor¬
handen, die unsichtbaren Heiligen aber und das ganze Heer der Schutzpatrone
stehen Koch immer in sehr höher Achtung. Der Barbier stellt sein Geschästs-
local unter den Schutz des heiligen Ludwig und sein Schild ist mit den Li¬
lien M blau und weißen Viereck geschmückt. Barbiere und Coiffeure haben
immer eine besondere Zuneigung zu Frankreich. während im alten Rom die
Barbiere größtenteils aus Sicilien stammten und, wie Plinius berichtet.
Scipio Africanus der erste Römer war. der sich täglich rasiren ließ. —
Der Lohndiener übertheuert die Fremden, betet aber vorher zum heiligen
Alexis. und der Restaurateur setzt uns einen geheimnißvollen Braten vor. wenn
nur der heilige Joseph, der Patron der Küche, nichts dagegen hat. Nirgend
werden dre Thiere so gemißhandelt wie in Rom. und die Pferde unbarm¬
herzig geschunden. Ein italienisches Sprichwort sagt: „Rom ist das Pma-
dies für die Priester und die Hölle für die Pferde". und doch wird der heilige
Antonius, der Schutzpatron der Pferde, Esel und Rinder, am 17. Januar
im festlichen Aufzug verehrt und die unglücklichen Thiere werden von einem
Kirchendiener ebenso stark mit Weihwasser besprengt wie ihre Tyrannen, die
Kutscher. Der Italiener führt immer eine doppelte italienische Buchhaltung,
er begeht eine Sullde und belastet seinen Heiligen dafür, und das unglück¬
liche Zugvieh, das den Segen empfangen hat. erhält weit mehr Schlage als
die vierbeinigen nicht eingesegneten Ketzer in andern Ländern.

Diese ideale Schutzmacht, dieses Protectorat der Heiligen, dem das rö¬
mische Volk mit Freuden cttthängt. da jeder Heilige einen Festtag hat. schadet
dem Ansehen der irdischen Obrigkeit. Wenn auch der heilige Trofimus. der
vrvwttors per ig. xoäaßra, den wir schon neulich erwähnten, nicht die am
Zivverlein Leidenden zum offenen Kampfe gegen die Obrigkeit anstacheln wird,
so verleihen doch die Schutzpatrone den Gesunden eine gewisse Stärke und
Kraft. durch die so mancher sich für schußfest hält und dem Arme der Ge¬
setze trotzt. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß dieser Arm höchst schwächlich
ist und keine Muskeln aufzuweisen hat. aber er wird hier noch mehr gelähmt,
da er gegen zwei Feinde, gegen den Missethäter und seinen Schutzpatron, zu
kämpfen hat. Wie wundert sich hier der Berliner, welcher den Gensdarm in
der Brust trägt, wenn er eine Scene mit ansieht, wie wir sie erlebten. In


Grenzboten III. 1859.
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[0039] Ein gewissenhafter Eigenthümer, der sein Haus conserviren und vor Verun¬ reinigung bewahren will, hängt ein Madonnenbild über der Eingangsthür oder an einem scharf hervorspringenden Eckpfeiler auf, und schreibt mit großen Buchstaben die schützenden Worte: rispettv Mg, ^äonria! darunter. Reinlich¬ keit kommt nächst Gottesfurcht, sagen auch die Engländer. Wozu sonst keine Gewalt der Erde den Römer zwingen kann, sich irgendwie in seinen Verhält¬ nissen einen Zwang anzuthun. das vermag noch die unsichtbare Gewalt des Himmels. Vor den sichtbaren Dienern der Kirche ist wenig risMW vor¬ handen, die unsichtbaren Heiligen aber und das ganze Heer der Schutzpatrone stehen Koch immer in sehr höher Achtung. Der Barbier stellt sein Geschästs- local unter den Schutz des heiligen Ludwig und sein Schild ist mit den Li¬ lien M blau und weißen Viereck geschmückt. Barbiere und Coiffeure haben immer eine besondere Zuneigung zu Frankreich. während im alten Rom die Barbiere größtenteils aus Sicilien stammten und, wie Plinius berichtet. Scipio Africanus der erste Römer war. der sich täglich rasiren ließ. — Der Lohndiener übertheuert die Fremden, betet aber vorher zum heiligen Alexis. und der Restaurateur setzt uns einen geheimnißvollen Braten vor. wenn nur der heilige Joseph, der Patron der Küche, nichts dagegen hat. Nirgend werden dre Thiere so gemißhandelt wie in Rom. und die Pferde unbarm¬ herzig geschunden. Ein italienisches Sprichwort sagt: „Rom ist das Pma- dies für die Priester und die Hölle für die Pferde". und doch wird der heilige Antonius, der Schutzpatron der Pferde, Esel und Rinder, am 17. Januar im festlichen Aufzug verehrt und die unglücklichen Thiere werden von einem Kirchendiener ebenso stark mit Weihwasser besprengt wie ihre Tyrannen, die Kutscher. Der Italiener führt immer eine doppelte italienische Buchhaltung, er begeht eine Sullde und belastet seinen Heiligen dafür, und das unglück¬ liche Zugvieh, das den Segen empfangen hat. erhält weit mehr Schlage als die vierbeinigen nicht eingesegneten Ketzer in andern Ländern. Diese ideale Schutzmacht, dieses Protectorat der Heiligen, dem das rö¬ mische Volk mit Freuden cttthängt. da jeder Heilige einen Festtag hat. schadet dem Ansehen der irdischen Obrigkeit. Wenn auch der heilige Trofimus. der vrvwttors per ig. xoäaßra, den wir schon neulich erwähnten, nicht die am Zivverlein Leidenden zum offenen Kampfe gegen die Obrigkeit anstacheln wird, so verleihen doch die Schutzpatrone den Gesunden eine gewisse Stärke und Kraft. durch die so mancher sich für schußfest hält und dem Arme der Ge¬ setze trotzt. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß dieser Arm höchst schwächlich ist und keine Muskeln aufzuweisen hat. aber er wird hier noch mehr gelähmt, da er gegen zwei Feinde, gegen den Missethäter und seinen Schutzpatron, zu kämpfen hat. Wie wundert sich hier der Berliner, welcher den Gensdarm in der Brust trägt, wenn er eine Scene mit ansieht, wie wir sie erlebten. In Grenzboten III. 1859.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/39>, abgerufen am 14.05.2024.