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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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doch ungemein schwierig, indem der Wucher schließlich so verkleidet ist, daß
zuletzt ein sehr gewinnreiches Geschäft aber kein verbotenes vorliegt, das Straf'
gesetz sonach nicht zur Anwendung kommen kann.

Was sollen aber Gesetze, deren Anwendung fast unmöglich ist?

Es bleibt noch übrig kurz anzudeuten, inwiefern die bestehenden W"-
chergesetze dem Handel und Wandel, den Gewerben, der Industrie, der La"d-
wirthschaft u. s. w. wirklichen Schaden bringen.-

Jeder Arme findet dann und wann Gelegenheit, selbst in seinen be
schränkten Verhältnissen ein mehr oder weniger lohnendes, ihm nach Umso"'
den reichliche Zinsen eindringendes Geschäft zu machen, sei es in Einkauf vo"
Rohmaterial, Uebernahme einer kleinen Lieferung, Ankauf von einem Su"
Land, von einem Stück Vieh u. f. w. Es fehlt ihm nichts als Geld. ^
muß sich deshalb leihen; -- er findet keinen Kapitalisten, der ihm, dem M>'
tellosen, der keinen Grundbesitz hat, den er verpfänden könnte, Geld zu
wohnlichen landesüblichen Zinsen leihen mag. Er kann nur ein Faustps^
geben, etwas Weißzeug, ein Stück Hausgeräth, -- er braucht auch nur det>-
ßig Thaler. Welcher Capitalist wird sich dazu verstehen, ein so kleines
schast zu machen, ein Capital zu trennen, ein Faustpfand zu nehme"'
Der Geldbedürftige geht sonach zu jemanden, der zu diesem allen bereit 'I '
und sich diese verschiedenen Gefälligkeiten mit höheren Zinsen belohnen laß -
-- mit einem Worte zu einem Wucherer. -- Der weist ihn ab, -- der
cher ist verboten, die Gesetze sind strenge, -- erst vor einem Jahre ist er ^
straft worden, er gibt sich durchaus nicht mehr damit ab. -- Was ist ^
machen? Der arme Mann hätte in vier Wochen einen sichern Nebenverdiem
von zehn bis zwölf Thalern machen können, er hätte gern recht hohe Zu'?
bezahlt, vier, auch fünf Thaler seines Gewinnes hergegeben. -- er kann e
nicht ändern, er muß den schönen Gewinn vorbeilassen. Oder der Wuck)^
sagt, ich riskire wieder gestraft zu werden, für dieses Risiko mußt du u
bezahlen, statt vier verlange ich sechs Thaler; -- und der arme Mann
darauf eingehen, ja er ist froh, daß er den Wucherer noch zu dem Ge
bewegen konnte.,"uß

Wären die Wuchergesetze nicht im Wege,so hätte er wol das GelM
mit den halben Zinsen oder noch wohlfeiler gemacht. Es bedarf keines Mu)'
weises, daß die Verschiedenartigkeit dieser Fälle ins Unendliche geht, im tag'
lichen Geschäftsleben in tausend und abermaltausend Gestalten vorkomM^
und so von den kleinen Verhältnissen des Proletariers durch die größeren ^
Hältnisse der Gewerbe, der Industrie, des Verkehrs und des Handels fort b'
zu den Geschäften des größeren Kapitalisten und des Bankiers; -- die Sa)
bleibt dieselbe, nur der Name wechselt, und was bei dem Einen erlaubte Sy
culation ist, das ist bei dem Andern strafbarer Wucher.


doch ungemein schwierig, indem der Wucher schließlich so verkleidet ist, daß
zuletzt ein sehr gewinnreiches Geschäft aber kein verbotenes vorliegt, das Straf'
gesetz sonach nicht zur Anwendung kommen kann.

Was sollen aber Gesetze, deren Anwendung fast unmöglich ist?

Es bleibt noch übrig kurz anzudeuten, inwiefern die bestehenden W»-
chergesetze dem Handel und Wandel, den Gewerben, der Industrie, der La»d-
wirthschaft u. s. w. wirklichen Schaden bringen.-

Jeder Arme findet dann und wann Gelegenheit, selbst in seinen be
schränkten Verhältnissen ein mehr oder weniger lohnendes, ihm nach Umso"'
den reichliche Zinsen eindringendes Geschäft zu machen, sei es in Einkauf vo"
Rohmaterial, Uebernahme einer kleinen Lieferung, Ankauf von einem Su"
Land, von einem Stück Vieh u. f. w. Es fehlt ihm nichts als Geld. ^
muß sich deshalb leihen; — er findet keinen Kapitalisten, der ihm, dem M>'
tellosen, der keinen Grundbesitz hat, den er verpfänden könnte, Geld zu
wohnlichen landesüblichen Zinsen leihen mag. Er kann nur ein Faustps^
geben, etwas Weißzeug, ein Stück Hausgeräth, — er braucht auch nur det>-
ßig Thaler. Welcher Capitalist wird sich dazu verstehen, ein so kleines
schast zu machen, ein Capital zu trennen, ein Faustpfand zu nehme"'
Der Geldbedürftige geht sonach zu jemanden, der zu diesem allen bereit 'I '
und sich diese verschiedenen Gefälligkeiten mit höheren Zinsen belohnen laß -
— mit einem Worte zu einem Wucherer. — Der weist ihn ab, — der
cher ist verboten, die Gesetze sind strenge, — erst vor einem Jahre ist er ^
straft worden, er gibt sich durchaus nicht mehr damit ab. — Was ist ^
machen? Der arme Mann hätte in vier Wochen einen sichern Nebenverdiem
von zehn bis zwölf Thalern machen können, er hätte gern recht hohe Zu'?
bezahlt, vier, auch fünf Thaler seines Gewinnes hergegeben. — er kann e
nicht ändern, er muß den schönen Gewinn vorbeilassen. Oder der Wuck)^
sagt, ich riskire wieder gestraft zu werden, für dieses Risiko mußt du u
bezahlen, statt vier verlange ich sechs Thaler; — und der arme Mann
darauf eingehen, ja er ist froh, daß er den Wucherer noch zu dem Ge
bewegen konnte.,»uß

