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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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dieser eisernen Beharrlichkeit, an der sich unsre leicht ermüdeten, bald ver¬
zweifelnden Politiker ein Beispiel nehmen mögen, vollendet war.

Wir ritten von der Furt des Kison in drei Stunden nach Chaisa. Bei
dem Dorfe Schech Sand, wo sich der klare Gebirgsbach Nachr Saadeh aus
einer Schlucht hervordrängt, beobachtete ich zum ersten Mal die später in
den phönizischen Dörfern oft bemerkte Sitte des Landvolks, sich auf den Dä¬
chern ihrer Steinhäuser Lauben von Zweigen zu bauen. Mehre dieser grünen
Wohnungen waren sorgfältig beschnitten und mit Thüren und Fenstern versehen.
Man bringt in ihnen die heißen Monate zu, da sie dem kühlenden Wind
mehr Zutritt gestatten, als die massiven Häuser. Der Gebrauch ist uralt;
denn jedenfalls war es eine solche Sommerlaube, in welcher Ehud den Mva-
biterkönig Eglon erstach.

Allmälig wurden nun die Gärten von Chaisa mit ihren Palmen und
Orangenhainen sichtbar, und auf dem Meer dahinter waren die Masten und
Segel von Schiffen zu erkennen. Endlich ließen sich auch die gelbgrauen
Häuser des Städtchens, sein Minaret und seine Kirche unterscheiden. Als wir
vor das Thor kamen, ergoß sich daraus ein bunter Reiterzug. Es waren
sechzig bis achtzig Beduinen: Männer, Greise und Knaben, alle bewaffnet,
zum Theil mit Lanzen, zum Theil mit Säbeln und Karabinern, die meisten
mit langen silberbeschlagenen Flinten, an denen kurze Vajonnette von der
Form steckten, die vor hundert Jahren in Europa gebräuchlich war. Vorn
ritt ein prächtig gekleideter Schech, der einen grünen Turban und eine mit
Gold beraste rothe Sammtjacke trug. Die Uebrigen nahmen sich weniger
stattlich aus, alle aber tummelten ihre Pferde mit großem Geschick, und selbst
die Knaben legten mit den Reiterkünstcn, die sie beim Vorübersprengen zeigten,
bei dem Lieutenant und dem Wachtmeister Ehre ein.

Chaifa selbst bietet nichts Erwähnenswerthes. Es ist ein Ort, der, wie
man an den vielen neuen Häusern sieht, erst in den letzten Jahren zu einiger
Bedeutung gelangt ist. Es wohnen hier außer Arabern und Türken auch
Armenier und Griechen, einige Italiener, die als Consuln fungiren. und mehre
englische und deutsche Missionäre. Wir stiegen in der Locanda eines Griechen
ab, deren Wirth eine Art Table d'hote eingerichtet hatte, die man als Versuch
willkommen hieß, wenn sie auch mehr als uns angenehm war verrieth, daß
solche Pflanzen in diesen- Boden nicht gedeihen. Vor dem Essen wurde ein
Ausflug nach dem Karmelklostcr gemacht, welches eine halbe Stunde südlich
von der Stadt auf der Höhe liegt. Der Weg ging zuerst über Ackerfeld, dann
durch Olivenpflanzungcn aufwärts. An mehren Stellen bemerkte ich in der
Felsenwand neben dem Pfade Höhlen und Grotten, die Spuren des Meißels
zeigten. Endlich kamen wir vor dem Klosterthor an. Im Hose empfingen
uns drei mächtige Doggen, aus deren Gebell ein Mönch erschien, der uns in


dieser eisernen Beharrlichkeit, an der sich unsre leicht ermüdeten, bald ver¬
zweifelnden Politiker ein Beispiel nehmen mögen, vollendet war.

Wir ritten von der Furt des Kison in drei Stunden nach Chaisa. Bei
dem Dorfe Schech Sand, wo sich der klare Gebirgsbach Nachr Saadeh aus
einer Schlucht hervordrängt, beobachtete ich zum ersten Mal die später in
den phönizischen Dörfern oft bemerkte Sitte des Landvolks, sich auf den Dä¬
chern ihrer Steinhäuser Lauben von Zweigen zu bauen. Mehre dieser grünen
Wohnungen waren sorgfältig beschnitten und mit Thüren und Fenstern versehen.
Man bringt in ihnen die heißen Monate zu, da sie dem kühlenden Wind
mehr Zutritt gestatten, als die massiven Häuser. Der Gebrauch ist uralt;
denn jedenfalls war es eine solche Sommerlaube, in welcher Ehud den Mva-
biterkönig Eglon erstach.

Allmälig wurden nun die Gärten von Chaisa mit ihren Palmen und
Orangenhainen sichtbar, und auf dem Meer dahinter waren die Masten und
Segel von Schiffen zu erkennen. Endlich ließen sich auch die gelbgrauen
Häuser des Städtchens, sein Minaret und seine Kirche unterscheiden. Als wir
vor das Thor kamen, ergoß sich daraus ein bunter Reiterzug. Es waren
sechzig bis achtzig Beduinen: Männer, Greise und Knaben, alle bewaffnet,
zum Theil mit Lanzen, zum Theil mit Säbeln und Karabinern, die meisten
mit langen silberbeschlagenen Flinten, an denen kurze Vajonnette von der
Form steckten, die vor hundert Jahren in Europa gebräuchlich war. Vorn
ritt ein prächtig gekleideter Schech, der einen grünen Turban und eine mit
Gold beraste rothe Sammtjacke trug. Die Uebrigen nahmen sich weniger
stattlich aus, alle aber tummelten ihre Pferde mit großem Geschick, und selbst
die Knaben legten mit den Reiterkünstcn, die sie beim Vorübersprengen zeigten,
bei dem Lieutenant und dem Wachtmeister Ehre ein.

Chaifa selbst bietet nichts Erwähnenswerthes. Es ist ein Ort, der, wie
man an den vielen neuen Häusern sieht, erst in den letzten Jahren zu einiger
Bedeutung gelangt ist. Es wohnen hier außer Arabern und Türken auch
Armenier und Griechen, einige Italiener, die als Consuln fungiren. und mehre
englische und deutsche Missionäre. Wir stiegen in der Locanda eines Griechen
ab, deren Wirth eine Art Table d'hote eingerichtet hatte, die man als Versuch
willkommen hieß, wenn sie auch mehr als uns angenehm war verrieth, daß
solche Pflanzen in diesen- Boden nicht gedeihen. Vor dem Essen wurde ein
Ausflug nach dem Karmelklostcr gemacht, welches eine halbe Stunde südlich
von der Stadt auf der Höhe liegt. Der Weg ging zuerst über Ackerfeld, dann
durch Olivenpflanzungcn aufwärts. An mehren Stellen bemerkte ich in der
Felsenwand neben dem Pfade Höhlen und Grotten, die Spuren des Meißels
zeigten. Endlich kamen wir vor dem Klosterthor an. Im Hose empfingen
uns drei mächtige Doggen, aus deren Gebell ein Mönch erschien, der uns in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/520>, abgerufen am 28.05.2024.