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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Beim Hinabsteigen in das Thal gesellte sich ein arabischer Knabe zu
"ur, der auf einem Esel ritt und mir erst italienisch, dann in gebrochnem Frän¬
kisch verschiedene Perlmutterarbeitcn anbot. Als ich den Kauf ablehnte, be¬
nutzte er die Gelegenheit zu profitiren insofern, daß er sich von mir in aller
Eile eine Lection im Englischsprechen ertheilen ließ. Ich mußte ihm sagen,
was Geld, kaufen, theuer, wohlfeil und andere beim Handel vorkommende
Ausdrücke auf englisch hießen, ihm die Zahlen lehren u. s. w. Es war augen-
scheinlich ein aufgeweckter Bursch, der mit den Regeln kaufmännischen Ver¬
kehrs, wie sie im Orient gelten, recht wohl bekannt war und sogar Grund¬
sätze hatte.

Bethlehem hat gegen 3000 Einwohner, die fast alle Christen sind, wie
wan schon daraus innewird, daß sie Frauen -- welche beiläufig hier eine
"gue Tracht tragen, die in einer über das gewöhnliche blaue arabische Hemd
geworfenen rothen Tunica besteht -- sich das Gesicht nicht verschleiern. Sie
beschäftigen sich mit Garten- und Feldbau und außer andern Handwerken mit
Anfertigung, von Andenken für die Pilger: Rosenkränzen. Crucifixen. Dosen
nut dem Bilde des heiligen Abendmahls. Christusbildchen. Trinkschalen u. a..
Wozu sie Dattelkerne. Feigen- und Olivenholz, vorzüglich aber Perlmutter.
Frauenweiß und den Stinkschiefer vom todten Meer verwenden. Das Innere
des Städtchens ist schmuzig. auf der Marktgasse, durch die man geht, wenn
'Nein nach den Klöstern will, sah ich fast nur Zwiebeln und Knoblauch seil
halten. Die Klöster -- es sind drei: ein lateinisches, ein griechisches und ein
armenisches -- bilden einen Stadttheil für sich. Sie sind allesammt von einer
hohen, mit Strebepfeilern gestützten Mauer umgeben, und schließen drei ver¬
miedene Kirchen ein. Durch ein ziemlich enges Hauptthor gelangt man auf
^nen gepflasterten, von Arkaden eingefaßten Borhos. aus dem ein kleines
Pförtchen in die Kirche führt, welche die Geburtshöhle einschließt. Diese Kirche
'se eine der ältesten und schönsten in Palästina. In ihr wurde am Weihnachts-
t°g des Jahres 1101 der Kreuzritterkönig Balduin gekrönt. Ihre Grundform
ö"ge den ältesten Basilitenstil, ihre jetzige Ausschmückung stammt von den
Ziechen her, die sie im Jahre 1842 ausbesserten und theilweise umbauten.
^ gelbliche Marmorsäulen mit korinthischen Kapitalen tragen die Decke, die
"us Cedernholz vom Libanon gefertigt sein soll. Große Fenster erhellen das
schiff, welches ein Kreuz vorstellt. An den Wänden erblickt man griechische
Anschriften, Spuren musivischer Darstellungen und einige Gemälde auf Holz-
^sein. Der Chor, vom Schiff durch eine Quermaucr geschieden und drei
^ufm höher als dieses, enthält einen den drei Weisen aus dem Morgenland
geweihten Altar, vor dem ein Marmorstein am Boden die Stelle bezeichnet,
über welcher der Wegweiserstern des Jahres Eins stillstand "oben über, da
Kindlein war." Rechts und links von dem Altar führen Stufen in die


Beim Hinabsteigen in das Thal gesellte sich ein arabischer Knabe zu
"ur, der auf einem Esel ritt und mir erst italienisch, dann in gebrochnem Frän¬
kisch verschiedene Perlmutterarbeitcn anbot. Als ich den Kauf ablehnte, be¬
nutzte er die Gelegenheit zu profitiren insofern, daß er sich von mir in aller
Eile eine Lection im Englischsprechen ertheilen ließ. Ich mußte ihm sagen,
was Geld, kaufen, theuer, wohlfeil und andere beim Handel vorkommende
Ausdrücke auf englisch hießen, ihm die Zahlen lehren u. s. w. Es war augen-
scheinlich ein aufgeweckter Bursch, der mit den Regeln kaufmännischen Ver¬
kehrs, wie sie im Orient gelten, recht wohl bekannt war und sogar Grund¬
sätze hatte.

Bethlehem hat gegen 3000 Einwohner, die fast alle Christen sind, wie
wan schon daraus innewird, daß sie Frauen — welche beiläufig hier eine
"gue Tracht tragen, die in einer über das gewöhnliche blaue arabische Hemd
geworfenen rothen Tunica besteht — sich das Gesicht nicht verschleiern. Sie
beschäftigen sich mit Garten- und Feldbau und außer andern Handwerken mit
Anfertigung, von Andenken für die Pilger: Rosenkränzen. Crucifixen. Dosen
nut dem Bilde des heiligen Abendmahls. Christusbildchen. Trinkschalen u. a..
Wozu sie Dattelkerne. Feigen- und Olivenholz, vorzüglich aber Perlmutter.
Frauenweiß und den Stinkschiefer vom todten Meer verwenden. Das Innere
des Städtchens ist schmuzig. auf der Marktgasse, durch die man geht, wenn
'Nein nach den Klöstern will, sah ich fast nur Zwiebeln und Knoblauch seil
halten. Die Klöster — es sind drei: ein lateinisches, ein griechisches und ein
armenisches — bilden einen Stadttheil für sich. Sie sind allesammt von einer
hohen, mit Strebepfeilern gestützten Mauer umgeben, und schließen drei ver¬
miedene Kirchen ein. Durch ein ziemlich enges Hauptthor gelangt man auf
^nen gepflasterten, von Arkaden eingefaßten Borhos. aus dem ein kleines
Pförtchen in die Kirche führt, welche die Geburtshöhle einschließt. Diese Kirche
'se eine der ältesten und schönsten in Palästina. In ihr wurde am Weihnachts-
t°g des Jahres 1101 der Kreuzritterkönig Balduin gekrönt. Ihre Grundform
ö"ge den ältesten Basilitenstil, ihre jetzige Ausschmückung stammt von den
Ziechen her, die sie im Jahre 1842 ausbesserten und theilweise umbauten.
^ gelbliche Marmorsäulen mit korinthischen Kapitalen tragen die Decke, die
"us Cedernholz vom Libanon gefertigt sein soll. Große Fenster erhellen das
schiff, welches ein Kreuz vorstellt. An den Wänden erblickt man griechische
Anschriften, Spuren musivischer Darstellungen und einige Gemälde auf Holz-
^sein. Der Chor, vom Schiff durch eine Quermaucr geschieden und drei
^ufm höher als dieses, enthält einen den drei Weisen aus dem Morgenland
geweihten Altar, vor dem ein Marmorstein am Boden die Stelle bezeichnet,
über welcher der Wegweiserstern des Jahres Eins stillstand „oben über, da
Kindlein war." Rechts und links von dem Altar führen Stufen in die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/453>, abgerufen am 07.06.2024.