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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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uns geleuchtet, sein Theil bekommen, mußte auch die Frau, an deren Dünger-
fttier er seinen Wachsstock angezündet, befriedigt werden. Ein Knabe hatte An¬
sprüche, weil er das Pferd meines Begleiters, ein andrer, weil er das meine ge¬
halten, ein dritter, weil er mir den Fuß in den Steigbügel gesteckt und so fort
b's zu dem nackten Bübchen, welches das Verlangen, mit dem es die Hand
Aaas einem halben Piaster aufhielt, nur mit seiner Nacktheit begründen konnte.

Nach der Region der Bettler gelangten wir in die Region der Räuber.
Die Straße nach Jericho ist bekanntlich die, wo sich die Geschichte
"Ut dem barmherzigen Samariter begab, und sie ist noch ebenso un-
^cher wie damals, so daß wir nicht ohne Sorge waren, als unsre Bedeckung
"och immer ausblieb. Endlich stellte sich uns an einer Wendung des Thales,
dem sich der Weg hinzieht, ein langer, überaus häßlicher Mohr mit einer
^eduinenflinte als einer der Leute unsres Schechs vor, und wahrscheinlich zu
Achter Zeit. Wir hatten ihn eben zu den Maulthieren beordert, welche mit
^rem Treiber und dem Brandenburger eine Strecke zurückgeblieben waren, als
"or uns ein Beduine zu Pferde sichtbar wurde. Er richtete, als er uns er-
°l'alt, seine Lanze und fühlte nach dem Pistol im Gürtel. Wir galoppirten
"uf ihn zu und grüßten mit "Marhabah!" dem gewöhnlichen Gruß zwischen
Jnseen und Mohammedanern. Statt unsre Höflichkeit zu erwidern, fragte
^ barsch, ob wir Geleit hätten. Wir nannten den Namen Schech Ibrahims,
Und er ritt weiter. Daß er üble Absichten gehabt, schien daraus hervorzugehn,
er einen Angriff auf unsern Nachtrab machte und dem Webergesellen seinen
Hut zu entreißen strebte, eine Absicht, die er nicht eher aufgab, als bis der
^zwischen herbeigeeilte Mohr ihn mit angelegter Flinte das Weite zu suchen
"olhigte. Indeß ist es möglich, daß der mit der Flinte und der mit der
Lanze Freunde und ihre Manöver nur darauf berechnet waren, uns zu einem
^kjchisch für den Schwarzen zu verpflichten.

Die Gegend wurde allmälig kahler und fahler. Die Olivenbäume, die
bisher hier und dort in kleinen Gruppen erblickt, hörten auf, endlich auch
die Streifchen von Saatfeldern, die am Wege gelegen. Wir waren in der
^ufte, in welcher Jesus zwischen seiner Taufe und dem Antritt seines Lehr¬
amts vom Satan versucht wurde. Der höchste von den gelbgrauen Bergen,
^lebe, mit einzelnen Büschen mißfarbigen Gestrüpps wie mit Warzen be¬
wachsen, durch zahllose diese Schluchten voneinander geschieden, sich rechts und
l'nks von der Straße erheben, ist der. auf dem er mit dem Versucher die
überblickte und die ihm gebotne Herrschaft über sie ausschlug. Der Ort
7)und von der Legende übel gewählt, da der Besitz dessen, was man von hier
herschauen kann, eben keine starke Lockung einschließt, ein gutes Gewissen da-
UU'zu verkaufen. Daß sich der Teufel hier aufgehalten hat, ist eher glaublich, und
die Tausende von Annchoreten, die es früher in dieser schauerlichen Einöde


Grenzboten III. 135g. 54

uns geleuchtet, sein Theil bekommen, mußte auch die Frau, an deren Dünger-
fttier er seinen Wachsstock angezündet, befriedigt werden. Ein Knabe hatte An¬
sprüche, weil er das Pferd meines Begleiters, ein andrer, weil er das meine ge¬
halten, ein dritter, weil er mir den Fuß in den Steigbügel gesteckt und so fort
b's zu dem nackten Bübchen, welches das Verlangen, mit dem es die Hand
Aaas einem halben Piaster aufhielt, nur mit seiner Nacktheit begründen konnte.

Nach der Region der Bettler gelangten wir in die Region der Räuber.
Die Straße nach Jericho ist bekanntlich die, wo sich die Geschichte
"Ut dem barmherzigen Samariter begab, und sie ist noch ebenso un-
^cher wie damals, so daß wir nicht ohne Sorge waren, als unsre Bedeckung
"och immer ausblieb. Endlich stellte sich uns an einer Wendung des Thales,
dem sich der Weg hinzieht, ein langer, überaus häßlicher Mohr mit einer
^eduinenflinte als einer der Leute unsres Schechs vor, und wahrscheinlich zu
Achter Zeit. Wir hatten ihn eben zu den Maulthieren beordert, welche mit
^rem Treiber und dem Brandenburger eine Strecke zurückgeblieben waren, als
"or uns ein Beduine zu Pferde sichtbar wurde. Er richtete, als er uns er-
°l'alt, seine Lanze und fühlte nach dem Pistol im Gürtel. Wir galoppirten
"uf ihn zu und grüßten mit „Marhabah!" dem gewöhnlichen Gruß zwischen
Jnseen und Mohammedanern. Statt unsre Höflichkeit zu erwidern, fragte
^ barsch, ob wir Geleit hätten. Wir nannten den Namen Schech Ibrahims,
Und er ritt weiter. Daß er üble Absichten gehabt, schien daraus hervorzugehn,
er einen Angriff auf unsern Nachtrab machte und dem Webergesellen seinen
Hut zu entreißen strebte, eine Absicht, die er nicht eher aufgab, als bis der
^zwischen herbeigeeilte Mohr ihn mit angelegter Flinte das Weite zu suchen
"olhigte. Indeß ist es möglich, daß der mit der Flinte und der mit der
Lanze Freunde und ihre Manöver nur darauf berechnet waren, uns zu einem
^kjchisch für den Schwarzen zu verpflichten.

Die Gegend wurde allmälig kahler und fahler. Die Olivenbäume, die
bisher hier und dort in kleinen Gruppen erblickt, hörten auf, endlich auch
die Streifchen von Saatfeldern, die am Wege gelegen. Wir waren in der
^ufte, in welcher Jesus zwischen seiner Taufe und dem Antritt seines Lehr¬
amts vom Satan versucht wurde. Der höchste von den gelbgrauen Bergen,
^lebe, mit einzelnen Büschen mißfarbigen Gestrüpps wie mit Warzen be¬
wachsen, durch zahllose diese Schluchten voneinander geschieden, sich rechts und
l'nks von der Straße erheben, ist der. auf dem er mit dem Versucher die
überblickte und die ihm gebotne Herrschaft über sie ausschlug. Der Ort
7)und von der Legende übel gewählt, da der Besitz dessen, was man von hier
herschauen kann, eben keine starke Lockung einschließt, ein gutes Gewissen da-
UU'zu verkaufen. Daß sich der Teufel hier aufgehalten hat, ist eher glaublich, und
die Tausende von Annchoreten, die es früher in dieser schauerlichen Einöde


Grenzboten III. 135g. 54
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/439>, abgerufen am 30.05.2024.