Wären die Wuchergesetze nicht im Wege,so hätte er wol das GelM
mit den halben Zinsen oder noch wohlfeiler gemacht. Es bedarf keines Mu)'
weises, daß die Verschiedenartigkeit dieser Fälle ins Unendliche geht, im tag'
lichen Geschäftsleben in tausend und abermaltausend Gestalten vorkomM^
und so von den kleinen Verhältnissen des Proletariers durch die größeren ^
Hältnisse der Gewerbe, der Industrie, des Verkehrs und des Handels fort b'
zu den Geschäften des größeren Kapitalisten und des Bankiers; — die Sa)
bleibt dieselbe, nur der Name wechselt, und was bei dem Einen erlaubte Sy
culation ist, das ist bei dem Andern strafbarer Wucher.


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[0408] doch ungemein schwierig, indem der Wucher schließlich so verkleidet ist, daß zuletzt ein sehr gewinnreiches Geschäft aber kein verbotenes vorliegt, das Straf' gesetz sonach nicht zur Anwendung kommen kann. Was sollen aber Gesetze, deren Anwendung fast unmöglich ist? Es bleibt noch übrig kurz anzudeuten, inwiefern die bestehenden W»- chergesetze dem Handel und Wandel, den Gewerben, der Industrie, der La»d- wirthschaft u. s. w. wirklichen Schaden bringen.- Jeder Arme findet dann und wann Gelegenheit, selbst in seinen be schränkten Verhältnissen ein mehr oder weniger lohnendes, ihm nach Umso"' den reichliche Zinsen eindringendes Geschäft zu machen, sei es in Einkauf vo" Rohmaterial, Uebernahme einer kleinen Lieferung, Ankauf von einem Su" Land, von einem Stück Vieh u. f. w. Es fehlt ihm nichts als Geld. ^ muß sich deshalb leihen; — er findet keinen Kapitalisten, der ihm, dem M>' tellosen, der keinen Grundbesitz hat, den er verpfänden könnte, Geld zu wohnlichen landesüblichen Zinsen leihen mag. Er kann nur ein Faustps^ geben, etwas Weißzeug, ein Stück Hausgeräth, — er braucht auch nur det>- ßig Thaler. Welcher Capitalist wird sich dazu verstehen, ein so kleines schast zu machen, ein Capital zu trennen, ein Faustpfand zu nehme"' Der Geldbedürftige geht sonach zu jemanden, der zu diesem allen bereit 'I ' und sich diese verschiedenen Gefälligkeiten mit höheren Zinsen belohnen laß - — mit einem Worte zu einem Wucherer. — Der weist ihn ab, — der cher ist verboten, die Gesetze sind strenge, — erst vor einem Jahre ist er ^ straft worden, er gibt sich durchaus nicht mehr damit ab. — Was ist ^ machen? Der arme Mann hätte in vier Wochen einen sichern Nebenverdiem von zehn bis zwölf Thalern machen können, er hätte gern recht hohe Zu'? bezahlt, vier, auch fünf Thaler seines Gewinnes hergegeben. — er kann e nicht ändern, er muß den schönen Gewinn vorbeilassen. Oder der Wuck)^ sagt, ich riskire wieder gestraft zu werden, für dieses Risiko mußt du u bezahlen, statt vier verlange ich sechs Thaler; — und der arme Mann darauf eingehen, ja er ist froh, daß er den Wucherer noch zu dem Ge bewegen konnte.,»uß Wären die Wuchergesetze nicht im Wege,so hätte er wol das GelM mit den halben Zinsen oder noch wohlfeiler gemacht. Es bedarf keines Mu)' weises, daß die Verschiedenartigkeit dieser Fälle ins Unendliche geht, im tag' lichen Geschäftsleben in tausend und abermaltausend Gestalten vorkomM^ und so von den kleinen Verhältnissen des Proletariers durch die größeren ^ Hältnisse der Gewerbe, der Industrie, des Verkehrs und des Handels fort b' zu den Geschäften des größeren Kapitalisten und des Bankiers; — die Sa) bleibt dieselbe, nur der Name wechselt, und was bei dem Einen erlaubte Sy culation ist, das ist bei dem Andern strafbarer Wucher.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/408>, abgerufen am 25.05.2024.